
Sippenhaft auf katholisch: Weil er als Junge von einem Priester missbraucht worden ist, will ein Unbekannter in sieben Tagen den Kleriker umbringen. Nicht den damaligen Übeltäter, sondern als Stellvertreter den jetzigen Gemeindepfarrer James Lavell (Brendan Gleeson). Das sagt ihm der Mörder in spe im Schutz der Dunkelheit eines Beichtstuhls – und Pater James wahrt das Beichtgeheimnis.
Info
Am Sonntag bist du tot - Calvary
Regie: John Michael McDonagh,
100 Min., Irland/ Großbritannien 2014;
mit: Brendan Gleeson, Chris O'Dowd, Kelly Reilly
Seelen von Dunkelgrau bis Schwarz
Deren Seelen changieren zwischen dunkelgrau und rabenschwarz; das entlegene Dorf an der irischen Westküste wird scheinbar nur von freaks bevölkert. Als da sind: ein koksender Arzt, der seine Patienten gern schnell ins Grab befördert. Ein gehörnter Metzger (Chris O’Dowd), der seine fremdgehende Frau prügelt. Die steigt mit einem schwarzafrikanischen Auto-Mechaniker ins Bett.
Offizieller Filmtrailer
Im Suff auf Alte Meister pinkeln
Dagegen quält einen Mofa-Jüngling, noch Jungfrau zu sein; erzählt er dem Pfarrer von Transvestiten-Pornos, rät der ihm zu Spritztouren in Großstädte mit lockeren Sitten. Ein lokaler Stricher kann nicht helfen: Er lässt die Hosen nur für schwule Würdenträger runter. Luxuriöses Lotterleben ödet einen steinreichen Spekulanten (Dylan Moran) längst an: Völlig allein hockt er in seinem Palast. Im Suff pinkelt er schon mal auf ein Altmeister-Gemälde.
Eigentlich gehören alle Dörfler weggesperrt. Aber nur der Psychopath Freddie sitzt hinter Gittern: nach mehreren Lustmorden samt Kannibalismus. Als er das genüsslich ausbreitet, gerät Pater James kurz aus der Fassung. Ansonsten hört er sich alle Provokationen und billigen Zynismen, die ihm Gemeindemitglieder um die Ohren hauen, seelenruhig an – und quittiert sie mit schwermütigen Sinnsprüchen eines Todgeweihten.
Tresen-Geschwätz zur Religions-Rettung
Es geht die ganze Zeit zu wie im schäbigen Pub, in dem sich die Figuren abends über den Weg laufen. Wenn sie genug Whisky intus haben, löst sich die Zunge und der Frust muss raus: Über gierige Banken, die alle in den Ruin treiben, die unfähige Regierung, die nichts dagegen tut, heuchlerische Pfaffen, kriminelle Ausländer usw. Für solches Tresen-Geschwätz muss keiner ins Kino gehen; eine Kneipentour reicht.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “The Guard – Ein Ire sieht schwarz” – schwarzhumorige Krimi-Komödie mit Brendan Gleeson von John Michael McDonagh
und hier einen Bericht über den Film “Kreuzweg” – Milieustudie strenggläubiger Christen von Dietrich Brüggemann, prämiert mit dem Silbernen Bären 2014
und hier einen Beitrag über den Film “Parked – Gestrandet” – Kammerspiel über Obdachlose in Irland von Darragh Byrne.
In der Nachfolge Jesu Christi
Oder seine selbstmordgefährdete Tochter (Kelly Reilly), die er einst sitzen ließ, zur letzten Aussprache empfangen. Siehe, auch er hat gefehlt, aber bereut nun von ganzem Herzen! Der grundgute Pater wandelt in der Nachfolge Jesu, wie schon der Originaltitel „Calvary“ hinausposaunt: Das Abklappern all dieser Gestörten ist sein Kreuzweg. Schließlich findet er am Strand seinen Kalvarienberg, die Hinrichtungsstätte Christi, wo er schuldlos gemeuchelt wird.
Mit seinem Filmdebüt „The Guard – Ein Ire sieht schwarz“ gelang Regisseur McDonagh eine Krimi-Komödie, die geschickt zwischen suspense und schrägem Humor balancierte. Davon sind beim Nachfolger nur noch wirre Episoden und schale gags übrig. Was kaum verwundert, denn McDonaghs Absicht ist extrem ehrgeizig: eine Total-Abrechnung mit der irischen Gesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des korrupten Klerus‘ – auf dass der wahre Glaube umso reiner strahle. Doch Moralapostel wirken meist witzlos und fad.