
Rudolf Thome ist der dienstälteste deutsche Autoren-Filmer im Wortsinne: Mit seiner Firma «Moana Film» macht er alles selbst. Von Skript und Finanzierung über Dreh und Schnitt bis zu Verleih und Vermarktung – sogar die Sichtungs-DVD für Kritiker brennt und beschriftet er eigenhändig.
Info
Ins Blaue - Nel Blu
Regie: Rudolf Thome, 105 min., Deutschland 2012;
mit: Alice Dwyer, Vadim Glowna, Elisabeth-Marie Leistikow
Hauptrollen für starke Frauen
Doch Thomes Personal ist unverwechselbar: In jedem Film spielen starke, sinnliche Frauen die Hauptrollen. Sie vergucken sich gern in ältere Männer, verdrehen ihnen den Kopf und behalten stets die Hosen an: Eifersucht und Konflikte lösen sie mit weiblicher Herzensklugheit auf.
Offizieller Film-Trailer
«Ins Blaue» als Making of eines Thome-Films
Oft in originellen Arrangements zu dritt oder zu viert – wobei sich Alltags-Moral verflüchtigt. Thome jongliert mit den Irrungen und Wirrungen der Liebe so elegant wie früher Eric Rohmer; die Handlung treiben beide Regisseure vor allem auf der Tonspur mit pointenreichen Dialogen voran.
Wie bei «Ins Blaue»: Thomes neuer Film wirkt passagenweise wie das Making of eines Thome-Films. Die Jung-Regisseurin Nike (Alice Dwyer) dreht mit Hilfe ihres Vaters, dem erfahrenen Produzenten Abraham Rabenthal (Vadim Glowna), ihren Debütfilm. Er handelt von drei Freundinnen, die im alten VW-Bus durch Italien reisen und irgendwie auf der Suche nach dem Sinn des Lebens sind.
Wittgenstein-Sohn als Thome-Scherz
Ihre Route kreuzen skurrile Gestalten: ein zum Mönch konvertierter Automechaniker, der ihren Bus repariert; ein stummer Fischer, der am Strand seinen Fang verschenkt, sowie der ergraute Philosoph Herbert, angeblich Spross von Ludwig Wittgenstein – ein typischer Thome-Scherz, denn Wittgenstein war schwul und kinderlos.
Das vage Skript – Nike lässt improvisieren – sieht vor, dass jedes Töpfchen sein Deckelchen findet: Eva bandelt mit dem Kfz-kundigen Kuttenträger an, Josephine mit dem Fischer, Laura (Elisabeth-Marie Leistikow) mit dem Philosophen. Aus Geldmangel geschieht das in Personalunion: Schauspieler Paul (Henning Vogt) mimt sowohl Mönch als auch Fischer, und Papa Abraham springt als Wittgenstein-Sohn ein – beide spreizen sich mit wolkigen Sentenzen.
Verschachtelte Film-im-Film-Konstruktion
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier ein Interview mit Rudolf Thome über "Ins Blaue"
und hier einen Beitrag über den Film "Das Haus auf Korsika" von Pierre Duculot
und hier eine Lobes-Hymne auf den italienischen Film “Vier Leben” von Michelangelo Frammartino über ein Dorf in Kalabrien.
und hier eine kultiversum-Besprechung des Films "Das rote Zimmer" von Rudolf Thome.
Sein tragikomisches Familien-Drama entfaltet Thome als verschachtelte Film-im-Film-Konstruktion. Auf welcher Realitäts-Ebene sich das Geschehen auf der Leinwand bewegt, wird häufig erst im Nachhinein deutlich: an sonnendurchglühten Tagen mit Badefreuden im tiefblauen Meer, Lagerfeuer-Romantik und viel Rotwein.
Relikt für die Toskana-Fraktion
Diese bukolische Stimmung trifft ganz den Geschmack der Toskana-Fraktion – die ihre kulturelle Hegemonie längst verloren hat. Auf die Generation Easy Jet-Set dürfte Thomes Italien-Idylle wie ein Relikt vergangener Zeiten wirken: als wilde Camper und «Blumen-Mädchen» an südlichen Stränden dem dolce far niente frönten. Indes: So leichthändig wie Thome inszeniert kein anderer Filmemacher unbeschwertes Lebensgefühl – und versöhnt mit einem verregneten Sommer.