
Woody Allen ist ein Veteran des Show-Business im Allgemeinen und des Autoren-Films im Besonderen: Schon als Schulkind in Brooklyn beliefert er Komiker und Kolumnisten mit Gags – und legt sich sein Pseudonym zu, damit ihn Mitschüler nicht hänseln. Mit Anfang 20 schreibt er für die «Sid Cesar Show».
Info
Woody Allen: A Documentary
Regie: Robert B. Weide, 108 min., USA 2012;
mit: Woody Allen, Diane Keaton, Scarlett Johansson
41 Spielfilme in 41 Jahren
Seit seinem Kino-Debüt «Take the money and run» von 1969 hat Allen alljährlich einen Spielfilm gedreht: «Midnight in Paris» von 2011, der überraschend zu seinem größten Erfolg an den US-Kinokassen wird, ist sein 41. Film in 41 Jahren. Erstaunlich, dass dieser workoholic nicht auch noch die filmische Würdigung seines Lebenswerks selbst erledigt.
Offizieller Film-Trailer
TV-Porträt mit 34 Zeitzeugen
Das überlässt er Robert B.Weide: Der Dokumentarfilmer ist auf Biographien von Komikern spezialisiert. Dieses Porträt hat Weide für die Serie «American Masters» des TV-Senders PBS angefertigt; das Profil des staatlich finanzierten US-Kanals lässt sich mit ARTE vergleichen, bei ähnlich himmelhohen Einschalt-Quoten.
Da verwundert kaum, dass der Film typisch US-amerikanisch anmutet: in seiner epischen Schilderung von Allens ersten Stationen bei diversen comedy und late night shows, die hierzulande keiner kennt oder versteht, wie in seinem streng durchformatierten Kompositions-Schema: 34 Zeitzeugen, die irgendwann näher mit ihm zu tun hatten, reihen sich wie die Orgel-Pfeifen aneinander und sagen ihre Lobpreisungen auf.
Drehbücher aus gehefteten Zetteln
Im Rosenkranz seiner Bewunderer wirken Allens ausführliche Selbst-Auskünfte angenehm nüchtern; etwa, wie er Drehbücher schreibt. Er kritzelt Einfälle auf Notiz-Blätter, die er mit Pfeilen verbindet und durchstreicht, bis sie Grafiken im Stil des Abstrakten Expressionismus ähneln. Die tippt er auf einer alten mechanischen Schreibmaschine ab. Will er eine Passage ändern, tippt er sie neu, schneidet sie aus und heftet sie mit Klammern aufs Manuskript – der Komiker als Collagist.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Midnight in Paris" von Woody Allen.
New-York-Neurotiker flieht nach Europa
Ebenso wenig die nach seinem eigenwilligen Charakter: Der 77-Jährige gibt noch immer den kauzigen New-York-Neurotiker, der sich über Zwischenfälle in der Nachbarschaft vor Jahrzehnten ereifert, als seien sie gestern geschehen. Dabei sucht er längst selbst das Weite: Seine jüngsten Filme spielen ausnahmslos in good old Europe, weil er die geistlosen Vereinigten Staaten von tea party und TV evangelists kaum noch erträgt.
Auf solche Widersprüche einzugehen, hieße am Lack eines «Amerikanischen Meisters» zu kratzen. Doch Regisseur Weide setzt ihm lieber ein Doku-Denkmal. Als Pflicht-Programm für Allen-Fans; alle anderen warten besser auf seinen 42. Spielfilm, der am 30. August anläuft.