
Reiseabenteuer im Kino boomen – ob die Protagonisten nun kulinarische Recherche betreiben oder in musikalischer Mission unterwegs sind. Hierzulande besonders erfolgreich war die mithilfe von crowdfunding finanzierte Doku „Weit. Die Geschichte von einem Weg um die Welt“ (2017). In diesem selbst gedrehten Erlebnisbericht umrundete ein junges Paar trampend mit schmalem Budget und großen Augen den Globus – inklusive Kindersegen on the road.
Info
Mahendra Highway
Regie: Andre Hörmann,
85 Min., Nepal/ Deutschland 2021
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Himalaya-Gipfel statt Handelsroute
Das Filmteam folgt dieser Route von Ost nach West, mit Abstechern in den Himalaya. Auf den erhabenen Anblick schneebedeckter Gipfel wollte es in seiner Nepal-Doku offenbar nicht verzichten – auch wenn die gar nicht an der Wegstrecke liegen. Wer aber ein dokumentarisches Roadmovie mit subjektivem Blickwinkel erwartet, wird enttäuscht. Auch über die Bedeutung des Mahendra Highway als Handelsroute erfährt man wenig.
Offizieller Filmtrailer
Teeplantagen + Tempelanlagen
Ohnehin liefert die Straße allenfalls einen losen Bezugsrahmen für ein Potpourri von Impressionen aus der näheren und weiteren Umgebung des Highways, die so professionell wie routiniert in Szene gesetzt werden. Begleitet von einem unoriginellen, oft betulichen Erzähler-Kommentar, der vor Phrasen nur so strotzt – etwa, dass der „König der Berge“, der Mount Everest, „nicht von seiner Faszination eingebüßt hat“. Nun, warum sollte er?
Auch der orchestrale Soundtrack kleistert die Bilder eher zu, anstatt ihre Wucht zu unterstreichen. In gut 80 Minuten bildet Regisseur André Hörmann Nepals Vielfalt zwar durchaus ab, blickt dabei aber vor allem durch die touristische Brille. Die Kamera schweift über sattgrüne Teeplantagen und eindrucksvolle Tempelanlagen; sie beobachtet exotische Rituale und seltene Tierarten.
Kindergöttin statt Bürgerkrieg
Über die soziale und politische Realität des Landes erfährt man dagegen fast nichts – obwohl es in jüngster Vergangenheit revolutionäre Veränderungen erlebte. Von 1996 bis 2006 lieferte eine maoistische Guerilla, gestützt auf breiten Rückhalt in der Landbevölkerung, der monarchistischen Elite einen wechselvollen Bürgerkrieg mit mehr als 12.000 Opfern. Er endete mit einem Sieg der Aufständischen: Die Monarchie wurde abgeschafft und eine säkulare Republik eingeführt. Bei den ersten Wahlen gemäß neuer Verfassung erhielten linke Parteien eine deutliche Mehrheit der Parlamentssitze.
Hintergrund
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Unbefriedigende Häppchen-Reportage
Doch solche kurzen Porträts bleiben an der Oberfläche. Ähnlich das eines Jungen, der als Fahrbegleiter das Chaos in überfüllten Langstreckenbussen souverän managt; oder das des elfjährigen Sohns eines Sherpas, der erzählt, wie gerne er in die Fußstapfen seines Bergführer-Vaters treten will. Dass all diese kurz eingeführten Protagonisten gleich wieder Platz machen müssen für die nächsten, wird zur unbefriedigenden Häppchen-Reportage. Wenige, aber inhaltlich vertiefte Porträts wären mehr gewesen.
So erinnert dieser Film an das, was man regelmäßig auf einschlägigen öffentlich-rechtlichen TV-Sendeplätzen geboten bekommt. Und genau das ist „Mahendra Highway“ auch: Unter dem Titel „Nepal – dem Himmel nah“ wurde die Doku als Zweiteiler erstmals im Spätsommer 2020 auf Arte ausgestrahlt. Zwar haben einige spektakuläre Bilder durchaus die große Leinwand verdient – aber das ist kein Grund für diese plumpe Zweitverwertung.