Schon als kleines Mädchen mit Sommersprossen verfolgt Colette McVeigh (Andrea Riseborough) ihre eigenen Ziele. Als ihr Vater ihr Münzen für Süßigkeiten zusteckt, will sie davon lieber Zigaretten kaufen. Tragischerweise schickt sie ihren jüngeren Bruder Sean los, der wie ihre ganze Familie in Belfast lebt.
Info
Shadow Dancer
Regie: James Marsh
100 Min., Irland/UK 2012
mit: Clive Owen, Andrea Riseborough, Gillian Anderson
Bruder befiehlt Bomben-Anschlag
Colette hat inzwischen selbst als allein erziehende Mutter einen Sohn in Seans Alter. 1993 streift sie durch eine U-Bahn-Station in London, um eine Tasche mit einer Bombe abzulegen. Den Auftrag dazu gab ihr älterer Bruder Gerry (Aidan Gillen), nunmehr Oberhaupt der IRA-sozialisierten und nach der Tragödie radikalisierten Familie.
Offizieller Film-Trailer, englisch
Weder Heckenschützen noch Paramilitärs
Doch der Plan fliegt auf. Colette wird verhaftet und vom Inlandsgeheimdienst MI5 vor die Wahl gestellt, entweder für die nächsten 25 Jahre in einem britischen Knast zu verschwinden oder als Spitzel nach Belfast zurückzukehren. Sie denkt eine Nacht darüber nach.
Regisseur James Marsh hat die Spannungen in der nordirischen Gesellschaft zum Thema eines grau verhangenen, äußerst langsam inszenierten Psychothrillers gemacht. Hier stehen weder religiöse noch politische Verwerfungen im Vordergrund, auch keine waffenstarrenden Heckenschützen oder fanatische Paramilitärs.
Konflikt als chronische Krankheit
Stattdessen tragen die Menschen den Konflikt in sich wie eine chronische Krankheit: eine Infektion, die weder behandelbar noch heilbar ist, aber an die man sich wohl gewöhnen kann. Kevin Mulville (David Wilmot) ist sozusagen der Haupt-Virusträger. Er kontrolliert nach dem Führerprinzip die McVeigh-Brüder.
Nachdem Colette von ihrem überraschend langen London-Aufenthalt zurückgekehrt ist und an einer weiteren fehlgeschlagenen Aktion teilgenommen hat, wird sie von Kevin verdächtigt. Eigentlich will er sie exekutieren; im Nebenzimmer lässt er schon Plastikfolie ausrollen, während er sie verhört. Doch er weiß nach langen Jahren im Untergrund auch nicht mehr, wem er trauen kann. Klar ist nur, dass es einen Informanten in den eigenen Reihen geben muss.
Roman-Vorlage des Irland-Korrespondenten
Oder zwei: Der MI5-Mann Mac (Clive Owens), der sich von Colette Informationen erhofft, bekommt seinerseits Zweifel. Seine Chefin (Gillian Anderson alias Agent Scully aus der TV-Serie „Akte X“) spielt offenbar ein doppeltes Spiel: Ein zweiter Informant scheint schon vor Jahren in die IRA-Zelle eingeschleust worden zu sein. Doch Macs Recherchen werden sabotiert; er selbst droht zwischen die Fronten zu geraten.
Hintergrund
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Hinter Beton eingemauerte Menschen
Im Film ist aus Nordirland alle Farbe gewichen; dieses Land lässt sich nie klar wahrnehmen. Immer wieder blickt die Kamera wie durch einen Schleier, in dunkle Zimmer hinein, durch schattige Korridore. Colette zwingt sich geradezu, in der entsättigten Stadtlandschaft von Belfast mit ihrem roten Trenchcoat ein Zeichen zu setzen.
Regisseur Marsh fokussiert auf die Atmosphäre, die Jahrzehnte von Terror, Misstrauen und Spitzelei hinterlassen haben: Wie sich die townhouses hinter grauen Betonwänden verstecken, haben sich auch die Menschen eingemauert.
Folklore aus Furcht + Trotz
Marsh wollte Bradbys Drehbuch offenbar als Thriller inszenieren. Doch dafür fehlt es dem Film an Geschwindigkeit, mitunter auch an Spannung. Eher kann man „Shadow Dancer“ einen Heimatfilm nennen. Nur besteht die übliche Folklore hier aus Gefühlen der Einschüchterung, Furcht und des verbitterten Trotzes.