Was Daniel Mantovani (Oscar Martínez) in seiner Dankesrede zur Verleihung des Literaturnobelpreises sagt, klingt wie die wohlfeile Koketterie eines selbstverliebten Intellektuellen: Der Preis bedeute seinen kreativen Tod, oder, wie er sagt, „den Niedergang des Künstlers“. In Stockholm wurde „das Ende meines kreativen Abenteuers verkündigt“, erklärt Mantovani.
Info
Der Nobelpreisträger
Regie: Mariano Cohn + Gastón Duprat,
118 Min., Argentinien/ Spanien 2016;
mit: Oscar Martínez, Dady Brieva, Andrea Figerio
Ruf aus der alten Heimat
Dann erreicht ihn eine Einladung aus der fernen Heimat: Salas, die Kleinstadt in der argentinischen Pampa, der er vor 40 Jahren für immer den Rücken gekehrt hat, will ihn zum Ehrenbürger manchen. Mantovani reist dorthin, ganz ohne Entourage. Ob er sich von diesem Ausflug eine kreative Frischzellenkur verspricht – schließlich hatte er seine literarische Inspiration vorwiegend aus der Heimat bezogen – oder ob er einfach in die eigene Vergangenheit blicken möchte, bleibt offen.
Offizieller Filmtrailer OmU
Auf Händen getragen
Salas jedenfalls rollt seinem verlorenen Sohn den roten Teppich aus. Der Bürgermeister (Manuel Vicente) begleitet ihn auf Schritt und Tritt. Mantovani wird mit dem Löschzug der lokalen Feuerwehr durch den Ort kutschiert, neben der lokalen Schönheitskönigin. Sein alter Kumpel (Dady Brieva), mittlerweile verheiratet mit seiner Jugendliebe Irene (Andrea Frigerio), will ihn zur Jagd einladen. Und der Autor, der seit Jahren keine Interviews mehr gibt, stellt sich den Fragen der Einheimischen; auch sonst gibt er sich so hemdsärmelig und unkompliziert wie möglich.
In dieser Komödie des argentinischen Regieduos Mariano Cohn und Gastón Duprat trifft Provinzialität auf intellektuelles Angebertum. Diese Kollision erzeugt unterhaltsame Momente, zumindest in der ersten Hälfte des Films. Schnell wird klar, warum Mantovani seine Heimat so lange gemieden hat.
Parabelhafte Groteske
Einerseits wird er bedrängt von einem Mann, der glaubt, in Mantovanis Romanpersonal seinen Vater zu erkennen. Andererseits begegnet ihm unverhohlene Feindseligkeit. Das liegt wohl daran, dass der Autor kaum zu verbergen versucht, dass ihn seine alten Bekannten allenfalls als Geschichtenlieferanten interessieren. In Künstlerkreisen ein bekanntes Symptom, weshalb diese boshafte Farce, die sich zur Groteske entwickelt, parabelhafte Züge trägt.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Neruda" – grandioses Biopic über Pablo Neruda, chilenischer Literaturnobelpreisträger von 1971, von Pablo Larrain
und hier einen Bericht über den Film "Wild Tales – Jeder dreht mal durch!" – schwarzhumoriger Episodenfilm aus Argentinien von Damián Szifrón
und hier einen Beitrag über den Film "Argentina" - faszinierende Tanz- + Musik-Dokumentation von Carlos Saura.
Sympathie mit Protagonisten
Auch wenn Mantovani arrogant und wenig sympathisch daherkommt, bleibt der Film auf der Seite des Intellektuellen; Ambivalenzen gibt es nicht. Das Innenleben dieses einsamen und verbitterten Manns bleibt im Dunkeln: etwa, was ihn an seinem Heimatkaff so sehr interessiert, dass er sich daran jahrzehntelang als Autor abgearbeitet hat. Eine komplexe Psychologisierung bleibt aus. Der Witz, der sich aus schrägen und peinlichen Momenten entwickelt, verläuft bald im Sande. Womöglich deshalb wird zum Schluss die Thriller-Schraube angezogen, hin zu einem suspense-Finale.
Die sich daraus ergebende Pointe sorgt für ein rundes Ende der Geschichte. Doch leider wird der Plot in der zweiten Hälfte des Films, die auf diesen recht vorhersehbaren Schluss hinausläuft, kaum stimmiger. Diese Kulturbetriebs-Satire enthält ein paar gute Beobachtungen, was etwa das Thema kreative Aneignung betrifft. Aufs Ganze betrachtet machen es sich die Regisseure aber zu gemütlich mit ihrem durchschaubaren Provinz-bashing.