Luc Besson

Dracula – Die Auferstehung

Graf von Drācul (Caleb Landry Jones) nähert sich der verführerischen Mina (Zoë Bleu) beim Tanz. Foto: Leonine Distribution GmbH
(Kinostart: 30.10.) Die Einsamkeit des Blutsaugers: Der französische Regisseur Luc Besson, auf Genre-Mixe spezialisiert, entlockt der klassischen Vampirgeschichte von Bram Stoker eine neue Lesart. Der Schlüssel zu seiner nicht immer originellen, aber eigenwilligen und opulenten Verfilmung ist die Liebe.

Ein Schloss in den Karpaten im 15. Jahrhundert: In seinen Schlafgemächern verbringt Prinz Vlad (Caleb Landry Jones) die Tage in leidenschaftlicher Umarmung oder beim kindlichen Spiel mit seiner Liebe Elisabeta (Zoë Bleu Sidel). Um ihn aus der Zweisamkeit loszueisen und in seine Drachenrüstung zu stecken, müssen seine Generäle und Vasallen schon sanfte Gewalt einsetzen. Immerhin soll ihr Prinz das christliche Europa gegen eine gewaltige osmanische Streitmacht verteidigen.

 

Info

 

Dracula – Die Auferstehung

 

Regie: Luc Besson,

129 Min., Frankreich 2025;

mit: Christoph Waltz, Caleb Landry Jones, Zoë Bleu, Matilda de Angelis

 

Weitere Informationen zum Film

 

Doch in den Krieg zu ziehen und Blut zu vergießen, behagt Vlad nur bedingt; darum fordert er von Gott als Gegenleistung, Elisabeta während seiner Abwesenheit zu beschützen. Als dieser Wunsch nicht erfüllt wird, fällt der Kriegsheld vom Glauben ab. Er verflucht Kirche und Gott; dadurch wird er zum Vampir, auf ewig zu Unsterblichkeit und Blutdurst verdammt.

 

Angestaubt, aber attraktiv

 

Die Mär vom Grafen Dracula, der seine Opfer im 19. Jahrhundert unter den Frauen der bürgerlichen Gesellschaft Westeuropas findet, ist  wahrscheinlich einer dem am häufigsten verfilmten Stoffe der Kinogeschichte. Auch wenn Bram Stokers 1897 erschienener Roman heute etwas angestaubt daher kommt, ist seine Anziehungskraft auf Filmregisseure ungebrochen. Zuletzt trug sich Robert Eggers mit dem grandiosen „Nosferatu“ in die lange Liste der Kino-Adaptionen ein.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

Dracula – ein Liebesmärchen

 

Nun folgt ihm Luc Besson, dessen Spezialität von frühen Filmen wie „Nikita“ (1990) über „Léon – Der Profi“ (1994) bis zu „Dogman“ (2023) schon immer schon ein leicht größenwahnsinniger Genre-Mix war. Sein Science-Fiction-Film „Das Fünfte Element“ von 1997 mit Bruce Willis und Milla Jovovic in den Hauptrollen wurde zu einem der kommerziell erfolgreichsten europäischen Filme überhaupt. Selbstverständlich will Besson mit „Dracula – Die Auferstehung“ dem Mythos eine neue Lesart entlocken.

 

In seiner Interpretation wird „Dracula“ ganz zu „A Love Tale“, wie der Titelzusatz im Original lautet. Mit dem Hauptdarsteller Caleb Landry Jones, einem Liebling des derzeitigen Independent-Kinos, hat er bereits am immerhin ästhetisch betörenden Vorgänger „Dogman“ (2023) zusammengearbeitet. Jones’ Karpaten-Grafen mit dem staunenden Lächeln nimmt man in jeder Einstellung ab, dass ihn Liebestaumel und Schmerz über den Verlust der Geliebten antreiben.

 

Viel kopiert von Coppola

 

Zum  Dasein als Untoter verurteilt, hofft Vlad, im Laufe der Jahrhunderte auf eine Reinkarnation Elisabetas zu treffen und endlich wieder glücklich zu werden. Die Verbindung von Liebe, Unsterblichkeit und ewiger Einsamkeit hatte bereits Francis Ford Coppola hervorgehoben. Sein sich sehr eng an die Romanvorlage anlehnender Film „Bram Stoker’s Dracula“ (1992) stand unter dem Motto „Love never dies“.

