Keira Knightley

Niemandsland – The Aftermath

Stefan (Alexander Skarsgård) und Rachel (Keira Knightley). Foto: © 2019 Twentieth Century Fox
(Kinostart: 11.4.) Das Führerporträt durch ein Aktgemälde ersetzen: Im Nachkriegs-Hamburg beginnt Keira Knightley als britische Offiziersgattin eine Affäre mit einem Deutschen. Aus der komplexen Konstellation macht Regisseur James Kent eine dürftige Schmonzette.

Endlich: Der nächste Historienfilm mit Keira Knightley in edlen Kostümen ist da! Diesmal wurden rund um Knightleys gewohnt perfekt ausgewählte Garderobe gleich zwei brisante Stoffe in eine noch brisantere Phase der deutschen Geschichte übertragen: „Der Feind in meinem Haus“ (1996) und – daraus folgerichtig abgeleitet – „Der Feind in meinem Bett“( 1991) werden in „Niemandsland“ zu einem Liebesdrama in den Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg vereint.

 

Info

 

Niemandsland -
The Aftermath

 

Regie: James Kent,

109 Min., Großbritannien/ Deutschland/ USA 2019;

mit: Keira Knightley, Alexander Skarsgård, Jason Clarke

 

Weitere Informationen

 

Die Handlung spielt 1946 in Hamburg. Rachael (Keira Knightley) zieht aus England zu ihrem Mann Lewis (Jason Clarke), dem Befehlshaber in der von britischen Truppen kontrollierten Stadt. Ihre Ehe hat durch die räumliche Trennung gelitten, ihr Sohn kam bei einem deutschen Bombenangriff auf London ums Leben, die Trauer konnten sie nicht gemeinsam bewältigen. Ausgerechnet in Nachkriegsdeutschland wollen sie ihre Beziehung nun wieder kitten.

 

Trümmerfrauen finden Menschenreste

 

Das kann heiter werden: Hamburg liegt in Schutt und Asche, was die Kamera wiederholt – und beinahe genießerisch – aus überwältigenden Vogelperspektiven einfängt. Die Trümmerfrauen da unten finden bei ihrer Arbeit noch regelmäßig menschliche Überreste. Die Versorgungslage ist dramatisch schlecht. In halb zerfallenen Kellern hausen Nazibanden, die Anschläge auf das britische Militär verüben. Jeder Straßenjunge könnte ein Mörder sein.

Offizieller Filmtrailer


 

Zum Frühstück nur Kaffee, kein Tee

 

Lewis muss sich immer wieder selbst versichern, dass die Alliierten siegreich waren, weil für ihn der Krieg eben nicht wirklich vorbei ist. Er wütet nicht nur in den Kellern weiter, sondern vor allem in den Köpfen der Menschen. Auch außerhalb der Stadt, wo die Welt eigentlich anders aussieht, auch wenn es zum Frühstücksspeck nur Kaffee und keinen Tee gibt. Rachael und Lewis beziehen eine Traumvilla an der Elbe; deren Besitzer, der deutsche Architekt Stephan Lubert (Alexander Skarsgård), ist enteignet worden.

 

Lubert war kein Parteimitglied, aber zumindest Opportunist und Mitläufer. Jetzt ist er Fabrikarbeiter, versteht sich aber vor allem als Modernist, der sich für Bauhaus-Möbel und funktionale Bauweise begeistert. Seine Frau kam bei den britischen Luftangriffen auf Hamburg ums Leben. In Süddeutschland will er für sich und seine pubertierende Tochter ein Haus und damit ein neues Leben aufbauen. Er wartet nur noch auf den Persilschein der Entnazifizierungsbehörde.

 

Ridley Scott lebte als Kind in Deutschland

 

Lewis wiederum versteht sich als Humanist, der dem Architekten und seiner Tochter gestattet, auf dem Dachboden des eigenen Hauses wohnen zu bleiben, anstatt, wie eigentlich vorgesehen, in ein Lager zu ziehen. Zwei Männer, eine Frau, die Erschütterungen des Krieges – was könnte da wohl passieren?

