Sandra Hüller

Sisi & Ich

Gräfin Irma (Sandra Hüller, mi.) sieht zu, wie die Kaiserin Elisabeth (Susanne Wolff, li.) sich auch zu Fritzi (Sophie Hutter) hingezogen fühlt. ©2021 Walker+Worm Film GmbH & Co. KG/ Foto: Bernd Spauke
(Kinostart: 30.3.) Monarchin sein ist schwer, ihr dienen noch viel mehr: Regisseurin Frauke Finsterwalder zerlegt den Mythos von Kaiserin Elisabeth von Österreich, genannt Sisi, aus der Perspektive einer Hofdame. Samt Popsongs und Klischees an der Grenze zum Albernen – eine schillernde Aktualisierung.

Auch der Adel hat es bisweilen schwer; wegen der kaum erträglichen Standes-Etikette, die sein Verhalten von früh bis spät regelt. Machtfülle und Luxusleben werden dauernd beschränkt durch die Verpflichtung, zu repräsentieren und sich standesgemäß zu benehmen.

 

Info

 

Sisi & Ich

 

Regie: Frauke Finsterwalder,

132 Min., Deutschland/ Schweiz/ Österreich 2023;

mit: Sandra Hüller, Susanne Wolff, Georg Friedrich, Sophie Hutter

 

Weitere Informationen zum Film

 

Für Gräfin Irma (Sandra Hüller) kommt mit ihren 42 Jahren erschwerend hinzu, dass auf ihr das gesamte Gewicht mütterlicher Erwartungen lastet: Sie will Mama nicht enttäuschen. Als sie – zunächst auf Probe – ihre Stelle als Hofdame der Kaiserin Elisabeth von Österreich (Susanne Wolff) antritt, ist ihr bewusst, dass sie keinesfalls versagen darf.

 

Skript-Ko-Autor Christian Kracht

 

„Sisi & Ich“ ist der zweite Spielfilm von Regisseurin Frauke Finsterwalder – zehn Jahre nach ihrer Sitten-Tragikomödie „Finsterworld“. Erneut hat sie das Drehbuch gemeinsam mit ihrem Mann verfasst, dem Pop-Literaten Christian Kracht. Wie schon in ihrem Debütfilm durchtränkt Camp-Ironie das Geschehen. Etliche Male muss Irma beherzt über ihren Schatten springen, bis sie die Gunst von Elisabeth errungen hat. Sodann verfällt sie mit Haut und Haar dem Glanz und Charisma der Monarchin.

Offizieller Filmtrailer


 

Zwei Kinofilme + zwei TV-Serien

 

Fernab vom steifen Wiener Hofprotokoll spielt der Film anfangs auf der griechischen Insel Korfu; ihre Lieblingsinsel besucht die Kaiserin ab 1860 regelmäßig. Hier verbringt sie mit ihren Getreuen im gatten- und kinderfreien Refugium unbeschwerte Tage und Nächte. Dabei schaltet und waltet sie, wie es ihr gefällt. Viel Wert legt sie darauf, dass alle dank Kokain-Elixieren schlank bleiben, gut aussehen und niemals Langeweile aufkommt. Indes verlangt Kaiser Franz Joseph bald nach seiner Gemahlin, womit die sorgenfreien Tage gezählt sind.

 

Nach dem viel beachteten Elisabeth-Porträt „Corsage“ von Regisseurin Marie Kreutzer ist der Film von Finsterwalder bereits der zweite Rückgriff auf den Sisi-Mythos, der binnen eines Jahres ins Kino kommt. Dabei haben beide nichts mit den Sissi-Kostümorgien der 1950er Jahre mit Romy Schneider zu tun. An diese knüpfen eher die beiden TV-Serien „Sisi“ (RTL) und „The Empress“ (Netflix) an – beide von 2021. Kreutzer wie Finsterwalder wollen vielmehr der Legende von der niedlich-kindlichen Kaiserin eigene Interpretationen entgegensetzen.

 

Rivalität der Zuwendungs-Junkies

 

Während in „Corsage“ Vicky Krieps als kratzbürstige Sisi einen Kampf für Individualität und gegen die erstickenden Zwänge und Pflichten des höfischen Lebens führt – ähnlich wie Kristen Stewart im brillanten Drama „Spencer“ (2022) von Pablo Larráin über Lady Di im Clinch mit den Windsors –, weitet „Sisi & Ich“ seine Erzählperspektive durch einen veränderten Fokus. Indem der Film aus der Sicht ihrer Untergebenen auf die Monarchin blickt, zeigt er das Leiden an der Macht in verschiedenen Varianten.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Corsage" – brillantes Psychogramm der Kaiserin Elisabeth von Marie Kreutzer mit Vicky Krieps

 

und hier eine Besprechung des Films "Finsterworld" – episodenhafte Sitten-Tragikomödie von Frauke Finsterwalder

 

und hier einen Beitrag über den Film "Spencer" – intensives Kammerspiel mit Lady Diana im Clinch mit der Windsor-Etikette von Pablo Larraín mit Kristen Stewart

 

und hier einen Beitrag über den Film "Ludwig II." – Biopic über den bayerischen Märchenkönig von Peter Sehr + Marie Noëlle mit Hannah Herzsprung als Kaiserin Sisi.

 

Elisabeth muss sich ihrem hochwohlgeborenen Gatten immer wieder schmerzhaft fügen, auch sexuell; derweil sind die von ihr Abhängigen jederzeit ihrem Willen und ihren Launen unterworfen. Dabei verwandelt sie ihr Umfeld in aufeinander eifersüchtige Zuwendungs-Junkies, die nach nichts so sehr lechzen wie nach Anerkennung durch ihre Herrin, um die sich ihre eigene Existenz dreht.

 

Akteurinnen trällern Popsongs mit

 

„Sisi & Ich“ verwendet große Sorgfalt auf die Inszenierung von Ausstattung und Kostümen, die der Film in kunstvoll komponierten Bildern mit warmem, körnigen Analogfilm-Look präsentiert. Gegen die Konventionen von Kostümfilmen erklingen jedoch auf der Tonspur zeitgenössische Popsongs, bei denen die Protagonistinnen mitunter inbrünstig mitträllern. Dieser Verfremdungseffekt macht den Film auch für ein Publikum zugänglich, dass sich gemeinhin für historische Stoffe weniger interessieren dürfte.

 

Obwohl Regisseurin Finsterwalder bei ihrer satirischen Behandlung von Mythen, überzeichneten Nebenfiguren oder orientalistischen Klischees manchmal ins Alberne abgleitet, entwickelt sich „Sisi & Ich“ zu einem ernstzunehmenden Drama. Mit großer Verve verhandelt es die Verletzungen, die Ruhm, Macht und Begehren bei allen Beteiligten verursachen.