Florian Heinzen-Ziob

Klasse Deutsch

Ute Vecchio bereitet die Kinder auf das deutsche Schulsytem vor. Foto: © W-film / Florian Heinzen-Ziob und Georg Heinzen GbR
(Kinostart: 16.5.) Integration im Migranten-Klassenzimmer: Mit speziellem Sprachunterricht werden Einwandererkinder intensiv auf die Regelschule vorbereitet. Die Doku von Florian Heinzen-Ziob zeigt unaufgeregt ihren Alltag – versäumt aber, den Stoff zu vertiefen.

Täglich fünf Stunden Deutsch, von Montag bis Freitag: Dieses Pensum müssen nach Deutschland eingewanderte Kinder und Jugendliche bis zu zwei Jahre lang in so genannten Vorbereitungsklassen absolvieren, um dann hoffentlich dem Unterricht in der Regelschule folgen zu können. Eine intensive Lern-Zeit, die Schülern und Lehrern viel abverlangt.

 

Info

 

Klasse Deutsch

 

Regie: Florian Heinzen-Ziob,

89 Min., Deutschland 2018;

mit: Ute Vecchio, Schach, Pranvera, Ferdi, Kujtim

 

Website zum Film

 

Ihr Sprachunterricht stellt für die Schüler der erste umfassende Kontakt mit dem neuen Land, anderen Gepflogenheiten und einer fremden Kultur dar. Wie viel Nachsicht und geduldige Bestimmtheit dabei vonnöten ist, zeigt Filmemacher Florian Heinzen-Ziobs in seiner Doku auf so nüchterne wie nachdrückliche Weise.

 

Kulturtechnik Lernen lernen

 

Lehrerin Ute Vecchio macht ihren Job mit viel Fingerspitzengefühl, und dabei sehr souverän. Sie ist nicht nur Wissensvermittlerin, sondern auch Ansprechpartnerin bei Schwierigkeiten. Sie weiß, was die Kinder bereits durchgemacht haben, ob sie nun geflüchtet sind oder nicht. Oft genug geht in dieser Klasse erst einmal darum, neben der Sprache die Kulturtechnik des Lernens zu lernen.

Offizieller Filmtrailer


 

Klassenclowns + Sorgenkinder

 

Mit scheinbar unerschütterlicher Ruhe und humorvoller Strenge übt Vecchio mit ihren Schülern Lesen und die Konjugation von Verben. Dazu erklärt sie die Bedeutung von Wörtern oder mathematische Grundbegriffe. Darüber hinaus versteht sie es, die manchmal verzweifelten Schüler zu motivieren und den Leistungsdruck, unter dem sie stehen, etwas abzumildern.

 

Wer ihre Geduld jedoch überstrapaziert, den bringt sie mit harten Worten wieder auf Linie. Wie in jeder Klasse gibt es auch hier Klassenclowns, übereifrige Streber oder Sorgenkinder, die sich mit dem Stoff schwer tun. Vier unter ihnen lernt man etwas näher kennen: Charmeur Kujtim spricht vier Sprachen, kann aber keine lesen oder schreiben und lenkt seinen Freund Schach oft vom Unterricht ab.

 

Integration durch Landessprache

 

Der kann sich das eigentlich nicht leisten; seine Mutter hält ihn an, schnell gute Leistungen zu bringen. Auch das Mädchen Pranvera lernt eifrig, leidet aber sehr unter der Abschiebung ihrer besten Freundin. Und Ferdi, mit 15 Jahren der Älteste der Klasse, will Automechaniker werden und meint, er brauche dafür keinen Schulabschluss. So unterschiedlich ihre Voraussetzungen sind: Alle Schülerinnen und Schüler müssen gemeinsam in einem fremden Land neu anfangen.

 

Das beobachtet Florian Heinzen-Ziob in unaufgeregten Schwarzweiß-Bildern aus mitfühlender Distanz. Damit lenkt er den Blick auf einen Aspekt von Einwanderung, der in der öffentlichen Debatte meist wenig beachtet wird: wie Kinder und Jugendliche mit dem Neuanfang umgehen, und wie wichtig für ihre Integration in der Bundesrepublik ist, dass sie bald die Landessprache beherrschen.

 

Mikrokosmos Klassenzimmer

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Original Copy - Verrückt nach Kino" - Dokumentation über Filmplakatmaler in Indien von Florian Heinzen-Ziob und Georg Heinzen

 

und hier einen Bericht über den Film "Die Schüler der Madame Anne" - authentisches Erziehungs-Drama von Marie-Castille Mention-Schaar

 

und hier einen Beitrag über den Film "La Mélodie – Der Klang von Paris" - Integrations-Drama von Rachid Hami

 

Bei seiner kommentarlosen Beobachtung beschränkt sich der Filmemacher bewusst auf den Mikrokosmos des Klassenzimmers; das dortige Geschehen wiederholt sich allerdings, was dem Zuschauer einige Geduld abverlangt. Die Kamera ist selten nah an den Kindern dran, es überwiegen Einstellungen der Totale oder Halbtotale.

 

Man erlebt die Lehrerin beim unermüdlichen Erklären oder Mutmachen, und die Schüler beim Herumalbern oder ihrem mitunter verzweifeltem Ringen mit den Tücken der deutschen Sprache. Einmal tauchen auch überambitionierte Eltern eines Schülers im Klassenraum auf. Das erinnert an die eigene – qualvolle oder erfolgreiche – Schulzeit, mehr aber auch nicht.

 

Dürftiger Erkenntnisgewinn

 

Offenbar liegt Heinzen-Ziob eher an einer Einfühlung in die Klassensituation als an einem Kommentar zur öffentlichen Integrations-Debatte. Dafür bleibt der Informationsgehalt zu gering. Man erfährt wenig über diese spezifische Form des Sprachunterrichts, die Protagonisten und deren bemerkenswerte Lehrerin Ute Vecchio; sie bleibt am ehesten im Gedächtnis.

 

Das wirft wiederum die Frage auf, worum es diesem Film eigentlich geht: um Lob für diese spezielle Gruppe von Lehrern oder um Kurzporträts der Schüler aus aller Welt? „Klasse Deutsch“ bietet von allem ein wenig und macht es sich sehr einfach mit seiner reinen Beobachterposition. Zumindest empfindet der Zuschauer Hochachtung vor der Leistung aller Beteiligten, Schüler und Lehrerin. Doch das ist als Erkenntnisgewinn nach zwei Unterrichtsstunden recht wenig.