
Regency forever: Die Romane von Jane Austen, allesamt Klassiker der englischen Literatur, sind schon rund drei Dutzend Mal verfilmt worden – meistens mit aufwändiger Ausstattung und star-Besetzung, etwa “Emma” (1996) mit Gwyneth Paltrow oder “Stolz und Vorurteil” (2005) mit Keira Knightley. Schön anzusehen und gefühlsselig, ging es wie in jeder herkömmlichen romantischen Komödie darum, die Eine Große Liebe zu finden. Nur am Rande analysierten sie die englische Gesellschaft der Epoche mit ihren Traditionen und Zwängen.
Info
Love & Friendship
Regie: Whit Stillmann,
96 Min., Irland/ Frankreich/ Niederlande 2016;
mit: Kate Beckinsale, Chloë Sevigny, Tom Bennett
Nur ein wohlhabender ist guter Ehemann
Lady Susan Vernon (Kate Beckinsale) ist noch ziemlich jung, schön und frisch verwitwet. Ihr verstorbener Mann hat ihr nicht viel hinterlassen. Um ihren luxuriösen Lebensstil beizubehalten, muss sie also für ihre halbwüchsige Tochter Frederica (Morfydd Clark) und sich selbst so schnell wie möglich annehmbare – also wohlhabende – Ehemänner finden.
Offizieller Filmtrailer
Tochter will keinen Trottel heiraten
Ihre gesellschaftliche Reputation ist etwas ramponiert, nachdem sie überstürzt das Anwesen der Familie Manwaring verlassen musste – eine Affäre mit dem Hausherrn zwang sie dazu. Zuflucht findet sie bei ihrem Schwager Lord Vernon und dessen Gattin auf ihrem Landsitz in Churchill. Dort verfolgt Lady Susan weiter ihre Heiratspläne.
Für Tochter Frederica hat sie den reichen, aber einfältigen Sir James Martin (Tom Bennett) ausgesucht. Sie selbst bändelt mit Reginald de Courcy (Xavier Samuel) an, dem jüngeren Bruder ihrer Schwägerin. Ihr Töchterchen ist jedoch keineswegs gewillt, den für sie vorgesehenen Trottel zu ehelichen. Lady Susan muss also das ganze repertoire ihrer gefürchteten Verführungskünste anwenden, um letztendlich alles gemäß ihrer Wünsche zu gestalten.
Einzige Freundin aus Amerika
Obwohl Jane Austen dieses Roman-Fragment in der damals beliebten Briefform mit nur 19 Jahren schrieb, ist die Heldin eine gestandene Frau, die äußerst pragmatisch und realistisch an alle Angelegenheiten herangeht. Ihr scharfer Verstand wird genauso gefürchtet wie ihre Verführungskünste.
Dementsprechend hat sie nur eine einzige Freundin, Alicia Johnson (Chloë Sevigny). Die in der Neuen Welt geborene Adlige kam nach dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg nach Großbritannien zurück: Sie reizt die starren englischen Konventionen um 1790 ebenfalls gerne bis zur Schmerzgrenze aus. Damit wird sie zur natürlichen Verbündeten von Lady Susan, während diese das Beziehungsgeflecht um sich herum nach ihren Vorstellungen arrangiert.
Mehr Schauspielerei als Vampire abmurksen
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films „Dido Elizabeth Belle“ – gelungenes Biopic einer schwarzen Admirals-Tochter im England des 18. Jahrhunderts von Amma Asante im Stil von Jane Austen
und hier eine Besprechung des Films "Confession"– exzellente Verfilmung des klassischen Liebesromans von Alfred de Musset durch Sylvie Verheyde mit Pete Doherty + Charlotte Gainsbourg
und hier einen Beitrag über den Film "Jane Eyre" – formvollendete Verfilmung des Regency-Romans von Charlotte Brontë durch Cary Fukunaga mit Mia Wasikowska.
Hauptdarstellerin Kate Beckinsale darf endlich einmal zeigen, dass sie mehr kann als nur Vampire abzumurksen wie in der “Underworld“-Filmserie. Ihre Lady Susan ist trotz aller Intrigen sympathisch und bewundernswert: als echte Stehauf-Frau, die es versteht, widrige Umstände zu ihrem Vorteil zu verwandeln.
Geistig unterlegene Spielkarten
Alle anderen Figuren sind nur Karten in ihrem Spiel und auch so dargestellt: Ihre wichtigsten Eigenschaften werden dem Zuschauer in kurzen Einblendungen plakativ mitgeteilt – mehr ist nicht nötig. Die meisten Herrschaften sind Lady Susan ohnehin intellektuell und rhetorisch unterlegen, wobei Hagestolz Martin das peinliche untere Ende der Skala markiert.
Wenn er das “neue Gemüse“ Erbsen bestaunt oder sich über die “zwölf Gebote“ der Bibel unterhalten will, kann die personnage nur noch sprichwörtliche englische Zurückhaltung an den Tag legen. Am Ende sichert sich Lady Susan wohlverdient “Liebe und Freundschaft“ – durchaus ein happy end, allerdings mit bitterbösem Beigeschmack.