Juliette Binoche

Geliebte Köchin

Die begnadete Köchin Eugénie (Juliette Binoche) arbeitet gerne für Dodin (Benoît Magimel). Foto: © 2023 Curiosa Films - Gaumont - France 2 Cinema/ Foto: Stephanie Branchu
(Kinostart: 8.1.) Das Auge isst mit: Einmal mehr ist die Küche der Dreh- und Angelpunkt einer französischen Romanze. Regisseur Trân Anh Hùng wärmt darin eine hundert Jahre alte Liebesgeschichte neu auf und kommt dabei der Magie des Kochens sehr nah. Veganer müssen manchmal wegschauen.

Eine Obsession, für die sich niemand schämen muss, ist so genannter food porn. Schön angerichtetes Essen gibt es im Kino in großen Mengen – gern als sinnliche Anbahnung einer Liebesbeziehung. Oder es geht um die soziale Komponente; wie in vielen asiatischen Filmen, wo das Zubereiten von Essen auch im Alltag noch eine größere Rolle spielt.

 

Info

 

Geliebte Köchin

 

Regie: Tran Anh Hung,

135 Min., Frankreich 2023;

mit: Juliette Binoche, Benoît Magimel, Pierre Gagnaire

 

Weitere Informationen zum Film

 

So kocht in Ang Lees „Eat, Drink, Man, Woman“ (1994) ein Vater und Meisterkoch jedes Wochenende ein fürstliches Mahl für seine erwachsenen Töchter. Bei Tisch verhandelt er mit ihnen die Dinge des Lebens, während er gleichzeitig die taiwanesische Kochkunst hochleben lässt. In Europa steht beim Futterfilm natürlich Frankreich an erster Stelle. Es darf sich ja auch der Erfindung von Restaurants aus dem Geiste der haute cuisine rühmen. Éric Besnard erzählte davon 2021 in dem Film „A la Carte“.  

 

Die Küchenchefin und ihr Chef

 

Der vietnamesisch-französische Regisseur Trân Anh Hùng begann seine Laufbahn mit einem Filmtitel zum Anbeißen: In „Der Duft der grünen Papaya“ (1993) spielte das Essen allerdings nur eine Nebenrolle. „Geliebte Köchin“ ist sein erster richtiger Food-Film und dabei eher der französischen Schule zuzuordnen. Hauptfigur ist die talentierte Küchenchefin Eugénie (Juliette Binoche). Ein eigenes Restaurant führt sie jedoch nicht. Stattdessen bereitet sie in einer geräumigen, bestens ausgestatteten Schlossküche seit 20 Jahren für ihren Arbeitgeber, den Feinschmecker Dodin Bouffant (Benoit Magimel), tagtäglich köstliche Menus zu.

Offizieller Filmtrailer


 

Der Napoleon der Gastronomie

 

Der Hausherr teilt die Genüsse gern mit Freunden bei ausschweifenden Diners mit Weinverkostungen. Von ihnen lässt er sich als „Napoleon der Gastronomie“ feiern, was immer das bedeuten mag. Denn erobert hat er sich eigentlich nur eine profunde kulinarische Expertise, die er gerne wortreich kundtut. Das Porträt des gelehrten Laien mag als ironische Spitze gegen den modernen Kult ums Essen gemeint sein.

 

Das Berufsbild des Profi-Feinschmeckers steht zu der Zeit, in der die Geschichte spielt, noch ganz am Anfang. Im Jahr 1885 planen Georges Auguste Escoffier, späterer Autor eines heute noch maßgeblichen „Kochkunstführers“ („Le Guide Culinaire“), und der Hotelier César Ritz, gemeinsam ein Luxushotel in Monte Carlo zu eröffnen. Dodin erfährt davon aus der Zeitung und nimmt dies zum Anlass, unaufgefordert die Geschichte der gehobenen französischen Küche zu rekapitulieren. Angefeuert von exzellentem Wein trumpft daraufhin sein Freundeskreis mit kulinarischem Wissen und lukullischen Finessen aus.

 

Leidenschaften eines Gourmets

 

Eugénie genießt derweil lieber in Ruhe mit ihren Küchenhilfen das selbst zubereitete Mahl. Erst später empfängt sie, wenn ihr danach ist, den Hausherrn in ihrem Zimmer. Sie hängt an ihrer persönlichen Freiheit. Ihre Anerkennung als Köchin, also berufstätiger Frau, ist ihr wichtiger als eine Heirat, die sie auf die Rolle einer Gattin reduzieren würde. Das bekräftigt sie, wann immer Dodin sie zur Ehe überreden will.

