Eine Nischenexistenz im heutigen Iran: Reza (Reza Aklaghirad) hat früher in Teheran studiert, wurde aber wegen regimekritischer Proteste aus der Uni geworfen. Nun lebt er mit seiner Frau Hadis (Soudabeh Beizaee) und ihrem gemeinsamen Sohn im steppenhaften Nordiran; ihr komfortables Haus ist das einzige weit und breit.
Info
A Man of Integrity – Kampf um die Würde
Regie: Mohammad Rasoulof,
117 Min., Iran 2017;
mit: Reza Akhlaghirad, Soudabeh Beizaee, Nasim Adabi
Prügelei um Wasserzufuhr
Es schickt seinen Mann fürs Grobe vor: Abbas und seine Söhne bereiten Reza viel Ärger. Erst verstopfen sie die Wasserleitung zu den Teichen; als der Fischzüchter sich deshalb mit Abbas prügelt, simuliert dieser einen gebrochenen Arm und bringt dadurch Reza hinter Gitter. Hadis‘ Versuch, mit Drohungen gegen Abbas‘ schulpflichtige Tochter ihren Vater unter Druck zu setzen, geht schief.
Offizieller Filmtrailer OmU
Alle Rasoulof-Filme im Iran gebannt
Dann vergiftet Abbas die Fischschwärme; Reza ist ruiniert, kann einen Bankkredit nicht mehr zurückzahlen und erwägt einen Notverkauf seiner gesamten Habe – doch das Unternehmen bietet ihm dafür nur den halben Marktpreis an. All das wäre nicht passiert, hält ihm seine pragmatische Frau vor, wenn er sich auf das ortsübliche Geben und Nehmen eingelassen hätte: hier und da etwas Schmiergeld zahlen, um alle Lokalgrößen gewogen zu stimmen. Doch das lehnt Reza ab; stattdessen wehrt er sich mit einer trickreichen Intrige.
Konflikte zwischen individueller Moral und gesellschaftlicher Ordnung stehen stets im Zentrum der Filme von Mohammad Rasoulof, der Ingmar Bergman als Vorbild nennt. Das ist in der Islamischen Republik Iran verwegen; keiner der sechs Spielfilme, die Rasoulof seit 2005 gedreht hat, darf in seiner Heimat öffentlich gezeigt werden.
Filmen trotz Hausarrest + Berufsverbot
Zudem wurde er mit seinem Regie-Kollegen Jafar Panahi 2010 verhaftet, weil sie gemeinsam an einem Film über die Proteste nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen im Vorjahr arbeiteten, und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Die Strafe wurde später auf ein Jahr reduziert und bislang nicht vollzogen bzw. in Hausarrest oder Berufsverbot umgewandelt.
Beide filmten jedoch weiter: Panahi wählte listig kaum einsehbare Drehorte wie eine Wohnung („This is not a film“, 2011), ein Privatauto („Taxi Teheran“, Berlinale-Sieger 2015) oder ein abgelegenes Bergdorf („Drei Gesichter“, 2018). Rasoulof spitzte von der Zensur genehmigte Skripte bei den Dreharbeiten zu: In „Good Bye“ (2011) wird einer jungen Frau grundlos die Ausreise verweigert; in „Manuscripts don’t burn“ (2013) ermorden Geheimdienst-Schergen Dissidenten. Beide Filme liefen wie „A Man of Integrity“ in der Cannes-Nebenreihe „Un Certain Regard“ und wurden mit Preisen ausgezeichnet.
Polizei als Hilfstruppe für Schlagabtausch
In den beiden Vorgängerfilmen konfrontierte der Regisseur Einzelne mit den Staatsorganen; diesmal wendet er sich der Zivilgesellschaft zu. Dabei spielt die Polizei nur eine Nebenrolle; da sie nicht weniger korrupt ist als die übrigen Akteure, wird sie zur Hilfstruppe für deren Schlagabtausch im rechtsfreien Raum.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Manuscripts don't burn" - lakonische Parabel über Geheimdienst-Morde im Iran von Mohammad Rasoulof
und hier das Interview “Filme im Gefängnis machen” mit Regisseur Mohammad Rasoulof über seinen Film “Good Bye“, eine Auswanderungs-Parabel in Teheran
und hier einen Beitrag über den Film "Drei Gesichter" - gelungen vielschichtiges Road-Movie in der iranischen Provinz von Jafar Panahi
und hier einen Bericht über den Film "Jahreszeit des Nashorns" – brilliantes Polit-Psychodrama über Exil-Iraner in der Türkei von Bahman Ghobadi.
Langsamer Konflikt, rasche Rache
Das inszeniert Rasoulof gewohnt malerisch: mit sorgsam kadrierten Einstellungen von stimmungsvollen Settings in delikaten Farbkontrasten – ganz in der ästhetischen Tradition iranischer Autorenfilme. Allerdings ist das Drehbuch nicht genauso ausgefeilt: Die Seelenqualen eines mit sich ringenden Moralisten drückt Hauptdarsteller Reza Aklaghirad nur durch düster brütendes Starren aus.
Seine einzige Freude ist, heimlich eine Art Wassermelonen-Likör anzusetzen, den er allein in einem Höhlen-Schwitzbad verkostet – was für Außenstehende ebenso wenig verständlich wird wie letztlich der Ablauf seines Rachefeldzugs. Den handelt der Regisseur arg summarisch ab, während er sich vorher für die Entfaltung der Interessengegensätze sehr viel Zeit nimmt.
Zwischen den Wolfsrudeln
Doch das mindert nicht den Erkenntniswert dieses Einblicks ins Netz aus informellen Abhängigkeiten, das die Lebensweise in den meisten Weltgegenden bestimmt – was Bürger von funktionierenden Rechtsstaaten mit unbestechlichen Polizisten und neutralen Richtern sich kaum vorstellen können. Andernorts gilt: mit den Wölfen heulen, oder von ihnen das Maul gestopft bekommen. Bestenfalls kann man ein Rudel gegen das andere ausspielen – wie Reza am Ende erfährt.