Violette Leduc (Emmanuelle Devos), geboren 1907 als uneheliches Kind eines reichen Bürgers und seiner Bediensteten, lebt in der Endphase des Zweiten Weltkriegs vom Schwarzmarkthandel. Sie wohnt mit dem erfolglosen, schwulen Schriftsteller Maurice Sachs irgendwo in der Provinz der Normandie.
Info
Violette
Regie: Martin Provost,
139 Min., Frankreich/ Belgien 2013;
mit: Sandrine Kiberlain, Emmanuelle Devos, Olivier Gourmet
Eigene Sprache für weiblichen Sex
Violette Leduc zählt nicht zu den bekanntesten französischen Autorinnen, doch sie gilt vor allem in feministischen Kreisen als Pionierin – als Erfindern einer eigenen Sprache für weibliche Sexualität. Ihre ersten Romane erschienen, wie die ihres Freundes Jean Genet, bei Gallimard, einem der renommiertesten Verlage Frankreichs.
Offizieller Filmtrailer OmU
Last der Herkunft + unerwidertes Verlangen
Den Kontakt zu Gallimard vermittelte ihre Förderin Simone de Beauvoir (Sandrine Kiberlain), die vom Manuskript ihres Debüts „L’Asphyxie“ („Das Ersticken“, 1945) begeistert war. Darin wie in späteren Büchern beschrieb sie ihre Kindheit, ihre Affäre mit einer Mitschülerin auf dem Internat und ihre Abtreibung nach der Scheidung von ihrem ersten Mann.
Leduc erzählte vom Hadern mit der eigenen Hässlichkeit und der Last ihrer illegitimen Herkunft, von ihrem allzu oft unerwiderten Verlangen und ihrer Lust. Das war Skandalstoff für ihren Verlag wie für das Publikum der 1940er bis 1960er Jahre: Ihre 1964 veröffentlichte Autobiographie „La bâtarde“ („Die Bastardin“) wurde ein Sensationserfolg.
Von Egozentrik + Ehrgeiz geprägt
In Zeiten, in denen sich auffällig viele Filmregisseure für weibliche Lust interessieren, zählt zu den Vorzügen dieses Films, das Leben von Violette Leduc weder zu skandalisieren noch ihre Prosa illustrieren zu wollen. Auch wird ihr Kampf um Anerkennung nicht als heroischer Aufstieg aus proletarischem Elend inszeniert – wie das Künstler-Filme wie „Mein linker Fuß“ (1989) von Jim Sheridan, „Ein Engel an meiner Tafel“ (1990) von Jane Campion und „Basquiat“ (1996) von Julian Schnabel vorgemacht haben.
Violettes Entschlossenheit ist durchaus von Egozentrik und Ehrgeiz geprägt. Sie wirkt dabei nicht sehr sympathisch, und jeder Erfolg erscheint ihr am Ende kleiner als erhofft. Zudem lässt Regisseur Martin Provost kein Pandämonium berühmter Zeitgenossen aufmarschieren. Kein Camus oder Sartre: Das Personal beschränkt sich auf die berühmte Freundin Simone de Beauvoir, Jean Genet und den homosexuellen Freund und Mäzen Jacques Guérin (Olivier Gourmet), der Leduc zwar fördert, den sie aber erfolglos umwirbt.
Tiefer Respekt + höfliche Distanz
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Die Poetin" - Biopic über die lesbische US-Dichterin Elizabeth Bishop von Bruno Barreto
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Jean Genet – Hommage zum 100. Geburtstag" im Schwulen Museum, Berlin
und hier eine kultiversum-Rezension des Films "Séraphine" - Biopic über Séraphine Louis, Hauptvertreterin naiver Malerei um 1900, von Martin Provost.
Der Regisseur baut seinen großartigen Darstellerinnen eine Bühne aus blassen Farben und spürbarer moralischer Enge. Er fällt keine Urteile und erklimmt keine Barrikade; er schaut zu und lässt Makel, Widersprüche und Hässlichkeit sein, was sie sind. Entwicklungen gehen allmählich vonstatten.
Sonne lacht in der Provence
Zum Beispiel wandelt sich das Licht: Als Violette schließlich in einem Landhaus in der Provence zu einer Art Zufriedenheit findet, scheint erstmals prachtvoll die Sonne. Die Natur, die zu Filmbeginn grau, schlammig und feindlich wirkte, erblüht in allen Farben. Diese angenehm unspektakuläre Erzählweise lädt dazu ein, die Texte der 1972 verstorbenen Autorin neu zu entdecken.