
Monsanto, mon amour: In einer nahen Zukunft ist tatsächlich alles so schlimm gekommen, wie es sich Apokalyptiker oder Realisten – je nach Sichtweise – derzeit ausmalen. Große Teile der Erde sind durch den Klimawandel in ein verseuchtes Ödland verwandelt worden, in dem multiethnische Scharen heimatlos gewordener Menschen umherziehen. Eine kleine Elite hat sich in von Militär und Magnetfeldern abgeschirmte Enklaven zurückgezogen. Internationale Konzerne haben komplett die Kontrolle übernommen, auch über die synthetisch erzeugte Nahrung.
Info
Grain - Weizen
Regie: Semih Kaplanoğlu,
123 Min., Türkei/ Deutschland/ Frankreich 2017;
mit: Ermin Bravo, Jean-Marc Barr, Grigoriy Dobrygin
Minimaler Erkenntnisgewinn
Bis zu diesem Punkt hat man trotz hölzerner Dialoge und holprigen Plots die leise Hoffnung, in diesem Film des türkischen Regisseurs Semih Kaplanoğlu könnte noch etwas Spannendes oder zumindest Überraschendes passieren. Es ist sein erster Spielfilm seit „Bal – Honig“ (2010); für diesen Abschluss seiner „Yusuf“-Trilogie über das Leben in Anatolien gewann er auf der Berlinale den Goldenen Bären. Seine Beschäftigung mit Traditionen findet ihr leises Echo in „Grain – Weizen“, denn auch hier geht es um die Wiederentdeckung von altem Wissen über die Landwirtschaft – allerdings mit minimalem Erkenntnisgewinn für den Zuschauer.
Offizieller Filmtrailer
Existentialistische Odyssee
Zwar hat Kaplanoğlu in Detroit, Nordrhein-Westfalen und der Türkei gedreht, doch seine Dystopie ist ununterbrochen in denselben trüben Grautönen gehalten. Sie driftet völlig ab, sobald Erin seinen Lehrer Akman findet und sich ihm anschließt. Akman nimmt ihn, zunächst eher widerwillig, mit auf eine existentialistische Wander-Odyssee. Die Rolle des Schülers nimmt Erin willig an; bald schwant ihm, dass es ohne eine geistige Wiedergeburt für ihn selbst genauso wenig weitergeht wie für den Rest der Menschheit.
Der Genetiker und sein Schüler stapfen also auf der Suche nach Spuren organischen Lebens durch das Ödland. Sie kommen dabei zu bedeutungsschwanger klingenden Einsichten, die jedem Mystiker sofort einleuchten werden: Verrätselte Plattitüden wie „Das gesamte Universum ist menschlich“ oder auch die Erkenntnis, dass „unser Leben ein Traum“ sei, aus dem wir „erst mit dem Tod erwachen“, sorgen für Kopfschütteln im Kinosessel.
Unter Moschee liegt der Mutterboden
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Snowpiercer" – Science-Fiction-Endzeit-Drama nach radikalem Klimawandel von Bong Joon-ho
und hier einen Beitrag über den Film "The Whispering Star" – wunderbar elegisches SciFi-Kammerspiel über einen interstellaren Paketdienst von Sion Sono
und hier einen Bericht über den Film "Winterschlaf" – brillantes türkisches Intellektuellen-Drama von Nuri Bilge Ceylan, prämiert mit der Goldenen Palme 2014.
Der Regisseur fand die Inspiration für diesen Film in einer Sure des Koran, die besonders für Anhänger des Sufismus – der islamischen Mystik – zentrale Bedeutung hat. Doch es gelingt ihm nicht, diese Inspiration in eine plausible Geschichte zu übertragen. Stattdessen bietet er endloses esoterisches New-Age-Geschwurbel mit symbolisch überfrachteten Bildern: So haust Akmans Tochter als Quasi-Cyborg in einer Art Dornröschenschloss-Villa und tippt kryptische Zeichen in ein Tablet-Keyboard. Oder die beiden Sinnsucher finden unter einer entlegenen Moschee den letzten unkontaminierten Mutterboden, den sie dann zeitraubend in Säcken hin und her tragen.
Kein Vergleich mit den Vorbildern
Schade ist es um die durchaus eindrucksvollen, monochromen Bilder ihrer epischen Wanderung, bei der Regisseur Kaplanoğlu die erhaben kargen Landschaften Anatoliens auf die Leinwand bringt. Als Wandbilder würden sich einige Einstellungen sicher gut machen. Doch als SciFi-Dystopie kann „Grain – Weizen“ mit seinen offensichtlichen Vorbildern, etwa Andrej Tarkowskis genialem „Stalker“ von 1979, nicht ansatzweise mithalten.