Ridley Scott

Alles Geld der Welt

Milliardärs-Erbe John Paul Getty III (Charlie Plummer) ist gekidnappt worden. Foto: © Tobis
(Kinostart: 15.2.) Hart, aber unherzlich: Im Rückblick auf die Entführung des Milliardärs-Erben John Paul Getty III. 1973 porträtiert Regisseur Ridley Scott einen Ölmagnaten, dem nur sein Geld am Herzen liegt – gelungene Reflexion über Reichtum, Macht und Familie.

Das neue Werk von Star-Regisseur Ridley Scott wird als derjenige Film in die Kino-Geschichte eingehen, aus dem Hauptdarsteller Kevin Spacey in der Rolle des Tycoons J. Paul Getty herausretuschiert wurde. Das ist schade. Denn auch ohne die unfreiwillige Publicity durch das Bekanntwerden seiner sexuellen Übergriffen hätte das Doku-Drama über die Entführung des Milliardärs-Erben John Paul Getty III. viel Aufmerksamkeit verdient.

 

Nicht zuletzt wegen der überragenden Leistung des 88-jährigen Christopher Plummer als knausrigem Ölmagnaten: Um weiteren Schaden im Zuge der metoo-Debatte zu vermeiden, ließ Scott alle Szenen, in denen der Großvater des Kidnapping-Opfers auftritt, ein zweites Mal mit Plummer drehen. Andernfalls hätten dem Film Boykott-Aufrufe und ein kommerzieller Totalausfall gedroht. Womit wir beim Thema Geld wären.

 

Hintergrund

 

Alles Geld der Welt

 

Regie: Ridley Scott,

132 Min., USA 2017;

mit: Christopher Plummer, Mark Wahlberg, Michelle Williams

 

Weitere Informationen

 

„Alles Geld der Welt“ beginnt in Schwarzweiß. Die Erzählstimme des 16-jährigen Getty-Erben Paul (Charlie Plummer) begleitet seinen Streifzug durchs nächtliche Rom im Jahr 1973. Die folgenden Geschehnisse, erklärt Paul, könnten für normale – also nicht extrem reiche – Menschen womöglich schwer verständlich sein. Sein Großvater sei allerdings nicht nur der reichste Mensch der Welt, sondern sogar „der reichste Mann der Weltgeschichte“.

 

Reich werden und reich bleiben

 

Was die Gettys von Normalsterblichen unterscheidet, zeigt der Großvater im Folgenden immer wieder. Erstens erkennt er den Wert von Dingen oder Beziehungen besser als andere und weiß sie zu seinen Gunsten zu nutzen. Zweitens hat er verstanden, dass das Geheimnis großen Reichtums nicht darin besteht, reich zu werden, sondern es zu bleiben.

Offizieller Filmtrailer


 

Alles ist verhandelbar

 

Einiges von seinem Wissen gibt er bei Ausflügen ins Kolosseum gern an den geliebten Enkel weiter. Es verwundert aber nicht, dass er andererseits keineswegs bereit ist, 17 Millionen Dollar Lösegeld zu zahlen, als Paul von römischen Gangstern entführt wird. Schließlich ist nicht völlig auszuschließen, dass es sich um eine Inszenierung von Paul handeln könnte, um an Opas Vermögen heranzukommen. Außerdem könnte Nachgiebigkeit bei seinen anderen 13 Enkeln Nachahmungstäter auf den Plan rufen, fürchtet der Tycoon. Stattdessen stellt er Pauls geschiedener Mutter Gail Harris (Michelle Williams) seinen Sicherheits-Chef als Berater zur Seite.

 

Ex-CIA-Mann Fletcher Chace (Mark Wahlberg) denkt zunächst ähnlich wie sein Auftraggeber: Alles ist verhandelbar. Es geht allein darum, den richtigen, also niedrigsten, Preis zu finden – und den Zeitpunkt zu nutzen, an dem der Gegner schwach wirkt. Wie verwundbar jedoch das Entführungsopfer ist, wird nach bangen Wochen klar, nachdem die Gangster Paul an die kalabrische ‚Ndrangheta verschachert haben. In ihrem Auftrag schneidet ein Arzt dem Kidnapping-Opfer ein Ohr ab; es wird an eine römische Zeitung geschickt, deren Redaktion Harris und Chace kontaktiert.

 

Nuancenreiches Schauspiel

 

Harris hat inzwischen ihre Lektion von Chase gelernt: Als Gegenleistung für das Recht, diese Nachricht exklusiv zu veröffentlichen, trotzt sie der Zeitung 1000 Druckexemplare ab und schickt sie ihrem Ex-Schwiegervater, um ihn zum Umdenken zu bewegen. Obwohl sich ahnen lässt, wie der Entführungsfall ausgeht, verliert der Film in 132 Minuten Laufzeit keine Spannung.

 

Hintergrund

 

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Insbesondere Michelle Williams gelingt es, ihren Kampf gegen zwei Imperien – das der Gettys und das der Mafia – nuancenreich zu gestalten. Und Christopher Plummer scheint die Rolle des geizigen Alten, der auf die Frage, wie viel Vermögen er braucht, bis er sich endlich sicher fühlen kann, nur die Antwort „mehr“ kennt, quasi auf den Leib geschneidert. Zurecht werden beide als Anwärter für die großen Preise des laufenden Kinojahres gehandelt.

 

Reflektion über Macht + Geld

 

Damit gelingt dem 80-jährigen Ridley Scott – unabhängig von allen Diskussionen über den Fall Kevin Spacey – ein grandioses Spätwerk; vielleicht kein Meilenstein der Kinogeschichte, aber in jedem Fall ein intelligenter und packender Thriller. Was im Gewand einer mitreißenden true crime-Erzählung daherkommt, ist zugleich eine Reflexion über Geld, Macht und das Streben nach Kontrolle, aus dem Unheil und Einsamkeit entsteht.