Nikolaj Arcel

King’s Land (Bastarden)

Zwischen unerbittlicher Natur und teuflischen Intrigen: Ex-Offizier Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen) will die wilde Heide von Jütland kolonisieren. Foto: © Henrik Ohsten – Zentropa. Fotoquelle: Plaion Pictures
(Kinostart: 6.6.) Wildwest in Dänemark: Ein Ex-Offizier will Jütland urbar machen – gegen erbitterten Widerstand eines Despoten. Der Historienfilm von Regisseur Nikolaj Arcel prunkt mit Schauwerten und einem überragenden Mads Mikkelsen in der Hauptrolle; die übrigen Figuren haben das Nachsehen.

Das Leben ist nichts als Chaos. Um am Ende als Sieger dazustehen, muss deshalb vor allem Ordnung geschaffen werden. Kriegsveteran Ludvik Kahlen (Mads Mikkelsen) ist fest entschlossen, dieses Prinzip zum eigenen Vorteil umzusetzen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gibt es dafür auch in Westeuropa noch geeignete Landstriche.

 

Info

 

King's Land
(Bastarden)

 

Regie: Nikolaj Arcel,

127 Min., Dänemark/ Deutschland/ Schweden 2023;

mit: Mads Mikkelsen, Amanda Collin, Simon Bennebjerg, Kristine Kujath Thorp

 

Weitere Informationen zum Film

 

Etwa die von jeglicher Zivilisation unberührten Weiten Jütlands, die der dänische König Frederik V. vor kurzem zum Kolonisierungsgebiet erklärt hat. Allerdings findet sich kaum jemand, der dort siedeln und das Land urbar machen will. Zu groß sind die Gefahren durch Wölfe und Wegelagerer, zu bescheiden die zu erwartenden Ernten angesichts eines harten und unfruchtbaren Heidebodens.

 

Als Belohnung winkt Adelstitel

 

So verwundert es kaum, dass der verarmte Kahlen mit seinem Vorhaben, in Eigenleistung eine Kolonie zu gründen, von der zuständigen königlichen Behörde nicht ernst genommen wird. Dennoch erhält der Ex-Offizier, der in der deutschen Armee gedient und es als unehelicher Bastard eines Adligen zum Hauptmann gebracht hat, die nötige Genehmigung – falls er Erfolg hat, winkt ihm ein Adelstitel. Schließlich sind die Hofschranzen froh, Ihrer Majestät berichten zu können, das Kultivierungs-Projekt gehe seinen gewünschten Gang und verspreche in absehbarer Zeit höhere Steuereinnahmen.

Offizieller Filmtrailer


 

Skrupelloser Despot als Antagonist

 

Mit wenig mehr als einem Pferd, verschiedenen Werkzeugen zur Bodenbearbeitung, einer Pistole und eisernem Willen begibt sich Kahlen in die jütländische Wildnis. Hier trotzt er Unwettern und Gefahren und schließt Freundschaft mit dem Pfarrer Anton Eklund (Gustav Lindh). Durch ihn findet er auch erste – nur halb freiwillige – Unterstützer: das Pachtbauern-Paar Johannes (Morten Hee Andersen) und Ann Barbara (Amanda Collin), das seinem Grundherrn entlaufen ist.

 

Ein Haus wird gebaut; bald macht Kahlen Bekanntschaft mit seinem Nachbarn, dem grausamen Gutsbesitzer Frederik de Schinkel (Simon Bennebjerg). Der beherrscht diese Gegend in Wildwestmanier als skrupelloser Despot, ist dem Alkohol verfallen und vergnügt sich damit, Mägde zu vergewaltigen und Untergebene wie Schwächere zu quälen. In Kahlens Plänen wittert er völlig zu Recht eine Gefahr für seine Position; also bekämpft er sie mit allen Mitteln. Bis es zum Finale zwischen den Antagonisten kommt, nimmt sich „King’s Land“ viel Zeit.

