Matt Damon

The Great Wall

Showdown an der Großen Mauer: Die chinesische Armee setzt Feuer-Schleudern ein. Foto: Universal Pictures Germany
(Kinostart: 12.1.) Völker, hört die Signale – auf zum letzten Gefecht: Am Schutzwall der chinesischen Mauer retten Elite-Krieger und Matt Damon die Welt vor gefräßigen Monstern. Regisseur Zhang Yimou prunkt mit Schauwerten und globaler Action-Kino-Formel.

Die Volksrepublik China ist mittlerweile der größte Kinomarkt der Welt; die Kooperation zwischen US-amerikanischen und chinesischen Filmstudios, die zuletzt Kassenerfolge wie „Kung-Fu Panda 3“ und „Die Unfassbaren 2“ hervorbrachte, treibt immer tollere Blüten. Das ist wörtlich zu verstehen im ersten englischsprachigen Film von Regisseur Zhang Yimou; er gewann 1987 mit „Das Rote Kornfeld“ einen Goldenen Bären und 2003 einen Golden Globe für „Hero“.

 

Info

 

The Great Wall

 

Regie: Zhang Yimou,

104 Min., China/ USA 2016;

mit: Matt Damon, Tian Jing, Willem Dafoe, Andy Lau

 

Website zum Film

 

Nachdem mehrere Hollywood-Historienfilme in der blockbuster-Königsdisziplin IMAX 3D wie „Pompeii“ (2014) und „Quo Vadis“ (2016) enttäuschten, bietet „The Great Wall“ in der Tat tolle popcorn-Unterhaltung, die beweist: Das Zusammentreffen von chinesischen special effects-Experten mit US-Kollegen schlägt Funken. Was weniger an den Darstellern liegt, die ihre schlicht gezeichneten Charaktere praktisch auf Autopilot agieren lassen, sondern an der flotten Dramaturgie, den psychedelischen Bildern und dem wohldosierten action-Feuerwerk.

 

Skript + Star aus den USA

 

Das schlanke Drehbuch und Hauptdarsteller Matt Damon stammen aus den USA. Sein love interest Tian Jing als Kriegerin Liu, der Regisseur, etliche Nebenfiguren und sämtliche Komparsen sind chinesisch; ebenso Landschaft, Kampfkunst, Ästhetik und natürlich das thematische Zentrum des Ganzen: Die Große Mauer – bekanntlich erbaut, um mongolische Steppenkrieger in Schach zu halten, die das Kaiserreich von Norden her bedrohten.

Offizieller Filmtrailer


 

Allesfresser-aliens als Gottesstrafe

 

Oder gab es noch andere Gefahren, die das Bollwerk nötig machten?  Der Film suggeriert es und spinnt sogleich sein Legenden-Garn: Abenteurer aus dem Westen schlagen sich auf der Suche nach Schwarzpulver bis in die Wüste Gobi durch. Eines Nachts attackiert sie ein nichtmenschlicher Jäger, der vom Engländer William Garin (Matt Damon) einen Abhang hinabgestürzt wird. Übrig bleibt eine abgeschlagene Klaue; die scheint nicht von dieser Welt.

 

Als William und sein Begleiter Tavor (Pedro Pascal) kurz darauf eine gigantische Mauer erreichen und von dort stationierten Elite-Soldaten gefangen genommen werden, bestätigt sich ihre Vermutung: Der kommandierende General Shao erzählt ihnen, dass ein Komet einst als eine Art Gottesstrafe Massen von unheimlichen aliens auf die Erde brachte. Diese „Tao Tei“ attackieren alle 60 Jahre die Mauer und fressen alles, was nicht entkommen kann, um damit ihre Königin durchzufüttern. All das, um die Herrscher daran zu erinnern, was krankhafte Gier auslösen kann.