 

Trân Anh Hùngs Film basiert auf dem Roman „Das Leben und die Leidenschaft des Gourmets Dodin-Bouffant“ von Marcel Rouff von 1924. Darin beschrieb der Autor diesen Charakter  so plastisch, dass manche den Titelhelden ihn für eine reale Person hielten. 100 Jahre später gerät er allein durch sein wichtigtuerisches Gehabe zum mitunter unfreiwillig komischen Stereotyp. Sanft und zärtlich ist er nur mit Eugénie , die mit ihrem Wirken in  der Küche für das leibliche Wohl sorgt und natürlich die Seele des Hauses ist.

 

Kein schöner Anblick für Veganer

 

Die Liebe der beiden zeigt sich durch leise, sinnliche Gesten und eine tiefe Vertrautheit, wie sie es nur in lange gewachsenen Beziehungen gibt. Nun seien sie gemeinsam im „Herbst des Lebens“ angekommen, formuliert Dodin auf einem Spaziergang. Eugénie kann damit aber wenig anfangen. So ignoriert sie nicht nur sein Werben, sondern auch ihre Schwächeanfälle, die unbehandelt bleiben, damit ihr Leben verkürzen und Dodin aus dem Gleichgewicht bringen werden.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Bestseller-Verfilmung "Naokos Lächeln" über unerfüllte Jugendliebe in Japan um 1970 von Haruki Murakami durch Tran Anh Hung

 

und hier eine Besprechung des Films "À la Carte! – Freiheit geht durch den Magen" über die Erfindung der Haute Cuisine von Eric Besnard

 

und hier einen Beitrag über den Film "Master Cheng in Pohjanjoki" - schmackhafte sino-finnische Feelgood-Komödie von Mika Kaurismäki

 

und hier einen Bericht über den Film "Kiss the Cook - So schmeckt das Leben!" - gelungene Foodtruck-Gastro-Komödie von und mit Jon Favreau.

 

Stille, intime Momente zwischen den beiden wechseln ab mit langen, sorgfältig durchchoreografierten und ausgeleuchteten Plansequenzen in der Küche. Stundenlang köcheln Brühen, um später mit Eiweiß geklärt zu werden. Soßen werden passiert, von Hand wird die Sahne geschlagen, Braten werden zubereitet und Fische fachkundig ausgenommen. Für Veganer ist das vermutlich kein angenehmer Anblick. Aber offensichtlich geht es hier um die Sinnlichkeit des Essens und um einen natürlichen Umgang mit den Zutaten

 

Küche als dritte Hauptperson

 

Zubereitet wurden die Speisen für die Produktion übrigens vom französischen Sternekoch Pierre Gagniere, wobei sowohl Binoche als auch Magimel selbst beim Rühren und Brutzeln zu sehen sind. Zum sinnlichen Höhepunkt kommt der Film in der Küche, als Dodin ein Menü für Eugénie kocht, um sie letztlich doch vom Heiraten zu überzeugen. Auch dieses gerät eher fleischlastig.  

 

Damit gelingt dem Regisseur eine wunderschön anzuschauende Liebesgeschichte in doppeltem Sinne, getragen von einem perfekt miteinander harmonierenden Schauspieler-Ensemble. Neben dem wohltuend undramatisch inszenierten Paar wird die Küche zur dritten Hauptperson. Hier herrscht so etwas wie Magie, und hier waltet Eugénie , die zuvor im Morgengrauen Gemüse erntet oder bei benachbarten Bauern einkauft.

 

Keine Musik verwässert den Genuss

 

Das wirkt jedoch nie ausgestellt oder retrospektiv sehnsüchtig, sondern eher wie normales, ländliches Leben auf hohem Niveau. Die Leinenkleider sind freilich immer frisch gestärkt, und es mangelt an nichts.  Die bis ins kleinste Detail durchgestaltete Szenerie wirkt dennoch realistisch, was auch mit der Entscheidung zu tun hat, nur natürliche Geräusche zu verwenden. Keine Musik verwässert oder manipuliert hier die Eindrücke, die dadurch umso plastischer wirken. Es ist ein echter Filmgenuss!