Baz Luhrmann

Elvis

Elvis (Austin Butler) wird bei einem Auftritt von seinen Fans bejubelt. Foto: © 2022 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved
(Kinostart: 23.6.) Suspicious Minds: In seinem Biopic über den King of Rock’n’Roll beleuchtet Regisseur Baz Luhrmann vor allem das zwiespältige Verhältnis zu seinem Manager Colonel Parker. Dagegen spielen Elvis’ Musik oder peinliche Stationen seiner Karriere kaum eine Rolle.

Als Colonel Tom Parker (Tom Hanks) den jungen Elvis Presley (Austin Butler) erstmals im pinkfarbenen Anzug auf einer Bühne sieht – ausgerechnet bei einer biederen Radio- und Fernsehshow für Country-Musik – ist dem Musikmanager sofort klar: Das ist mein Mann. Denn Elvis, so dämmert ihm, steht für die Zukunft.

 

Info

 

Elvis

 

Regie: Baz Luhrmann,

159 Min., Australien/ USA 2022;

mit: Austin Butler, Tom Hanks, Olivia DeJonge

 

Weitere Informationen zum Film

 

Vor allem, weil junge Frauen im Publikum in Ekstase geraten, angesichts seines Hüftschwungs und des geschmeidigen Gesangs. Die jungen Männer, die ihn eben noch wegen seines Make-ups und der Schmalztolle verspottet haben, wollen plötzlich sein wie er. Eine „verbotene Frucht“ sei Elvis, so Parker.

 

Mit „I Hate Elvis“-Buttons abkassieren

 

Der Colonel mag abgehalftert wirken, doch er ist gerissen – und versteht sich darauf, Gefühle zu Geld zu machen. Er wird später sogar „I Hate Elvis“-Buttons herstellen lassen, damit er bei allen abkassieren kann. Schließlich ist mit den 1950er Jahren eine Zeit angebrochen, in der junge Menschen erstmals über ansehnliche Kaufkraft verfügen.

Offizieller Filmtrailer


 

Moralpanik durch Bühnenshow

 

In den nächsten zweieinhalb Stunden folgt ein Ritt von der Wiege bis zur Bahre durch das Leben des King of Rock’nRoll: die tranceartige Verzückung, die der Junge aus bescheidenen Verhältnissen in den afroamerikanischen Kirchen seiner Heimatstadt Tupelo erlebte. Die moralische Panik, die er mit lasziven Bewegungen auf der Bühne auslöste. Seine zwiespältige Hollywood-Karriere. Und natürlich die Zeit in Las Vegas, die für brillantes Showbiz, aber auch für eine kreative Sackgasse steht: Ab 1969 gab Elvis dort mehr als 800 Konzerte.

 

Die erste Hälfte des Films, die den Aufstieg des ersten Mega-Popstars beleuchtet, ist rasant inszeniert: in grellen Farben und überbordenden Bildern, die typisch sind für den Stil von Regisseur Baz Luhrmann. Dabei ist Butlers Anverwandlung an den King durchaus überzeugend, auch wenn er Elvis nicht sonderlich ähnelt.

 

Colonel Parker als Erzähler

 

Die zweite Hälfte der Films wirkt dagegen pflichtschuldig, der Erzählfluss gerät ins Stocken. Elvis schleichender Niedergang verträgt sich einfach nicht mit Luhrmanns Faible für Glamour. Den hatte er etwa mit seiner radikal modernisierten Interpretation von „William Shakespeares Romeo + Julia“ (1996) samt großartigem Pop-Soundtrack bewiesen; oder auch mit  seinem Musical „Moulin Rouge“ (2001), einer nicht minder mitreißenden Liebesgeschichte.