 

150 Millionen US-Dollar Budget

 

Davon unbeeindruckt wollen sich die beiden Haudegen bei der erstbesten Gelegenheit mit dem begehrten Schwarzpulver aus dem Staub machen. Helfen soll ihnen Glücksritter Ballard (Willem Dafoe), der schon vor 25 Jahren an der Mauer gestrandet ist. Ihr Plan geht auf – doch im letzten Moment erliegt William der Überzeugungskraft der schönen Liu und schließt sich dem Kampf gegen die Tao Tei an.

 

Die spektakuläre Endschlacht, farbenprächtige Bilder aus einer fantastischen Wüste Gobi und die Hingabe, mit der die unglaublichsten Kriegstechnologien in Szene gesetzt werden, machen freilich vier Fünftel des Schauwertes aus: Der Film verschlang die selbst für chinesische Verhältnisse enorme Summe von 150 Millionen US-Dollar. Was bleibt darüber hinaus an Mehrwert?

 

Bedroht vom zentral gesteuerten Insektenstaat

 

Vielleicht sein heimlicher Hauptdarsteller; heutzutage träumt nicht nur Donald Trump von Mauern. Das Motiv des Schutzwalls, der von anbrandenden Massen attackiert wird, spielte zuletzt auch eine wichtige Rolle in der fantasy-Serie „Game of Thrones“ (seit 2011) oder der zombie-Apokalypse „World War Z“ (2013). Stets geht es darum, eine andere Spezies vom eigenen Hoheitsgebiet fernzuhalten.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Assassin"Meta-Martial-Arts-Historienfilm aus Taiwan von Hou Hsiao-Hsien, Beste Regie in Cannes 2016

 

und hier eine Besprechung des Films „The Grandmaster“ – ästhetisiertes Martial-Arts-Epos aus Hongkong von Wong Kar-Wai

 

und hier einen Bericht über den Film "Drachenmädchen" – Doku über den Drill an Chinas größter Kampfkunst-Schule von Inigo Westmeier

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Isaac Julien – Ten Thousand Waves" – beeindruckende Neun-Kanal-Videoinstallation im Wuxia-Stil im Museum Brandthorst, München

 

Diese Bedrohung hat – wie auch in „The Great Wall“ – immer dieselben Eigenschaften: eine uniforme Masse, alles verschlingend und vernichtend, zentral gesteuert in der Art eines Insektenstaates. Als jüngste Inkarnation des Angsttraums der Besitzenden: ihrer uralten Furcht vor Strömen und Fluten.

 

Schlüsselwort Vertrauen

 

Das wird offenbar in China nicht als Kritik am Sozialismus gewertet, die dort ohnehin seit November 2016 gesetzlich verboten ist. Vielleicht, weil es sich bei den Verteidigern der Mauer um wahre Mustersozialisten handelt. Diesen Elite-Kriegern gelingt es sogar, einen moralisch verkommenen, mit seinem Ungestüm aber nützlichen Individualisten aus dem Westen zu integrieren. Das Schlüsselwort heißt: Vertrauen.

 

So konstruiert der Film ein gemeinsames Narrativ aus Kollektivismus und Individualismus, und verbindet erfolgreich die Film-Traditionen in Ost und West – um den gesamten globalen Kino-Markt abdecken zu können. Blockbuster, die das anstreben, müssen die Zensurbehörde der Volksrepublik passieren: Sie lässt jährlich nur 34 ausländische Filme auf chinesische Leinwände.

 

Verdammte Monster dieser Erde

 

Daher bleibt in „The Great Wall“ die Beziehung der beiden Hauptdarsteller William und Liu kusslos und keusch. Wenn aber der Systemkonflikt im Kino auf diese Art symbolisch befriedet wird, wen repräsentieren dann die unglaublich hässlichen und gefräßigen Tao Tei-Monster?

 

Sie könnten für die islamistische Bedrohung stehen – oder auch, wie einst im Kalten Krieg, für die nördlich von China lebenden Russen. Oder schlicht für die namenlosen, von der Verwertungslogik des Spätkapitalismus aussortierten Verlierer; die „Verdammten dieser Erde“. So oder so: kein gutes Zeichen.