Als die Toiletten-Putzfrau Jupiter Jones (Mila Kunis) fragt, weshalb ihr kein besseres Schicksal vergönnt sei, bekommt sie die Antwort: „Profit goes up, shit goes down.“ Gefolgt von einer bedeutungsschweren Pause: So viel geballte Philosophie muss Jupiter erst einmal verdauen. Da ahnt sie noch nicht, welche interplanetarischen Würden die Zukunft für sie bereit hält. Aber der Reihe nach.
Info
Jupiter Ascending
Regie: Lana und Andy Wachowski,
127 Min., USA 2015;
mit: Channing Tatum, Mila Kunis, Sean Bean, Eddie Redmayne
Von Platon bis Poststrukturalismus
1999 hatten sie mit „Matrix“ den wohl einflussreichsten Science-Fiction-Film der 1990er Jahre gedreht; mit Anleihen aus der Philosophie-Geschichte von Platon bis zum Poststrukturalismus. Ihren frisch erworbenen Ruhm verspielten sie 2003 fast wieder mit zwei halbgaren Fortsetzungen. Dann folgte das bonbonbunte, aber dürftige Grand-Prix-Spektakel „Speed Racer“ (2008).
Offizieller Filmtrailer
Mindestens die Menschheit retten
2012 präsentierten die Wachowskis mit „Cloud Atlas“ ihr nächstes Mammutprojekt. Gemeinsam mit ihrem deutschen Kollegen Tom Tykwer schufen die Wachowskis ein hyperkomplexes Historien- und fantasy-Epos: Sie verknüpften sechs Handlungsstränge über 500 Jahre miteinander. Doch der Dreistundenfilm geriet zum überladenen Kitsch-Kunstwerk; am interessantesten war die Frage, welcher Star-Schauspieler sind gerade hinter welcher Maske verbarg.
Jetzt also „Jupiter Ascending“: Putzfrau Jupiter Jones dämmert, dass sie zu Großem ausersehen ist, als der genmanipulierte alien und Ex-Kämpfer Caine (Channing Tatum) zu ihr auf den Planeten Erde herunterschwebt. In ihren Adern fließt tiefblaues Blut; ihre wahre Mission ist mindestens die Rettung der Menschheit, wenn nicht des gesamten Universums.
Reinigungskraft strotzt vor sex appeal
Das ist auch bitter nötig. Der Kosmos befindet sich in den Klauen einer bösen alien-Adelskaste, die den Raubtier-Kapitalismus der minderbegabten Erdlinge zum Vampir-Kapitalismus weiterentwickelt hat, der alle Lebensenergie aufsaugt. Mit einem Budget, das dem Staatshaushalt eines mittelgroßen Entwicklungslandes entspricht, entwerfen die Wachowskis also eine Kapitalismuskritik, deren Argumentation einem Sechsjährigen sofort einleuchtet.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “Interstellar” – visuell überwältigendes Science-Fiction-Epos mit Matthew McConaughey von Christopher Nolan
und hier einen Beitrag über den Film “Cloud Atlas” – verschachteltes Science-Fiction-Epos von Tom Tykwer, Lana + Andy Wachowski
und hier einen Bericht über den Film “Prometheus – Dunkle Zeichen” – monumentales Science-Fiction-Epos von Ridley Scott.
Adlige aus gothic-Rollenspiel
Nach ihrer „Matrix“-Trilogie, die mit philosophischen Anspielungen völlig überladen war, greifen die Wachowskis nun zur größtmöglichen Vereinfachung: „Jupiter Ascending“ ist so simpel, dass jedes Kind den Film versteht. Und sich am barocken special effects-Spektakel von galaktischen Ausmaßen erfreuen darf – das wenig geschmackssicher daherkommt: Die fiesen alien-Adligen sehen aus, als seien sie einem rustikalen gothic-Rollenspiel entsprungen.
Zugleich fliegen ständig hypermoderne Raumschiffe herum, die unmotiviert in Wurmlöchern verschwinden oder aus ihnen auftauchen; total sinnfrei, aber nett anzusehen. Das könnte Regisseur Christopher Nolan gefallen, der jüngst sein science fiction-Drama „Interstellar“ ebenfalls in solchen Raum-Zeit-Verwerfungen ansiedelte. Obwohl: Dem kühl kalkulierenden Konstrukteur glasklarer Parallel-Welten wäre dieser Film wohl zu infantil.