
Viele Menschen träumen von einer Weltreise: Einmal rund um den Globus zu reisen ist eine Sehnsucht, die wohl viele Leute kennen. Für den Großteil der Menschheit endet so ein Traum schnell, weil die Verhältnisse, in denen sie leben, solche Träume nicht zulassen: Ihre Pässe taugen nicht zum Reisen, ihre Währungen nicht als Devisen, und die Zwänge, in denen sie stecken, lassen keine Freiheiten zu.
Info
Egal was kommt
Regie: Christian Vogel,
121 Min., Deutschland 2018;
mit: Christian Vogel
Im Angesicht der Abenteuer
Als Biker ist sein Traum folgerichtig klar: einmal mit dem Motorrad um die Welt. Der 34-jährige Journalist kündigt Wohnung und Job, kratzt seine Ersparnisse zusammen und startet per Flugzeug nach Orlando, Florida, um dort seine Tour zu beginnen. 333 Tage wird seine Reise dauern, er wird 22 Länder durchqueren und sich allen Abenteuern stellen, die dort auf ihn warten. Christian Vogel ist allein unterwegs und filmt sich selbst, während er 50 000 Kilometer auf seiner BMW GS 1200 ADV zurücklegt.
Offizieller Filmtrailer
Ein anderer Film
Beim Nachdenken über „Egal was kommt“ bleibt es nicht aus, sich an einen ähnlichen Film zu erinnern, einen sensationellen Überraschungserfolg. „Weit – Die Geschichte von einem Weg um die Welt“ erzählt von der gleichen Sehnsucht. Und doch könnten die beiden Filme nicht unterschiedlicher sein. Die beiden Freiburger, die sich in „Weit…“ vorgenommen hatten, so weit in den Osten zu laufen, bis sie aus dem Westen zurückkehren, haben mit ihrer Reisedokumentation 2017 ein kleines Meisterwerk geschaffen.
Sympathisch, weltoffen, neugierig und sehr bescheiden, gelingt es dem Paar, den Zuschauer mit auf ihre Reise zu nehmen. Vor allem aber schaffen es die beiden, den Menschen, denen sie begegnen, näher zu kommen und dies auch in ihrem Film festzuhalten. Zum einen nehmen sie sich selbst nicht wichtig, und zum anderen gestalten ihre Route sehr flexibel. Die Reise entsteht im Augenblick, der Weg ist das Ziel. Der Blick auf die Außenwelt ist stimmig, relevant und weit.
Quälende Planerfüllung
All das fehlt bei „Egal was kommt“ schmerzlich. Christian Vogel steht im Mittelpunkt seines Filmes: Wenn er während seiner Reise die Kamera in Betrieb nimmt, dann filmt er sich auf dem Bike und nicht seinen Blick vom Bike auf die Welt. Vogel und sein Motorrad sind der Fokus, die Reise dient offensichtlich nur als Kulisse für seine Befindlichkeiten. Und meist ist sein Befinden ziemlich angespannt.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Augenblicke: Gesichter einer Reise" - von und mit Agnès Varda und JR
und hier einen Bericht über den Film "Chamissos Schatten" – zwölfstündige Doku über "Eine Reise zur Beringsee in drei Kapiteln" von Ulrike Ottinger
Das Wichtige aus den Augen verloren
Vogel begegnet vielen hilfsbereiten Menschen, die sich für ihn einsetzen. Doch er hat nur sein Ziel im Kopf. Gelegentlich scheint es, als hätte er alle Relationen aus dem Blick verloren. Wenn er sich für 7000 Euro Ersatzteile für seine Maschine aus Deutschland schicken lässt, während er Armut und Elend in Indien dokumentiert, fällt es schwer, Mitleid mit dem Deutschen zu haben, der darüber klagt, dass sein Geld wahrscheinlich nicht mehr bis Portugal reicht.
Wie privilegiert er ist, entgeht ihm in all seinen Kämpfen offensichtlich komplett. Für Christian Vogel persönlich mag die Reise wichtig und wertvoll gewesen sein. Ansonsten hat sein Film keinerlei Relevanz und kaum Schauwert. Die erzählte Geschichte bleibt zu privat.