Quentin Tarantino

Once upon a time… in Hollywood

Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) tritt als Werbeträger für eine Zigarettenmarke auf. Fotoquelle: © 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH
(Kinostart: 15.8.) Es war einmal in der Traumfabrik: 1969 orientiert sich Leonardo DiCaprio als ausrangierter Westernheld neu – und kreuzt die Wege der "Manson Family"-Killer. Zitierfreudige Ausstattungsorgie von Quentin Tarantino, der sie als vorletzten Film ankündigt.

Aus der Traum: Während Mitte August 1969 beim Woodstock-Festival „Love & Peace“ beschworen wurde, hatte eine Woche zuvor die Hippie-Vision einer friedlicheren Gesellschaft ihr jähes, bitteres Ende gefunden. Am 9. August metzelten Mitglieder der sektenartigen Kommune „Manson Family“ auf Befehl ihres Anführers Charles Manson: In Los Angeles ermordeten sie die hochschwangere Schauspielerin Sharon Tate, Ehefrau des Regisseurs Roman Polanski, und vier weitere Personen sowie am nächsten Tag das Ehepaar LaBianca.

 

Info

 

Once upon a time… in Hollywood

 

Regie: Quentin Tarantino,

161 Min., USA 2018;

mit: Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Al Pacino

 

Website zum Film

 

Als Filmemacher Quentin Tarantino 2017 ankündigte, sein nächster Film handele von diesen Morden, löste das nicht unbedingt Vorfreude aus. Vermutlich wurde dem gewaltaffinen Popkultur-Aficcionado nicht zugetraut, mit der Tragödie angemessen umzugehen. Hatte er doch zuvor seine kurzweiligen Rachephantasien entweder in bunten Zitatwelten ausgelebt wie im Zweiteiler „Kill Bill“ (2003/4), oder die Geschichte gleich nach Lust und Laune umgeschrieben, wie die NS-Zeit in „Inglourious Basterds“ (2009).

 

Zur Subkultur-Ikone stilisiert

 

Die Befürchtung, Tarantinos neues Projekt könnte befremdlich werden, scheint nicht unbegründet. Schließlich war der gescheiterte Musiker Manson, der nach 48 Jahren Haft 2017 im Gefängnis starb, von manchen Leuten bizarrerweise als Verkörperung des Bösen gefeiert und zur Subkultur-Ikone stilisiert worden; so bezog sich etwa der Rocksänger Marilyn Manson mit seinem Pseudonym auf ihn. Allein mit der Vermarktung seines Konterfeis verdiente Charles Manson viel Geld.

Offizieller Filmtrailer


 

Abgehalfterte Western-Schauspieler

 

Doch die Sorge, dass der Psychopath und Sektenführer in Tarantinos Film zum Faszinosum werden könnte, erweist sich als unbegründet. Lieber krempelt der Regisseur abermals historische Fakten nach Gusto um. Dabei bleiben Manson und seine Opfer Randfiguren. Im Zentrum von „Once Upon a Time…“ steht der leicht abgehalfterte Schauspieler Rick Dalton (Leonardo DiCaprio); stets an seiner Seite steht sein lässiger Kumpel Cliff Booth (Brad Pitt).

 

Ursprünglich arbeitete Cliff lange als Ricks Stunt-Double; inzwischen ist er sein Fahrer und Junge für alles. Beruflich geht es für den Western-Darsteller Rick nämlich seit einer Weile bergab; an seiner Stelle vom Pferd fallen darf Cliff also kaum noch. Was nicht zuletzt am Wandel ihrer Branche liegt: Der Geschmack des Publikums ändert sich rapide; eine junge Generation von Filmemachern schickt sich an, neue Geschichten zu erzählen – ohne Altstars. Rick weiß, dass er sich umorientieren muss, aber wie? Agent Marvin (Al Pacino) rät ihm zum Karriere-Neustart in Italien, um mit Spaghetti-Western Geld und Ruhm einzuheimsen.

 

Wundertüte der Illusionsmaschine Kino

 

Ein Relikt aus besseren Zeiten scheint Ricks Wohnadresse oberhalb von Beverly Hills zu sein. Sein neuer Nachbar ist Roman Polanski, nach dem Erfolg seines Horrorfilms „Rosemaries Baby“ der wohl angesagteste Regisseur in Hollywood; er ist mit seiner schwangeren Frau Sharon Tate (Margot Robbie) in die Villa nebenan eingezogen. Allerdings wissen die beiden wohl nicht, wer Rick Dalton ist.

 

Mäandernd folgt die Kamera ihm und Cliff durch ihren meist sonnendurchfluteten Alltag und dunkle Innenräume. Dabei feiert Tarantino ausführlich, was er immer gerne gefeiert hat: die Illusionsmaschine Kino. In der Wundertüte, die er öffnet, steckt einiges: eine Zeitkapsel aus dem Jahr 1969, ein melancholischer Abgesang auf ein sterbendes Film-Genre, ein Buddy Movie und ein Western mit ordentlichem Showdown.

 

Kein Kommentar zu Popkultur + Gewalt

 

Hintergrund

 

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Der Regisseur brennt ein Feuerwerk von Anspielungen ab, doch hat der Film dadurch auch Längen. Bei allem Spaß, den man als Zuschauer an dieser Ausstattungsorgie haben kann, bleibt der Eindruck, dass der Filmemacher seinen eigentlichen Stoff bisweilen aus den Augen verliert: In dieser Geschichte steckt mehr Potential. Spannend wäre etwa ein Kommentar zum Verhältnis von Popkultur und Gewalt gewesen; dazu hätte Tarantino sicher einiges zu sagen. Doch er begnügt sich damit, das blutige Treiben der „Manson Family“ in einen anderen Kontext zu setzen – ganz anders, als sie in die US-Kriminalgeschichte eingehen werden.

 

Mehr noch als seine früheren Filme ist „Once Upon A Time…“ vor allem eine Hommage an Hollywood. Das ambitionierte „New Hollywood“-Autorenkino von Filmemachern wie Dennis Hopper, Mike Nichols oder Robert Altman feierte 1969 bereits erste Erfolge. In einer sehr unterhaltsamen Szene macht Tarantino klar, was er von dieser „Hollywood Renaissance“ hält: Eine achtjährige Filmpartnerin erklärt Rick die Grundzüge des „Method Acting“; diese Schauspieltechnik strebt Naturalismus an. Solch neumodischer Authentizitäts-Schnickschnack ist in Tarantinos Augen offenbar etwas für neunmalkluge Kinder.

 

Abgesang in eigener Sache

 

Am schönsten ist Tarantinos Liebesbrief an das Los Angeles seiner eigenen Kindheit, wenn er seinem Spezialistenwissen freiem Lauf lässt und historisch Unverbürgtes zusammenfabuliert. Etwa erfundene Trailer für TV-Serien, die es nie gegeben hat, die aber durchaus glaubhaft wirken. Dabei durchzieht „Once Upon A Time…“ ein Hauch von Wehmut.

 

Vielleicht ist der Film nicht nur ein Abgesang auf das alte Hollywood, sondern auch auf Tarantinos eigenes Œuvre? Zumindest hat er angekündigt, dass dieser sein vorletzter Film sein soll. Man darf gespannt sein, welches Resümee er beim letzten ziehen wird.