Juliano Mer-Khamis kam als Sohn einer jüdischen Mutter und eines palästinensischen Vaters zwischen den Stühlen des israelisch-palästinensischen Konflikts zur Welt. Er hat diese Position bis zum Ende nicht verlassen: Er trat in die Fußstapfen seiner politisch aktiven Mutter und gründete im Flüchtlingslager Jenin im Westjordanland das Freedom Theatre.
Art / Violence Regie: Udi Aloni, Batoul Taleb, Mariam Abu Khaled 75 Min., Palästinensische Gebiete / USA 2013 mit: Udi Aloni, Batoul Taleb, Mariam Abu Khaled Info
Selbstbefragung mit Kamera
Er hinterließ eine Gruppe von Schülern: Schauspieler, Regisseure und Aktivisten. Sie fragten sich nun, wie sie ohne ihn als treibender Kraft hinter dem Projekt weitermachen sollten – und haben diesen Prozess mit der Kamera begleitet.
Offizieller Filmtrailer
Von militanten Palästinensern bekämpft
Angeleitet von Mer-Khamis beeindruckender Tochter Milay und der Schauspielerin Mariam Abu Khaled werden die Zuschauer in die Welt des Freedom Theatre eingeführt: Einerseits positioniert sich das Theater klar gegen die israelische Besatzung, andererseits ist es Anfeindungen aus dem eigenen Lager ausgesetzt.
Kulturarbeit, so sagte Mer-Khamis im Dokumentarfilm „Cinema Jenin“ von 2012, ist nach der Logik des so genannten „bewaffneten palästinensischen Widerstands“ gleichbedeutend mit dem Eingeständnis von Normalität. Das wird von Hardlinern ebenso bekämpft wie die Aufhebung der Geschlechtertrennung auf der Bühne.
Spielplan mit europäischen Klassikern
Hier laufen also eine Menge Diskurse zusammen. Es gelingt dem Film trotz liebevoller Animationen und Montagen nicht immer, sie sauber zu verhandeln. Die Position des Regie-Teams ist für Ausgewogenheit eher ungünstig: Es kann die Gegner, von dem es unmittelbar bedroht ist, nicht benennen. Stattdessen zeigt es umso verzweifelter mit dem Finger auf die Besatzungsmacht.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Policeman - Ha Shoter" - vielschichtiger Inner-israelischer Terror-Thriller von Nadiv Lapid und hier einen Bericht über den Film “Cinema Jenin” – Dokumentation über die Restaurierung eines Kino in Palästina von Marcus Vetter und hier einen Beitrag über den Film "Das Schwein von Gaza" - absurde Tragikomödie über den Nahost-Konflikt von Sylvain Estibal Hintergrund
„Warten auf Godot“ als Verzweiflung
Für diese Schräglage entschädigen Theater-, Probe- und Interview-Szenen, die nicht nur zeigen, wie Brecht auf arabisch klingt, sondern auch, wie das Freedom Theatre klassische Stoffe und Gegenwarts-Themen auf oft beeindruckende Weise miteinander verknüpft: „Alice im Wunderland“ als Anleitung zur Verwirklichung eigener Träume, „Antigone“ als Selbstermächtigungs-Prozess und „Warten auf Godot“ als Verzweiflung über versteinerte Zustände.
Das ist kühn, unkonventionell und bewundernswert – und wird im Film leider immer wieder von durchaus verständlicher Trauer über den Verlust überlagert. Dennoch ist verdienstvoll, dass die Regisseurinnen trotz der Katastrophe nicht aufgeben und jene rare Form von pro-palästinensischer Arbeit weiterführen, die dem Projekt eines palästinensischen Staates wirklich helfen würde.