
Was für ein Leben! Eine der Erinnerungen von Roman Polanski enthielte schon genug Stoff für einen Spielfilm. Doch die Summe seiner Erfahrungen ist eine geballte Ladung fesselnder Begebenheiten und Eindrücke – wenige Menschen haben so viele Höhen und Tiefen erlebt wie der Regisseur mit polnischem und französischem Pass.
Info
Roman Polanski:
A Film Memoir
Regie: Laurent Bouzerau, 90 min., Großbritannien 2011;
mit: Roman Polanski, Andrew Braunsberg
Weitere Informationen zum Film
Vor Kriegsbeginn nach Warschau
Polanski kam 1933 als Sohn polnischer Eltern in Paris zur Welt. Drei Jahre später kehrte die Familie zurück nach Krakau; wenige Tage vor Kriegsbeginn zog die Mutter mit Roman und seiner älteren Schwester nach Warschau. Dort erlebte der Sechsjährige die Besetzung Polens durch die Wehrmacht und anschließend als jüdisches Kind das Leben im Warschauer Ghetto.
Offizieller Film-Trailer
Flucht durch ein Loch im Ghetto-Zaun
Polanskis Mutter wird als erstes Familien-Mitglied deportiert und in Auschwitz ermordet. Später verschwinden auch seine Schwester und sein Vater. Der kleine Roman flieht durch ein Loch im Zaun des Ghettos und taucht bei einer befreundeten Familie unter, wo er den Krieg überlebt.
Die traumatischen Erinnerungen an diese Zeit schildert Polanski als wunderbarer Erzähler mit sehr visuellem Gedächtnis und ebenso bildreicher Sprache. 2002 verarbeitet er das Thema in «Der Pianist»; die eindrückliche Darstellung des Lebens im Ghetto wird mit einem Regie-Oscar prämiert.
Talent als Pfadfinder entdeckt
Den Krieg überleben auch Vater und Schwester; danach geht Polanski erstmals in die Schule. Als Pfadfinder entdeckt er sein schauspielerisches Talent, doch im kommunistischen Polen nimmt ihn keine Schauspiel-Schule an. Schließlich studiert er bis 1959 an der Filmhochschule in Lodz.
Bereits mit seinem Debüt-Film «Das Messer im Wasser» macht er 1962 international auf sich aufmerksam. Polanski geht nach Paris und London, wo er rasch hintereinander drei Filme dreht; die Dracula-Parodie «Tanz der Vampire» wird 1967 ein großer Erfolg.
Mord an der Ehefrau, Prozess wegen Vergewaltigung
Bei Dreharbeiten lernt er Sharon Tate kennen; als Paar wandern sie in die USA aus. Mit dem Psycho-Thriller «Rosemaries Baby» wird Polanski endgültig zum Regie-Star, doch 1969 erlebt er eine persönliche Katastrophe: Die hochschwangere Sharon Tate wird von einer Sekte um den Psychopathen Charles Manson brutal ermordet. Erstmals erfährt Polanski negativen Medien-Rummel: Die Presse verdächtigt ihn, mit Manson unter einer Decke zu stecken.
Mit «Chinatown» gelingt ihm 1974 ein weiteres, allseits bewundertes Meisterwerk. Doch drei Jahre später folgt der Absturz in Hollywood: Er wird verhaftet und der Vergewaltigung einer Minderjährigen angeklagt. Polanski flieht und muss künftig die USA meiden, bis er 2009 auf Grund dieser Vorwürfe in der Schweiz erneut verhaftet wird.
Sechs Filmpreise für «Der Ghostwriter»
Nach zehn Wochen Untersuchungshaft und mehreren Monaten Hausarrest entscheiden die Schweizer Behörden, ihn nicht auszuliefern. Polanski, der seit 1989 mit der französischen Schauspielerin Emmanuelle Seigner verheiratet ist, dreht weiter erfolgreiche Filme.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Kritik der Doku "Woody Allen: A Documentary" von Robert B. Weide
und hier eine Besprechung der Sitten-Komödie "Der Gott des Gemetzels" von Roman Polanski
und hier einen kultiversum-Beitrag über die Dreharbeiten auf Sylt zu "Der Ghostwriter" von Roman Polanski, 2010 mit drei Europäischen Filmpreisen prämiert.
Zu eng verbundene Interview-Partner
Alle Stationen seiner Karriere kommen in «A Film Memoir» zur Sprache – aber nur kurz. Die Doku ist sehr persönlich gehalten; man merkt ihr die enge Verbundenheit zwischen dem Regisseur und seinem Gesprächspartner an. Was sich nachteilig auswirkt: Etliche Fragen werden recht oberflächlich abgehandelt
Dabei erfährt man wenig Neues über Polanski, der zwar offen über seine Kindheit, aber über andere Themen nur sehr ungern spricht. Auch die Arbeitsweise des Filmemachers Polanski kommt eindeutig zu kurz.
Dabei ist Regisseur Laurent Bouzerau für viele Making-ofs über die Entstehung großer Kinofilme bekannt – da würde man mehr erwarten. So bleibt es bei einem Potpourri von privaten Erinnerungen an ein Leben voller Tragik, großen Erfolgen und herben Rückschlägen.