 

Preisgekrönte Klaviatur der Emotionen

 

Einerseits schildert der Film in eindrucksvollen Bildern die Schönheit, aber auch die harten Lebensumstände in der dänischen Festland-Provinz. Andererseits beobachtet er ausgiebig den Reifungsprozess seiner Hauptfigur Kahlen. Der wandelt sich vom Eigenbrötler, der nur seinem Ziel verpflichtet ist, nämlich dem Aufbau einer Kolonie und seinem gesellschaftlichen weiteren Aufstieg, zum Vorkämpfer für die Rechte von Unterdrückten.

 

Diese Entwicklung verläuft zwar wenig überraschend, gibt Mads Mikkelsen aber viel Gelegenheit, seine mimischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen; dafür erhielt er völlig zurecht den Europäischen Filmpreis 2023 als bester Darsteller. Von hoffnungslosem, aber stolzem Eigensinn über harte Zielstrebigkeit bis zu väterlichen und liebenden Regungen dekliniert er überzeugend durch, was ihm das Drehbuch an Emotionen abverlangt.

 

Zwickmühle durch amouröse Avancen

 

Ihm zuzuschauen, ist meist ein Genuss; etwa wenn der bei Frauen ganz unerfahrene Kahlen plötzlich mit Avancen von zwei Seiten konfrontiert wird – und dadurch in mehrfacher Hinsicht in eine Zwickmühle gerät. Da ist einmal die norwegische Adelige Edel Helene (Kristine Kujath Thorp); sie wohnt bei ihrem Cousin Schinkel, möchte sich aber vor dessen Grobheit in Kahlens Arme retten. Das würde ihn, strategisch betrachtet, seinem Ziel näher bringen.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Die Königin und der Leibarzt" – Historienfilm mit Mads Mikkelsen als Radikal-Reformer am dänischen Königshof von Nikolaj Arcel

 

und hier eine Besprechung des Films "Die Königin des Nordens" – athmosphärisch dichtes Mittelalter-Epos über Margarethe I. von Charlotte Sieling mit Trine Dyrholm

 

und hier einen Bericht über den Film "The Girl King" – süffiges Biopic über Schwedens Königin Kristina von Mika Kaurismäki

 

und hier einen Beitrag über den Film "Michael Kohlhaas" – Verfilmung der Kleist-Novelle von Arnaud des Pallières mit Mads Mikkelsen.

 

Allerdings Kahlen lebt mittlerweile in quasifamiliärer Dreisamkeit, die er zum Wohl von Haus und Ernte einging: mit einem Roma-Mädchen namens Anmai Mus (Melina Hagberg), das zu ihm geflohen ist, sowie mit Ann Barbara, deren Mann zuvor von Schinkel zu Tode gefoltert wurde. Diesen amourösen Konstellationen gewinnt Regisseur Nikolaj Arcel genügend Zwischentöne ab, damit sie glaubhaft wirken und der Film seine Spannung hält.

 

Frauen-Finale beim Showdown

 

Die meisten der vielen angetippten Sujets sind jedoch gänzlich auf den Protagonisten zugeschnitten. Mit der Folge, dass alle übrigen Charaktere kaum entwickelt werden. So etwa bei seinem Gegenspieler Schinkel; der wirkt über weite Strecken wie das B-Movie-Abziehbild eines blutrünstig-sardonischen Schurken. Noch nachteiliger für die Dramaturgie ist, dass viel vom Potenzial der interessanten Figur Ann Barbara lange Zeit beiseite gelassen wird.

 

Ihr großer Moment kommt erst beim Showdown, auf den die Konkurrenz der rivalisierenden Männer und der von ihnen vertretenen Prinzipien unweigerlich zuläuft. Der besiegt dann zwar nicht das Chaos, schafft aber rigoros neue Bedingungen für die noch lebenden Beteiligten. Und die sehen völlig anders aus, als es Kahlens Plan vorgesehen hatte.