Vincent Cassel + Romain Duris

Die Drei Musketiere – D’Artagnan

D'Artagnan (François Civil) kämpft gegen einen Kuttenträger. Foto: Constantin Film
(Kinostart: 13.4.) Einer für alle, alle für einen: Alexandre Dumas’ unverwüstlicher Abenteuerroman ist etliche Male verfilmt worden. Die neueste, zweiteilige Version von Regisseur Martin Bourboulon besticht durch naturalistische Ästhetik und differenzierte Charaktere – sogar Milady ist mehr als nur intrigant.

Wiedersehen mit alten Vertrauten: „Die Drei Musketiere“ aus Alexandre Dumas’ Abenteuerroman-Klassiker von 1844 sind mehrere Dutzend Mal verfilmt worden. Nach der ersten französischen Leinwand-Adaption 1921 haben vor allem Hollywood-Regisseure Mäntel und Degen ordentlich schwingen lassen. Am bekanntesten dürfte die Verfilmung durch Richard Lester von 1973 sein, die das Genre mit albernen Verfolgungsjagden und flotten Sprüchen parodierte.

 

Info

 

Die Drei Musketiere – D'Artagnan 

 

Regie: Martin Bourboulon,

121 Min., Frankreich/ Deutschland/ Spanien 2023;

mit: Vincent Cassel, Romain Duris, François Civil, Eva Green, Vicky Krieps

 

Weitere Informationen zum Film

 

Die jüngste Version von 2011 mit viel CGI-Aufwand und Getöse schuf Paul W.S. Anderson; er ist ansonsten auf Computerspiel-Verfilmungen wie „Mortal Kombat“ und „Resident Evil“ spezialisiert. Nun kommt ein neuer Musketier-Film ins Kino, diesmal wieder in Frankreich gedreht. Im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger verfolgt Regisseur Martin Bourboulon einen ernsthafteren Ansatz. Anfangs führt eine Schrifttafel in die politische Lage von 1627 ein: Katholiken streiten mit Protestanten, gegen den König werden Intrigen geschmiedet.

 

Scheintoter rettet Familienbibel

 

Dann reitet D’Artagnan (François Civil) durch eine feuchte Aue gen Paris, um in die Fußstapfen seines Vaters als Musketier zu treten. Dabei kommt er zwei sich bekämpfenden Gruppen in die Quere, wird angeschossen und gemeinsam mit den Toten des Scharmützels begraben. Kurz darauf ist zu sehen, wie ein Arm aus dem lockeren Erdreich ragt: Der junge Mann hat die Familienbibel im Taschenbuchformat gerettet.

Offizieller Filmtrailer


 

Speckige Hemdkragen + stinkende Straßen

 

Beim weiteren Verlauf der Geschichte halten sich Regisseur Bourboulon und sein Drehbuch-Autorenduo weitgehend an die Romanvorlage, insbesondere an deren düsteren Unterton. Schließlich spielt sich alles im Zeitalter der Religionskriege ab; in Deutschland wütete von 1618 bis 1648 der Dreißigjährige Krieg. Diese Atmosphäre spiegelt sich auch in der Bildsprache und Ausstattung wider, die in eher dunklen Tönen gehalten ist.

 

Die Kragen der Spitzenhemden sind recht speckig, die Wämser der Akteure schlammverkrustet. Von Unrat bedeckte Straßen scheinen förmlich zu stinken – nur die gepflegten Zähne der Hauptdarsteller stechen etwas unpassend aus der sonst sehr naturalistisch hergerichteten Szenerie hervor. All das trägt heutigen Sehgewohnheiten Rechnung, die durch historisierende Fantasy-Serien à la „Game of Thrones“ geprägt sind.

 

Erst Fechtduelle, dann Treuebund

 

Das macht sich auch in der Kameraführung mit schnellen Schnitten und durchchoreografierten, hautnah gefilmten Fechtszenen bemerkbar. Sie finden nicht an touristisch interessanten Orten, sondern eher auf engen Straßen voller Moder oder im nebligen Wald statt. Allein schon durch diese Ästhetik hebt sich Bourboulons Version von früheren ab; zudem nimmt sie sich auch bei der Dramaturgie einige Freiheiten.

 

Der Hauptstrang der Handlung bleibt jedoch nah an Dumas’ Vorgaben: D’Artagnan kommt nach Paris, wo er Duelle mit den anderen drei Degenvirtuosen ausfechten muss; danach wird er in ihren Bund aufgenommen. Nun hagelt es Probleme. Zunächst fällt Athos (Vincent Cassel) einer Intrige zum Opfer, weshalb er – anders als im Buch – die meiste Zeit des Films im Kerker zubringt.

 

König wird auf-, Kardinal abgewertet

 

Hintergrund

 

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D’Artagnans Angebetete Constance Bonacieux (Lyna Khoudry) schlägt sich erfolgreich als Vermieterin allein durch, ohne ihren trotteligen alten Ehemann. Und König Louis XIII., den Louis Garrel unergründlich verkörpert, ist nicht nur eine Marionette von Kardinal Richelieu, der selbst kaum auftaucht, sondern ein Staatsmann, der große Herausforderungen meistern muss. Daher kann er sich nur nebenbei um die Seitensprünge seiner untreuen Gattin Anna von Österreich (Vicky Krieps) kümmern. Die Jagd der Musketiere nach dem Diamantcollier, das sie ihrem Geliebten Graf Buckingham geschenkt hat, findet nur in geraffter Form statt – wichtiger ist, Athos zu befreien.

 

Anstelle einer buchstabengetreuen Nacherzählung der Geschichte setzt Bourboulon andere Akzente. So lässt er beispielsweise Kampfszenen im Off stattfinden und zeigt stattdessen lieber die Angst in den Gesichtern der Beobachter. Auch gibt er der Charakterisierung der Musketiere viel Raum. Athos erscheint als gequälter, einsamer grauer Wolf. Romain Duris trägt als Aramis verführerisch extravagante Leder-Klamotten wie ein Rockstar, ist aber auch reflektiert.

 

Lederhosen unterm Reifrock

 

Etwas blass bleibt Porthos (Pio Marmaï), während François Civil als D’Artagnan alle Facetten eines unverfrorenen Jungspunds durchspielen kann. Erfreulich nuanciert und eigenständig werden überdies alle Frauenfiguren charakterisiert. Vor allem Milady (Eva Green): Sie tritt nicht nur als skrupellos intrigante Femme fatale auf, sondern darf auch andeuten, wie verletzbar sie ist – trotz ihrer emanzipierten Aufmachung mit Hosen aus Leder unterm Reifrock.

 

Dieser Aspekt gibt einen Vorgeschmack auf den zweiten Teil des Historien-Epos, der Mitte Dezember im Kino anlaufen soll. Ob das Publikum ihm mit Spannung entgegenfiebern wird, muss sich zeigen. Auf jeden Fall kann diese Adaption des Stoffes allemal mit ihren Vorgängern mithalten.