
Symbolträchtiger könnte der Anfang kaum sein: Schwer schnaufend stapft Martin Schläpfer auf Naturstein-Stufen den steilen Berghang hinauf – zu seiner Einsiedler-Ferienhütte hoch oben im Valle Maggia im südschweizerischen Tessin, wie man später erfährt. Die Kamera verweilt auf seinen kräftigen Waden, die sich unablässig an- und entspannen: Leben und Kunst als unaufhörliche Bewegung und nimmermüdes Bemühen – der Weg ist das Ziel.
Info
Feuer bewahren –
nicht Asche anbeten
Regie: Annette von Wangenheim,
85 Min., Deutschland 2015;
mit: Martin Schläpfer, Hans van Manen, Gert Weigelt
Tanz für die große Leinwand
Anlass für ein Porträt in bewegten Bildern; Regisseurin Annette von Wangenheim ist auf Dokumentarfilme über Ballett und Klassik spezialisiert, meist als Auftragsproduktionen für TV-Sender. Dass „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“ ins Kino kommt, erklärt sich durch die eingebetteten Tanz-Szenen: Sie entfalten ihre Faszination am ehesten auf der Leinwand.
Offizieller Filmtrailer
Avantgarde-Klangcollage als Finale
Ausgiebig zeigt die Regisseurin Auszüge von Aufführungen an der Deutschen Oper am Rhein: ein aufwändiges Ballett zur „Symphonie Nr. 2“ von Johannes Brahms, das Stück „ein Wald, ein See“, das Schläpfer in seiner Tessiner Bergeinsamkeit entwickelt hat, und das Tanz-Solo „Alltag“, das die niederländische Choreografie-Legende Hans von Manen seinem Freund auf den Leib geschrieben hat.
Außerdem wählt von Wangenheim als grande finale Bilder von Proben und Premiere des Stücks „Deep Field“; Schläpfer hat es zur atonalen Geräuschcollage der zeitgenössischen Komponistin Adriana Hölsky choreografiert. Eine mutige Entscheidung, sowohl für den Spielplan wie den Film: Die sperrigen Klänge der Avantgarde-Tonsetzerin anschaulich in Schrittfolgen zu übertragen, dürfte nicht leicht sein – zumal Hölsky sehr anspruchsvoll auftritt.
Wände mit Sponti-Parolen beschmieren
Hintergrund
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Natürlich dürfen auch Mitarbeiter und Wegbegleiter nicht fehlen, von der Primaballerina seiner Compagnie bis zum etablierten Tanzfotografen Gert Weigelt: Sie ergehen sich in branchenüblich begeisterten Lobhudeleien, die dankenswerterweise die Schmerzgrenze nicht überschreiten. Schläpfer wirkt auch zu geerdet und unprätentiös, um derlei nötig zu haben.
Berufsgeheimnis bleibt gewahrt
Häufige Orts- wie Themenwechsel und gutes Gespür für Rhythmus machen den Film lebendig und abwechslungsreich. Nur das Berufsgeheimnis, wie ein Choreograf seine Überlegungen in Bewegungsabläufe umsetzt und auf die Bühne bringt, wird nicht enthüllt.
Schläpfer selbst kann es nicht in Worte fassen, und die Regisseurin findet trotz geduldiger Proben-Beobachtung dafür keine Bilder. Was den Wert ihres Porträts nicht schmälert: Selten bringt ein Dokumentarfilm modernen Tanz, die zugleich körperlichste und abstrakteste aller Bühnenkünste, dem Zuschauer so nahe.