Joss Whedon

Viel Lärm um Nichts

Beatrice (Amy Acker) und Benedick (Alexis Denisof) sollen verkuppelt werden. Foto: Edel:Motion Film
(Kinostart: 24.7.) Liebeshändel unter Hollywood-Schauspielern: Regisseur Joss Whedon verfilmt eine turbulente Shakespeare-Komödie in Schwarzweiß. Die Aktualisierung als ewig charmante Cocktail Party wirkt als Sittenbild reichlich halbseiden.

„Viel Lärm um Nichts“ – der Titel ist sprichwörtlich geworden. Doch worum geht es in Shakespeares 400 Jahre alter Komödie eigentlich? Nun ja: Es wird bei Hofe fleißig getändelt und intrigiert, bis sich alles in Wohlgefallen auflöst.

 

Info

 

Viel Lärm um Nichts

 

Regie: Joss Whedon,

109 Min., USA 2014;

mit: Amy Acker, Alexis Denisof, Clark Gregg

 

Website zum Film

 

Don Pedro (Reed Diamond), Prinz von Aragon, hat gegen seinen rebellischen Bruder Don Juan einen siegreichen Feldzug geführt. Nun verweilt er mitsamt Gefolge auf dem Anwesen von Leonato, dem Gouverneur von Messina. Claudio (Fran Kranz), die rechte Hand von Don Pedro, wirbt um Leonatos Tochter Hero (Jilian Morgese). Dagegen reibt sich der Offizier Benedikt (Alexis Denisof) in Wortgefechten mit der schlagfertigen Beatrice (Amy Acker) auf.

 

Erst verstoßen, dann rehabilitiert

 

Claudio und Hero wollen rasch heiraten. Kurz vor der Hochzeit sorgt der finstere Don Juan dafür, dass Hero als leichtes Mädchen dasteht; sie wird erst von Claudio und dann von der gesamten Männergesellschaft verstoßen. Als der Betrug auffliegt, wird sie ebenso schnell wieder aufgenommen.

Offizieller Filmtrailer


 

Weder Brüche noch Sinneswandel plausibel

 

Auch Benedikt wird Opfer einer höfischen Intrige: Als Zeuge eines nur für ihn inszenierten Gesprächs erfährt er von Beatrices angeblicher Zuneigung. Sogleich entbrennt er selbst in inniger Liebe, beendet den intellektuellen Schlagabtausch und wirbt um ihr Herz. Sie fordert zwar von ihm als Liebesbeweis, den herzlosen Claudio zu töten. Doch solch grausame Tat ist bald glücklicherweise nicht mehr nötig. Was sich neckt, das liebt und küsst sich.

 

Das ist alles nett und gefällig – aber auch arg eingängig. Shakespeares Psychologie kann weder innere Brüche noch überraschende Sinneswandel der Figuren plausibel vermitteln. Warum der scheinbar eingefleischte Junggeselle Benedikt und die widerborstige Beatrice im Nu einander zugetan sind, bleibt ihr Geheimnis.

 

Über alles hinweg gelogen

 

Ebenso unverständlich bleibt, warum Claudio – der mehr auf die Mitgift als seine künftige Braut schaut – wieder herzlich aufgenommen und entschuldigt wird, obwohl er zuvor seine Gemahlin in spe brutal geächtet hat. Oder warum die Verstoßene alles schnell vergisst und ihrem Vater selbstverständlich verzeiht. Oder wie sich nach tiefer Erschütterung aller Beziehungen plötzlich wieder sonnige Stabilität einstellt. Hier wird, wenn man argwöhnisch hinsieht, über wirklich alles hinweg gelogen.

 

Darum kann man Joss Whedons Adaption des Werkes, die er schon 2012 in nur zwölf Tagen mit kleinem Stab gedreht hat, sehr angemessen finden. Der Regisseur hat bislang vor allem Serien, Horror und Comics verfilmt. Bei der Action-Großproduktion „Marvel’s The Avengers“ entspannte er mit Shakespeare und aktualisierte in Arbeitspausen den barocken Stoff in Schwarzweiß.

 

Alles geht schnell und spurlos vorüber

 

Das low budget movie entstand in Whedons eigenem Haus in Santa Monica; es transportiert einen sommerlichen Spaß unter gut aussehenden Freunden, wie auf einer ewigen cocktail party. Jede Überzeugung ist luftig und leicht, jedes Gefühl geht schnell und spurlos vorüber – von der Liebe über die Verzweiflung bis hin zum Hass.

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Words & Pictures" - Literatur-Screwball-Komödie von Fred Schepisi mit Juliette Binoche + Clive Owen

 

und hier einen Bericht über den Film “Der Dieb der Worte” – Hochstapler-Thriller im Literaturbetrieb von Brian Klugman + Lee Sternthal

 

und hier einen Beitrag über den Film "Anonymus"  - Literatur-Thriller über Shakespeare von Roland Emmerich.

 

Die Intrige funktioniert, weil niemand genauer hinsieht oder nachdenkt. Wenn überhaupt etwas Dunkles darunter liegt, dann sind es Laster wie blinder Ehrgeiz, Dummheit, Eitelkeit und Mangel an Menschenkenntnis Darin kann man Niveau vermuten oder es auch bleiben lassen. Mehr verlangt eine cocktail party nicht. Das passt und ist in Ordnung.

 

Mafia-Sitten auf cocktail party

 

Allerdings ist auch einiges weniger stimmig; vor allem die Übertragung in die Gegenwart gelingt im Grunde nicht. Wenn statt Kutschen nun dicke schwarze Limousinen anrollen, fesche Anzugträger mit Sonnenbrillen aussteigen und stets hordenweise auftreten, dann wird das Höfisch-Militärische wahlweise großmäulig oder mafiös.

 

Wenn in der Gegenwart Claudios Interesse an einem üppigen Erbe als legitimes Motiv für seinen Heiratswunsch durchgeht oder die Ehre der Braut als höchstes gesellschaftliches Gut verhandelt wird, so ist man im falschen Film – oder definitiv bei der Mafia. Und eine Duellforderung mit Pistole im Halfter ist heute nicht mehr unter Ehrenmännern üblich, sondern, wenn überhaupt, nur noch unter Verbrechern. Der neue Kontext verleiht Shakespeares Sprache sehr halbseidene Bedeutungen.

 

Medialer Lärm um fast nichts

 

Natürlich kann man das Unstimmige auch sehr richtig finden: als Aufruf, die Distanz von einst und jetzt zu ermessen und Scheinvertrautes wieder fremd zu sehen. Dabei helfen die gut aufgelegten Schauspieler, die mit sichtbarer Spielfreude zu Werke gehen. Doch sie wirken nur ganz nett und mäßig unterhaltsam; in einer Verzerrung nicht des besten Stückes vom größten aller Dramatiker. Etwas medialer Lärm um fast nichts.