
Mit seinem Debüt-Spielfilm „Shoppen“ (2006) über Singles auf Partnersuche hat sich Regisseur und Autor Ralf Westhoff einen Namen als genauer Beobachter menschlichen (Balz-)Verhaltens und brillanter Dialogschreiber einen Namen gemacht. Zuletzt war er 2014 mit der Mehr-Generationen-Komödie „Wir sind die Neuen“ erfolgreich. Sein neuer Film knüpft thematisch wieder an seinen Erstling an.
Info
Wie gut ist deine Beziehung?
Regie: Ralf Westhoff,
101 Min., Deutschland 2018;
mit: Julia Koschitz, Friedrich Mücke, Bastian Reiber
In jeder Hinsicht an sich arbeiten
Als dann Steves Freund und Kollege Bob (Bastian Reiner) überraschend von seiner Freundin Yvonne für einen wesentlich älteren Mann verlassen wird, überfällt Steve Panik, dass ihm Ähnliches blühen könnte; sein Ego ist ohnehin durch impertinente Jungspunde in seiner Firma angekratzt ist. Er beschließt, das vorauseilend zu verhindern und in jeder Hinsicht an sich zu arbeiten – an der Fitness, an der Spontaneität, am Sex.
Offizieller Filmtrailer
Treue-Probe mit dem Tantra-Lehrer
Diese unvermittelt auftauchenden Veränderungen rufen natürlich Carolas Misstrauen hervor, die nun ebenfalls an sich und ihrer im Grunde prima funktionierenden Beziehung zweifelt. Gut gemeinte Ratschläge von Single-Freundin Anette (Maja Beckmann) verunsichern sie noch mehr, so dass sie sogar auf Avancen fremder Männer eingeht. Was sie nicht weiß: Steve hat alles arrangiert, um ihre Treue auf die Probe zu stellen. Dabei ist sein Komplize ausgerechnet Bobs Nachfolger, Tantra-Lehrer Harald (Michael Wittenborn): Er lässt sich dafür aus einer Mischung von schlechtem Gewissen und Mitleid einspannen. Das kann eigentlich nicht gut ausgehen.
In seinen Sittenkomödien greift Filmemacher Westhoff gerne aktuelle gesellschaftliche Trends auf. In „Shoppen“ war es das veränderte Flirtverhalten von Großstädtern; „Der letzte schöne Herbsttag“ (2010) drehte sich um Paarprobleme von ganz unterschiedlichen Partnern, „Wir sind die Neuen“ um den Streit von Jungspießern mit ergrauten Alternativ-Freaks.
An US-Screwball-Komödien geschult
Nun geht es Westhoff um die allenthalben geforderte Selbstoptimierung gut situierter Großstädter, die eine Beziehung ins Wanken bringen kann, obwohl das eigentlich gar nicht notwendig wäre. Die Protagonisten fühlen sich miteinander ganz wohl; sie müssten nur mehr miteinander reden, was im Alltagsstress zu oft untergeht. Also alles ganz normal.
Um aus dieser Ausgangslage eine gut getaktete Komödie zu machen, braucht man dramaturgisches Geschick, das Westhoff schon mehrfach bewiesen hat. Seine Stärke sind aber vor allem pointierte Dialoge, offenkundig an amerikanischen Screwball-Komödien geschult. Möglicherweise heißen deshalb die männlichen Hauptfiguren auch Steve und Bob, denn in der deutschen Generation um die 40 gibt es kaum Träger solcher Namen.
Mehr Musical, bitte!
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Wir sind die Neuen" – amüsante Generationen-Komödie über Alt-68er versus Jung-Spießer von Ralf Westhoff
und hier einen Bericht über den Film "Toni Erdmann" - ausgezeichnete Familien-Dramödie von Maren Ade
und hier einen Beitrag über den Film "Der Vorname" - Tragikomödie von Sönke Wortmann
Allerdings ist in solchen Szenen das Timing nicht immer optimal, und manche Dialoge werden boulevardartig ausgewalzt. Zudem stimmt die Chemie zwischen Julia Koschitz und Friedrich Mücke nicht hundertprozentig. Das mag vielleicht an der Zurückhaltung liegen, mit der beide Figuren angelegt sind: Etwas mehr Temperament oder Poesie hätte ihnen sicher gut getan. Welches Potential diese Komödie haben könnte, erahnt man in einer kurzen Musical-Reminiszenz, die aber leider so schnell abbricht, wie sie angefangen hat – charmant und realistisch ist der Film dennoch.