 

Mit Jason Clarke und Alexander Skarsgård neben Keira Knightley ist „Niemandsland“ in den Hauptrollen des Liebesdreiecks prominent besetzt. Ridley Scott, der nach dem Krieg als Kind zeitweise in Deutschland lebte, agiert als ausführender Produzent. Die Regie übernahm James Kent, der bisher vor allem historische Stoffe für das britische Fernsehen aufbereitet hat. Dieser Film beruht auf einem 2013 erschienenen Roman des walisischen Schriftstellers Rhidian Brook, den dieser an Erlebnisse seines Großvaters angelehnt hat.

 

In den Nachwehen des Krieges

 

Regisseur Kent lässt das Potenzial der Konstellation zu Anfang aufblitzen: die Überlagerungen und Verkehrungen von Befreiung und Besatzung, die Spiegelungen der Verbundenheit in Feindschaft. Die beiden Rumpffamilien aus England und Deutschland sind vereint durch ein ähnliches Schicksal; beide kämpfen mit Traumata und wollen einen Neuanfang.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films  "Churchill" – brillantes Biopic über Skrupel des britischen Premiers vor der Normandie-Invasion 1944 von Jonathan Teplitzky

 

und hier eine Besprechung des Films "Dunkirk" - Materialschlacht-Kriegsfilm über die Evakuierung der britischen Armee 1940 von Christopher Nolan 

 

und hier einen Bericht über den Film "Allied - Vertraute Fremde" - Spionage-Liebesdrama 1942 als "Casablanca"-Fortsetzung von Robert Zemeckis mit Brad Pitt + Marion Cotillard

 

und hier einen Beitrag über den Film "Unter dem Sand - Das Versprechen der Freiheit" – beeindruckendes Drama über deutsche Kriegsgefangene als Minenräumer in Dänemark 1945 von Martin Zandvliet.

 

Das ist eine reizvolle Ausgangslage, die der englische Filmtitel präziser benennt als der deutsche: „The Aftermath“ bedeutet „die Nachwehen“. Was passiert, wenn die Katastrophen schon passiert sind? Wie geht man mit den Folgen des Krieges, dem Verlust der Nächsten und der Zerrüttung emotionaler Beziehungen um?

 

Ex-Feindinnen spielen Debussy

 

Kent verlegt sich dann aber lieber darauf, in hübsch biederem Ton und behäbigem Tempo eine Schmonzette daraus zu stricken – und noch nicht mal eine besonders gute. Dass ausgerechnet die entscheidenden emotionalen Wendungen der Geschichte – etwa der erste Kuss, den Lubert Rachael auf die Lippen presst – wie mit dem Holzhammer gearbeitet wirken und regelrecht in die Szenerie poltern, zeigt eher, dass Kent sich in Genre und Tonfall ziemlich vergriffen hat. Irgendwann sitzen Rachael und Luberts Tochter, eben noch einander hassend, doch plötzlich in gemeinsamem Schmerz vereint, im Salon der Villa am Flügel und spielen zweihändig Debussys „Claire de lune“.

 

In diesem Salon gibt es eine lichte Stelle auf der Tapete; dort hing jahrelang das Führerporträt. Rachael findet den Fleck unschicklich, Lubert verdeckt ihn also mit einem Aktgemälde – von einem deutschen Maler, wie er trotzig anmerkt. Das ist, in einer Szene, das Programm dieses Films: Eine Romanze übertüncht den Hass zwischen verfeindeten Lagern. Damit danach alle wieder ihrer Wege gehen können, gerade so wie vor der Katastrophe. Bei all dem historischen Ballast, den der Film doch eigentlich auffährt, ist das nicht nur eine reichlich unterkomplexe Auflösung, sondern auch eine ärgerlich restaurative.