 

Nun lässt der Regisseur Colonel Parker von Elvis’ Leben erzählen; bis zu dessen Tod im August 1977 sollte er sein Manager bleiben. Diese Entscheidung mutet seltsam sein, verband die beiden doch ein schwieriges Verhältnis. Die Frage, ob Parker eher ein cleveres Schlitzohr oder ein skrupelloser Ausbeuter war, beantwortet Luhrmann eindeutig: Parker ist der Bösewicht, Elvis ein grundguter Kerl. Trotzdem gibt er dem Manager, indem er ihn als Erzähler einsetzt, scheinbar die Deutungshoheit über die Vita des Kings – was er wiederum nicht konsequent durchhält.

 

Worum geht es hier eigentlich?

 

Zwischendurch übernimmt immer wieder ein auktorialer, distanzierter Erzähler Parkers Rolle. Wirklich nah kommt der Zuschauer weder ihm noch Elvis. Bald fragt man sich: Wo liegt der Fokus dieses Biopics, worum geht es hier eigentlich? Will Luhrmann das Sittenbild einer Gesellschaft zeichnen, die sich zwischen den 1950er und den 1970er Jahren radikal verändert hat? Ist es eine Fan-Hommage an seinen Star? Oder treibt den Regisseur doch eine heimliche Bewunderung für seinen gewieften Manager um?

 

Der, das wird schnell klar, interessiert sich nicht für künstlerische Visionen. Parker ist auch kein Freigeist, der die Gesellschaft mit Popmusik befreien will. Als Elvis’ Hüftschwung ihn zum Feindbild für Konservative werden lässt, stutzt er ihn auf familienfreundliches Maß zurecht – und drängt ihn in seinen Militärdienst. Fortan soll Elvis den all-american boy geben. Was den Musiker motivierte und wie er arbeitete, scheint Luhrmann allenfalls am Rande zu interessieren.

 

Gipfeltreffen mit Nixon unterschlagen

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Der große Gatsby"  mit Leonardo DiCaprio über die "Roaring Twenties" in den USA von Baz Luhrmann

 

und hier eine Besprechung des Films "Elvis & Nixon" - skurrile Polit-Komödie von Liza Johnson

 

und hier einen Bericht über den Film "Selma" – Drama über Martin Luther King jr. + die US-Bürgerrechts-Bewegung von Ava Duvernay

 

und hier ein Beitrag über den Film "The Sapphires" – klassische 1960er-Jahre-Band-Story in Australien von Wayne Blair.

 

Auch seine Musik, die Gospel und Blues mit Country&Western kombinierte, wodurch Elvis zu einer Crossover-Figur zwischen dem schwarzen und dem weißen Amerika wird, spielt erstaunlicherweise eine untergeordnete Rolle. Höchstens liefert sie eine Vorlage für Luhrmanns irritierende Versuche, Elvis als Bürgerrechts-Ikone in Szene zu setzen.

 

Dafür lässt der Regisseur peinliche oder unrühmliche Stationen seiner Karriere ganz aus – etwa Elvis’ Besuch beim damaligen US-Präsidenten Richard Nixon im Dezember 1970. Ihm bot sich der Popstar als Inkognito-Kämpfer gegen die Verlotterung der Jugend an; gegen Hippies, Drogenkonsum und Antikriegs-Proteste. Dieses Treffen schildert schön süffisant einer von mehreren Spielfilmen, die es schon über den King gibt: „Elvis & Nixon“ (2016) von Regisseurin Liza Johnson.

 

Lieber eine knallbunte Hommage

 

Natürlich sollte man von einem barocken Theatraliker wie Baz Luhrmann keineswegs historisch akribischen, nüchternen Realismus erwarten – im Gegenteil: Wenn man ihn schätzt, dann für seine farbenfrohe Exaltiertheit. Doch die hält er hier nicht durch. Stimmiger wäre wohl gewesen, wenn Luhrmann sich auf die Anfänge von Elvis’ Karriere konzentriert hätte: mit einer knallbunten Hommage. So wirkt dieses Biopic auch zunächst – bis dem  Regisseur auf halber Strecke einfällt, dass Elvis doch tragisch endete. Das bekommt dem Film schlecht.