
Ein weiß geschminkter Mann in geringeltem Hemd und weißer Hose auf schwarzer Bühne, der unsichtbare Wände abtastet oder gegen imaginäre Stürme kämpft: So stellt man sich einen Pantomimen vor. Kreiert hat dieses klassische Erscheinungsbild der Franzose Marcel Marceau (1923-2007); er gilt bis heute als der beste seiner Zunft.
Info
Résistance – Widerstand
Regie: Jonathan Jakubowicz,
120 Min., Großbritannien/Deutschland/ Frankreich/ USA 2019;
mit: Jesse Eisenberg, Clémence Poésy, Matthias Schweighöfer, Ed Harris
Weitere Informationen zum Film
Cabaret in der Reichsprogromnacht
Zu Beginn ist der noch sehr junge Marcel Mangel (Jesse Eisenberg) nur der Sohn eines jüdisch-orthodoxen Fleischers (Karl Markovics) mit künstlerischen Ambitionen: Er tritt als pantomimischer Pausenfüller in Cabarets seiner Heimatstadt Straßburg auf. Ausgerechnet am 9. November 1938, währenddessen in einer Parallelerzählung eine jüdische Familie im Deutschen Reich die brutale Gewalt der Reichsprogromnacht erleidet. Nur die halbwüchsige Tochter überlebt.
Offizieller Filmtrailer
NS-Besatzer wüten in Lyon
Das Schicksal wird dieses Mädchen und Marcel später zusammenführen, als es mit einem von der jüdischen Gemeinde organisierten Transport deutscher Waisenkinder in Straßburg eintrifft. Marcel soll sie auf Bitten seines Bruders Alain als Clown aufmuntern, was ihm erfolgreich gelingt. Die Kinder wachsen ihm so ans Herz, dass er sie gemeinsam mit der Aktivistin Emma (Clémence Poésy) 1940 kurz vor dem Einmarsch der Wehrmacht Richtung Süden nach Lyon begleitet.
Als sie auch dort nicht mehr sicher sind, beschließt Marcel, sich der Résistance gegen die deutschen Besatzer anzuschließen. Sie wüten unter dem Kommando des später als „Schlächter von Lyon“ bekannten Klaus Barbie (Matthias Schweighöfer) in der Stadt und machen erbarmungslos Jagd auf tatsächliche oder vermeintliche Widerständler.
Schweighöfer als Nazi-Karikatur
Diese Hatz, aber auch die Kollaboration mancher Einheimischen schildert Jakubowicz sehr ausführlich – bis zu einer unangemessen ästhetisierten Folterszene in einem trockengelegten Schwimmbad. Weniger Augenmerk legt der Regisseur leider auf Motivation und Vorgehensweise der Untergrundkämpfer, bei denen es etwas zu sehr menschelt. Ohnehin bleiben die meisten Akteure blass; abgesehen von Eisenberg, der sehr glaubhaft und angenehm zurückhaltend Marceau darstellt und dadurch die Geschichte trägt.
Hintergrund
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Star-Vehikel für Kinder-Schmuggel
Ähnlich unausgewogen ist auch die Dramaturgie. Der Regisseur versucht, mit genauer Datierung der Ereignisse den Anschein von Authentizität zu erzeugen. Dennoch schlingert er mit viel Ausstattungs-Aufwand unentschlossen zwischen Kriegsgetümmel und gefühligem Drama hin und her, das zudem von schmalzigen Orchesterklängen zugekleistert wird. Da kommt Empathie mit den Akteuren selten auf; am ehesten, wenn Marcel auf die traumatisierten Kinder trifft und sie mit seiner Pantomime das erste Mal seit langem zum Lachen bringt.
Für Jakubowicz, der auch das Drehbuch schrieb, war dieses Projekt sichtlich ein Herzensanliegen. Doch vermutlich hätte es dem Film gut getan, wenn er sich auf das Schicksal der Kinder konzentriert hätte. Marcel Mangel, der seinen französischen Namen Marceau annahm, als er sich 1942 selbst einen gefälschten Pass ausstellte, erscheint eher als Star-Vehikel – im Wortsinne: Als Transportmittel schmuggelte er drei Mal Scharen von Kindern aus Frankreich über die Grenze in die Schweiz. So lobenswert es ist, diese antifaschistischen Heldentaten vor seiner Weltkarriere als Bühnenkünstler zu würdigen: Seine spannende Biographie sollte anders und besser erzählt werden.