«Ich will zum Film!»: Das weckt Assoziationen von Ruhm und Reichtum, Bohème-Leben, Jet-Set und kreativer Selbstverwirklichung. Der Satz klingt vertraut, aber auch extravagant, so viel versprechend wie anmaßend. Die Filmstudios in Potsdam-Babelsberg werden 100 Jahre alt; ebenso lange träumen ganze Generationen davon, in der Traumfabrik zu arbeiten.
Info
Am Set: Paris - Babelsberg - Hollywood, 1910 bis 1939 + Berlin - Babelsberg, heute
15.12.2011 - 29.04.2012
täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr in der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Straße 2, Berlin
Katalog im Museum 29 €
Bereits in der Gründerzeit des Kinos, am Anfang des 20. Jahrhunderts, wurden Film-Studios zum Mythos, der Heerscharen von Künstlern und Komparsen anzog. Doch was genau bedeutete es, in diese schillernde Welt einzutauchen, eben «beim Film» zu sein? Wie wurde dort gearbeitet? Wie entstanden cineastische Meisterwerke, die trotz vergleichsweise einfacher Technik bis heute Maßstäbe setzen?
Making of von Szene und Maske
Diese Fragen beantwortet ein Blick hinter beziehungsweise auf die Kulissen. Den warfen Standfotografen durch ihre Kameras, die am Set immer dabei sind, um einen Szenen-Aufbau oder eine Maske festzuhalten. Oder schlicht die Dreharbeiten mit einem «Making of» zu dokumentieren, wobei oft historisch wertvolle Schnappschüsse entstanden.
Impressionen der Ausstellung
Mitten hinein in Dreharbeiten
Die Ausstellung «Am Set» ist dem wenig beachteten Genre der Standfotografie gewidmet – und damit der Geschichte des Filmemachens selbst. In Paris, Babelsberg bei Berlin und Hollywood waren und sind Studios versammelt, in den zahlreiche Kino-Klassiker gedreht wurden. Die detailreichen Aufnahmen der Standfotografen versetzen in die Dreharbeiten hinein; der Betrachter ist tatsächlich «am Set» dabei.
Im ersten Teil sind mehr als 250 Fotografien aus drei Jahrzehnten bis 1939 zu sehen. Sie stammen aus den Sammlungen der Cinématheque française und der Privat-Kollektion von Gabriel Depierre; er war Assistent und Freund des Standfotografen Roger Corbeau. Im kleineren zweiten Teil werden Impressionen von Dreharbeiten gezeigt, die in den heutigen Babelsberger Filmstudios oder an Original-Schauplätzen in Berlin entstanden sind.
Stars über die Schulter schauen
Näher kann ein Normalsterblicher an Stars nicht herankommen: Er schaut den Akteuren im Wortsinne über die Schulter. Man sieht Emil Jannings, wie er sich für eine Szene im «Blauen Engel» schminkt, oder Ingrid Bergman mit ihrem Hund Buzzy, der in einen Scheinwerfer geklettert ist.
Marlene Dietrich vertieft sich während einer Pause ins Drehbuch; der Regisseur Fritz Lang dirigiert ein Ritterheer für Aufnahmen zum Film-Epos «Die Nibelungen». Dabei lichteten Standfotografen die Stars nur selten in Postkarten-Posen ab. Häufiger sind Gruppenbilder vom Film-Team am Rande der Dreharbeiten; zuweilen setzen sich die Fotografen mit Hilfe von Spiegeln persönlich in Szene.
Glaspaläste auf Dächern
Außerdem erzählen diese Aufnahmen auch eine aufschlussreiche Geschichte der Film-Technik. Die ersten Studios waren wahre Glaspaläste, die vorzugsweise auf Dächern errichtet wurden, um so viel Licht wie möglich zur Verfügung zu haben. In Berlin-Weißensee wurden in den 1920er Jahren riesige Kulissen-Landschaften aufgebaut.
Kameras oder Scheinwerfer wurden in der Anfangs-Phase der Filmindustrie quasi im Jahrestakt weiterentwickelt: Als der Tonfilm aufkam, mussten die relativ lautstarken Kameras in unförmige, schalldichte Gehäuse eingepackt werden.
Mit voller Fahrt ins Wasser-Becken
Solche improvisierten Lösungen sind Vergangenheit. Zeitgenössische Filme wie «Anonymous», «Der Baader Meinhof Komplex» oder «Valkyrie» entstehen mit wesentlich raffinierteren Tricks, wie im zweiten Teil der Ausstellung deutlich wird.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films «Anonymous» von Roland Emmerich
und hier eine kultiversum-Besprechung der restaurierten Lang-Fassung des Film-Klassikers «Metropolis» von Fritz Lang.
So rast im Film «Unknown Identity» ein Taxi mit voller Fahrt von der Berliner Oberbaumbrücke in die Spree. Um diese Action täuschend echt aussehen zu lassen, werden Greenscreen-Technik, ein riesiges Wasser-Becken und etliche Kräne eingesetzt – das enthüllen Standfotografien.
Ein Parforce-Ritt durch die Filmgeschichte: In zwei Stunden kann man bei den Dreharbeiten von Klassikern wie Fritz Langs «Metropolis» und F.W. Murnaus «Der letzte Mann» bis zu aktuellen Produktionen wie Quentin Tarantinos «Inglorious Basterds» und «Das Leben der Anderen» von Florian Henckel von Donnersmarck dabei sein. Das ist bigger than life!