
Innovativer als dieser Film kann Kino kaum sein! Er spricht eine oft ignorierte Zielgruppe an: rüstige Rentner, die ansonsten vor der Glotze hocken. Er greift mutig Tabu-Themen auf: Demenz, Erotomanie und Sex im Alter. Dazu versammelt er ein Ensemble international beliebter Stars, die man so noch nie gesehen hat. Im Gewand einer charmant altmodischen, typisch französischen Konversations-Komödie: Wie ist das möglich?
Info
Und wenn wir alle zusammenziehen?
Regie: Stéphane Robelin, 100 min., Frankreich/ Deutschland 2011;
mit: Jane Fonda, Geraldine Chaplin, Daniel Brühl
Viagra wie Smarties futtern
Ihr alter Freund Claude (Claude Rich) bleibt ein unverbesserlicher Schürzenjäger: Mit 82 Jahren blickt er noch jedem Weiberrock hinterher, futtert Viagra wie andere Smarties und genießt Schäferstündchen mit Prostituierten. Dagegen blickt Polit-Aktivist Jean (Guy Bedos) auf Jahrzehnte voller aufreibender Kämpfe gegen die Obrigkeit zurück; seine Frau Annie (Geraldine Chaplin) hat ihr Leben lang vom eigenen Swimming-Pool geträumt.
Offizieller Film-Trailer
Feldforschung in der Alten-WG
Alle haben ihr Päckchen zu tragen, aber aufs Altenteil abschieben lassen sich nicht. Bevor sie im Senioren-Wohnheim vereinsamen müssen, ziehen die fünf Freunde gemeinsam in ein großes Haus. Bemuttert und beobachtet von Dirk (Daniel Brühl): Der deutsche Ethnologie-Doktorand schreibt seine Promotion über den Alterungs-Prozess in Europa – und nutzt die Pensionäre als Studien-Objekte.
Demographischer Wandel, Mehrgenerationen-Haus und Alten-WG: das sind Stichworte aus Leitartikel-Debatten und Strategie-Papieren der Sozial-Ministerien. Im Kino kommt das Thema bislang kaum vor. Das ändert der junge französische Regisseur Stéphane Robelin in seinem zweiten Spielfilm: mit schlagfertigem Witz, subtiler Situations-Komik und diebischer Lust an pikanten Details.
Jane Fondas Libido wird stärker
So viel über Sex geredet wird sonst nur in US-College-Komödien. Ohne jeden Anflug von Peinlichkeit: Jane Fonda, als «Barbarella» und Aerobic-Vortänzerin eine Ikone ewiger Jugendlichkeit, plaudert abgeklärt über die stärker werdende Libido reifer Frauen. Claude Rich spielt den schamlosen Womanizer mit solcher Selbstironie, dass man den Lustgreis einfach gern haben muss.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
WG-Erfahrungen in der Jugend helfen weiter
Dennoch rauft sich das Quintett bald wieder zusammen: In ihrer bewegten Jugend haben alle genug WG-Erfahrung gesammelt, um zu wissen, wie man den Haus-Segen wieder gerade hängt. Und Annie erfüllt sich ihren Lebenstraum: einen Pool im Garten, der als romantische Picknick-Kulisse dient, wenn es zu kalt zum Schwimmen ist. Vorbildlicher geht es kaum – danach möchte man sofort mit Freunden einen Bauspar-Vertrag für den gemeinsamen Lebensabend abschließen.