 

Diesem Vorgänger ähnelt Bessons „Dracula“ nicht nur in Sachen Aufwand und Opulenz. Stilistisch und in der Ausstattung erscheint es bisweilen, als habe der französische Regisseur Coppola in einigen Passagen eher kopiert als zitiert. Viele der Einstellungen und Perspektiven rund ums Schloss in den Karpaten wirken fast identisch, und auch das zwischen zerfurchtem Greis und dandyhaftem Schönling changierende Maskenbild des Grafen ist keine Erfindung Bessons.

 

Raffinesse statt Gewalt

 

Dafür weicht Besson in entscheidenden Punkten von allen Kino-Vorbildern und dem Roman ab, indem er den Plot um andere Elemente der Filmgeschichte anreichert. Insgesamt gerät sein Vampir recht menschenfreundlich: Bei seiner manischen Suche nach einer Wiedergängerin von Elisabeta setzt Vlad eher auf Raffinesse denn auf Gewalt.

 

Die Frauen an den Höfen Europas macht er durch einen von ihm selbst kreierten Duft zu Komplizinnen. Dafür reist er viel umher wie einst Jean-Baptiste Grenouille in „Das Parfüm“; den Bestseller von Patrick Süskind verfilmte Regisseur Tom Tykwer 2006 aufwändig, aber ärgerlich flach. Seine Beziehungen bahnt der Vampir immer wieder auf Tanzveranstaltungen an. Diese Bälle sind Anlass für ästhetisch durchchoreografierte Tanz- und Massenszenen.

 

Gargoylen statt Gefährtinnen

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Nosferatu Der Untote" brillantes Vampirfilm-Remake von Robert Eggers

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Phantome der Nacht – 100 Jahre Nosferatu" – schön schaurige Themenschau zum Uraufführungs-Jubiläum des ersten Vampirfilms in der Sammlung Scharf-Gerstenberg, Berlin

 

und hier einen Bericht über den Film "Renfield" – amüsanter Genre-Mix aus Horror- und Gangsterfilm von Chris McKay mit Nicholas Hoult

 

und hier einen Beitrag über den Film "Dogman" – entwaffnendes Außenseiter-Porträt von Luc Besson

 

und hier eine Kritik des Films "Valerian – Die Stadt der tausend Planeten (3D)" – originelle ScFi-Comic-Action von Luc Besson.

 

Im Gegensatz zu Coppola und anderen Vorgängern verzichtet Besson auf Draculas blut- und sexsüchtige Gefährtinnen. Stattdessen gebietet der Untote in seinem Heim über eine Armee von Gargoylen – steinerne Wesen, die auf einen Wink des Meisters zum Leben erwachen und ihre Plätze auf hoch aufragenden Pfeilern verlassen, um ihm zu Diensten zu sein und zu kämpfen.

 

Unter anderem bewachen sie Jonathan Harker (Ewens Abid), der Ende des 19. Jahrhunderts im Karpatenschloss des Grafen vorstellig wird, um ihm eine Immobilie zu verkaufen. Als Dracula in einem Bild von dessen Frau Mina endlich seine Elisabeta wiedererkennt, überantwortet er Harker seinen steinernen Gehilfen und macht sich auf den Weg nach Paris – Frankreichs Hauptstadt ersetzt bei Besson das London von Bram Stoker als Zentrum der Welt.

 

Vom Wert der Liebe

 

Eine weitere wesentliche Abweichung folgt dann nach viel hinlänglich Bekanntem beim großen Finale. Wie zu erwarten, stellen Harker und die von einem Priester (Christoph Waltz) angeführten Vampirjäger das liebende Monster und seine ihm zwischenzeitlich verfallene Beute an ihrem Rückzugsort.

 

Dort entscheidet sich die Frage, wer dieses Mal welches Opfer bringen muss. Wer muss auf die Erfüllung seiner Träume von welcher Ewigkeit verzichten und wen gehen lassen? Erst wenn das geklärt ist, wird klar, welchen Wert die Liebe hat, von der die ganze Zeit über die Rede ist.