
Seit Christopher Nolan die „Dark Knight“-Trilogie über Batman (2005/12) auf die Leinwand brachte, spätestens aber seit seinem Traum-Agententhriller „Inception“ (2010), gilt er als Regisseur von blockbuster-Filmen, an denen auch Cineasten Freude haben. Schon sein Debüt „Following“ (1998) über einen stalker und der Nachfolger „Memento“ (2000) über Gedächtnisverlust jonglierten eigenwillig mit Erzählstrukturen und Perspektiven.
Info
Interstellar
Regie: Christopher Nolan,
169 Min., USA/ Großbritannien 2013;
mit: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Michael Caine
Aufbruch ins All mit vielen Vorgängern
Hollywood-Produktionen sind oft selbstreferentiell. Bei „Interstellar“ wird bald deutlich, dass sich der Film an vielen anderen Vorgängern orientiert, vor allem an „2001 – Odyssee im Weltraum“ von Stanley Kubrick; dieser so rätsel- wie meisterhaften Vision von 1968 über die Entstehung des Menschen und seine Rolle im Universum.
Offizieller Filmtrailer
Klopfzeichen aus dem Bücherregal
Wie bei Kubrick beginnt Nolans dreistündige Reise zu den Sternen im Staub. In einer nicht allzu fernen Zukunft ist es vorbei mit dem Fortschritt, wie schnell deutlich wird: Aufklärungs-Drohnen fliegen als Überbleibsel der letzten, offenbar verheerenden Kriege ziellos in der Gegend herum. Armeen sind Geschichte; die Menschen sind damit beschäftigt, Nahrungsquellen zu sichern und karge Ernten vor der unwirtlich gewordenen Natur zu retten.
Mittendrin im Mittelwesten: Vor der Katastrophe war unser Held Cooper (Matthew McConaughey) ein fähiger Raumpilot. Heute kämpft der Witwer mit seinen Kindern und deren Großvater wie alle anderen gegen den Staub; die Sterne sind in weite Ferne gerückt. Doch seltsame Klopfzeichen aus dem Bücherregal, die seine aufgeweckte Tochter Murphy umtreiben, führen den mit seinem Farmer-Dasein Unzufriedenen zum geheimen Forschungszentrum der NASA.
Wurmloch als Weg zu anderen Galaxien
Die sieht die Zukunft der Menschheit in anderen Galaxien und versucht, dafür Planeten zu finden, die bewohnbar wären. Den Weg dorthin weist ein kosmisches Wurmloch in der Nähe des Saturns; auf dessen anderer Seite sind bereits ein Dutzend Astro-Pioniere auf der Suche. Offenbar hat man bei der NASA nur auf Coopers Eintreffen gewartet; schon sitzt der Farmer-Pilot mitsamt Amelia Brand (Anne Hathaway) und Kanonenfutter im Raumschiff Richtung Saturn.
Nach dieser etwas holprigen Einführung beginnt endlich der interstellare Teil des Films; die verzwickte Geschichte von Kleinfamilie und Astrophysik, Schuld, Liebe, Murphys Gesetz und Rettung der Menschheit nimmt allmählich Fahrt auf. Bald ist Cooper dank einiger Krümmungen im Raum-Zeit-Gefüge ebenso alt wie seine Tochter, die auf der Erde geblieben ist. Als alle Wissenschaft versagt, muss er feststellen, dass es für ihn kein Zurück mehr gibt. Nun ist es an seiner Tochter, das immerhin fünfdimensionale Plot-Knäuel zu entwirren.
Geschwätz erklärt Plot + Gefühle
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “Dallas Buyers Club” – hervorragendes HIV-Drama mit Matthew McConaughey von Jean-Marc Vallée
und hier einen Beitrag über den Film “Prometheus – Dunkle Zeichen” – Science-Fiction-Epos über Alien von Ridley Scott
und hier einen kultiversum-Bericht über den Film “Inception” – Psycho-Thriller über Unterbewusstsein mit Leonardo DiCaprio von Christopher Nolan.
Doch das ganze Unterfangen begleitet der Geschmack von bubblegum und popcorn. Wo Kubrick für die ganz großen Themen gleichsam eine eigene Filmsprache entwickelte, die stundenlang ohne Worte auskam, tritt „Interstellar“ wie schon „Inception“ ungeheuer geschwätzig auf, um die vertrackte Handlung zu vermitteln und Emotionen zu entfachen.
Kaffee-Automat als Allzweck-Roboter
Wo Kubrick mit Antworten auf ewige Fragen – woher kommen wir, und wohin gehen wir? – im ungemütlich Vagen blieb, liefert Nolan Welterklärungs-Rezepte: Sein Film-Universum hält eine gesunde Mischung aus Familiensinn, Pioniergeist und high tech zusammen.
Mitunter wird „Interstellar“ unfreiwillig komisch; etwa beim unbeholfenen product placement der NASA oder einem Allzweck-Roboter, der wie ein Kaffee-Automat aussieht, als Coopers ständigem buddy-Begleiter. So ist „Interstellar“ eben nicht „2021“, sondern nur „Contact“ (1997; mit Jodie Foster) 2.0 geworden: Ein toller Trip durch Schwarze Löcher in fremde Dimensionen, aber kein bewusstseinserweiternder.