Franck Dubosc

Die Rumba-Therapie

Für die Rumba Übungen mit der Nachbarin Fanny ( Marie-Philomène Nga) braucht Tony (Franck Dubosc) viel Bewegungsfreiheit. Foto: Neue Visionen Filmverleih
(Kinostart: 22.6.) Tanz als Familien-Therapie: Ein Grobian erlernt die Feinheiten der Rumba, damit seine vernachlässigte Tochter ihn in ihren Tanzkurs aufnimmt. Rhythmusseliges Rührstück von und mit Frank Dubosc, dessen Hauptfigur sich trotz aller Tanzschritte kaum bewegt.

Toni (Franck Dubosc) ist ein einsamer Wolf, wie er im Buche steht. Seine gebohnerten Stiefel sind ihm wichtiger als Familie, Partnerschaft oder überhaupt Gesellschaft. Seit Jahren träumt der Mittfünfziger davon, nach Amerika auszuwandern. Dort werde er sich, glaubt er, in völliger Freiheit endlich ganz entfalten können. Bis es soweit ist, baut er seinen Englisch-Wortschatz mit Filmzitaten und groben Flüchen aus, woran er die Kinder ausführlich teilhaben lässt, die er morgens im Schulbus durch die Pariser banlieue chauffiert. Ihre Schicksale und Sorgen sind die einzigen, die ihm persönlich nahegehen.

 

Info

 

Die Rumba-Therapie

 

Regie: Franck Dubosc,

103 Min., Frankreich 2022;

mit: Franck Dubosc, Louna Espinosa, Michel Houellebecq

 

Weitere Informationen zum Film

 

Dann erleidet er unter wenig würdevollen Umständen einen Herzinfarkt und entgeht dem Tod nur knapp. Fortan hat Toni andere Probleme. Kein Wunder: Das Erste, was er beim Erwachen sieht, ist das verlebte Gesicht des behandelnden Arztes – verkörpert vom französischen Skandal-Schriftsteller und Star-Misanthropen Michel Houellebecq, der in dieser Gastrolle sein sorgsam gepflegtes Image als Sonderling voll ausleben kann.

 

Masturbieren als Überlebensstrategie

 

Ausgerechnet er rät Toni, weniger zu rauchen, sein Herz in Schwung zu bringen – am besten durch häufiges Masturbieren – und dafür Sorge zu tragen, dass bei seinem Ableben jemand seine Beerdigung organisieren wird. Doch wer stünde ihm nahe? Da erinnert sich Toni an eine Frau, die er einst verlassen – und ihre gemeinsame Tochter, um die er sich nie gekümmert hat.

Offizieller Filmtrailer


 

Verwandlung vom Saulus zum Paulus

 

Wie sich herausstellt, unterrichtet Tochter Maria (Louna Espinosa) mittlerweile Rumba für Fortgeschrittene an einer Tanzakademie in Paris. Um sie kennenzulernen, muss sich Toni also in ein Milieu begeben, das kaum weiter von seinen Lebensgewohnheiten entfernt sein könnte. Bald findet er heraus, dass es neben der kubanischen Rumba auch eine kongolesische Variante gibt. Deshalb bittet er seine schwarze Nachbarin Fanny (Marie-Philomène Nga) um Hilfe, für die er bislang nur Verachtung übrig hatte. Denn um sich Maria anzunähern, will er von ihr in ihren Tanzkurs aufgenommen werden – und dafür muss er trainieren.

 

Bis dahin ist der Film noch relativ witzig samt zahlreichen liebevoll ausgearbeiteten Nebenfiguren. Doch nun mutiert seine Hauptfigur recht schematisch von einem Ekelpaket zu einen deutlich besseren Zeitgenossen – nach dem Muster des Arthouse-Komödienhits „Ziemlich beste Freunde“ von 2011. Dass Tonis Verwandlung vom Saulus zum Paulus sich in vielen Tanzszenen vollzieht, die immer geschmeidiger ablaufen, ist einerseits hübsch anzuschauen.

 

Klischees + Fettnäpchen

 

Andererseits geht im Verlauf der Handlung jedoch zunehmend die Plausibilität verloren; derweil werden alle möglichen Klischees bedient und Fettnäpfchen durchwatet. Eigentlich sind Toni als eingefleischtem Macho prinzipiell Tänzer, nicht in sein Beuteschema passende Frauen, farbige Nachbarn und ihre Sitten zuwider. Erst recht alles, was auch nur annähernd queer sein könnte. Doch natürlich muss er sich nun mit alldem irgendwie anfreunden.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Das Leben ein Tanz" – begeisternde Tragikomödie über die berufliche Neuorientierung einer Ballerina von Cédric Klapisch

 

und hier eine Besprechung des Films "Monsieur Claude und sein großes Fest"französische Multikulti-Komödie von Philippe de Chauveron

 

und hier einen Beitrag über den Film "Yuli" – mitreißendes Biopic über den kubanischen Tänzer Carlos Acosta von Icíar Bollaín.

 

Franck Dubosc ist in Frankreich seit fast zwei Jahrzehnten ein Star, als Schauspieler wie als Regisseur. „Die Rumba-Therapie“ hat er in Personalunion realisiert; dabei stellt er die Befindlichkeiten der von ihm selbst gespielten Hauptfigur in den Mittelpunkt der Inszenierung. Dabei macht sein Toni eine Menge Fehler, die er nach einer Weile zusehends bereut.

 

Ein Fest für alte weiße Männer

 

Dennoch fliegen dem schnauzbärtigen Proleten mit den ungehobelten Umgangsformen sämtliche Sympathien der anderen Figuren nur so zu – warum, erscheint unerfindlich. Denn da Toni seine Mitmenschen vor allem als Steigbügelhalter benutzt, um seine eigenen Ziele zu erreichen, bleibt unklar, weshalb ihn alle mit Samthandschuhen anfassen, unterstützen oder gar lieben und begehren.

 

Der Aufbruch aus erstarrten Rollenmustern durch Tanz, den der Film zeigen will, bleibt daher im Ansatz stecken. Gefallen wird diese Version von Männlichkeit, die um sich selbst kreist und eigene Befindlichkeiten pflegt, vermutlich vor allem den sprichwörtlichen alten weißen Männern: Dieses Rührstück versichert ihnen, dass sie sich keinesfalls verändern und  bewegen müssen. Oder höchstens im Rumbaschritt, wie er in traditionellen Tanzschulen gelehrt wird.