Für einen Kulturschock muss niemand mehr weit reisen. Im französischen Kino spielt jede zweite Komödie mit einem solchen Gefälle. Der neue Streifen des Regieduos Olivier Nakache und Éric Toledano ist da keine Ausnahme. Nachdem sie 2011 in ihrem Riesenerfolg „Ziemlich beste Freunde“ Ober- und Unterschicht aufeinanderprallen ließen, versuchen sie es dieses Mal mit zwei relativ jungen Milieus.
Info
Black Friday for Future
Regie: Éric Toledano + Olivier Nakache
120 Min., Frankreich 2023;
mit: Pio Marmaï, Jonathan Cohen, Noémie Merlant, Mathieu Amalric
Weitere Informationen zum Film
Ein vereitelter Selbstmordversuch
Den frisch erworbenen Fernseher will er dem depressiven Bruno (Jonathan Cohen) verkaufen. Er kommt gerade recht, um dessen Selbstmordversuch zu vereiteln. Bruno hatte eben Besuch vom Gerichtsvollzieher, ist mit seiner Familie verkracht, und der einzige an ihm noch interessierte Mensch ist sein Schuldenberater (Mathieu Almaric). Der erkennt sofort, dass auch Albert wirtschaftlich in der Bredouille ist. Und so besuchen die beiden tief im Minus steckenden Konsumjunkies auf seine Empfehlung hin einen Kurs zum Schuldenabbau. Anschließend gehen sie gemeinsam einen trinken.
Offizieller Filmtrailer
Dafür landen sie ausgerechnet bei den Aktivisten vom Elektromarkt. Die spendieren Freibier und erwarten dafür nur etwas Aufmerksamkeit für ihre Vorschläge zur Weltverbesserung. Daran sind die Freunde freilich weniger interessiert als an der Agitatorin Cactus (Noémie Merlant). Vor allem Albert ist fasziniert von ihrer Energie und Entschlossenheit, und so besuchen sie weitere Treffen der Gruppe. Schon bald entwickelt Albert Wege, aus deren Aktionen finanziellen Vorteil zu schlagen. So erpresst er Wegzoll von gestressten Autofahrern, die Blockaden der Aktivisten umfahren wollen.
Geschäft floriert, Skepsis weicht
Auch das Geschäft mit dem Weiterverkauf von Möbeln, die wohlmeinende Großbürger der Gruppe spenden, floriert zunächst. Gleichzeitig weicht Alberts und Brunos anfängliche Skepsis gegenüber den Klimarevoluzzern („Woher wollen die wissen, wie das Klima in Jahr 2050 ist?“) wachsendem Verständnis für deren Anliegen. Vor allem Bruno blüht angesichts neuer Aufgaben zusehends auf und stellt sich gefestigt seinem anhängigen Insolvenzverfahren. Albert hingegen tut alles, um Cactus für sich einzunehmen, muss aber feststellen, dass die junge Frau in klassischer Revolutionsmanier mit der guten Sache verheiratet ist.
Der englische Titel stammt vom deutschen Verleih. Im Original heißt der Film „Une année difficile“, also „Ein schwieriges Jahr“. Wie im Vorspann ein Zusammenschnitt von Neujahrsansprachen verschiedener Regierungschefs nahelegt, ist seit 1970 ziemlich jedes Jahr ein schwieriges Jahr gewesen. So eröffnet der Film mit der Frage, ob die momentan um sich greifenden gesellschaftlichen Ängste wirklich so neu sind – oder nicht eher eine Frage der Perspektive.
Kein glaubhafter Aufprall
Nach einem furiosen Auftakt gelingt es dem Regieduo aber leider nicht, die beiden vermeintlich unversöhnlichen Lager wirklich glaubhaft aufeinanderprallen zu lassen. Hier die weit über ihre Verhältnisse lebenden Konsumisten in Gestalt von Albert und Bruno, dort die Konsumverweigerer um Cactus. Die benutzt als echte Untergrundkämpferin natürlich einen nom de guerre. Darüber hinaus schöpft der Film aus den Widersprüchen nicht sonderlich viel komisches Potential.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Heute bin ich Samba" – beschwingte Tragikomödie über illegale Einwanderer in Frankreich von Olivier Nakache und Éric Toledano
und hier eine Besprechung des Films "Mein fabelhaftes Verbrechen" – turbulente französische Krimikomödie von François Ozon
und hier einen Beitrag über den Film "Streik (En Guerre)" – fesselndes französisches Arbeitskampf-Drama von Stéphane Brizé mit Vincent Lindon.
Angst vor der Zukunft
Nachvollziehbar ist immerhin, dass die beiden Männer eine Freundschaft entwickeln, und dass sie emotional die Ziele der Aktivisten nachzuempfinden lernen. Denn was sie alle antreibt, ist Angst. Die Gruppe um Cactus sorgt sich um die Zukunft, die Männer fühlen sich jetzt schon existentiell bedroht. Was sie wollen, ist eine Rückkehr zu ihrem früheren sozialen Status und ein bisschen Würde, die sie im unhierarchischen Verbund der Aktivisten durchaus genießen.
Diese Zusammenhänge muss sich das Publikum aber selber erschließen; es wird nach einer Unmenge dramaturgischer Einfälle, die nur teilweise konsequent durchgeführt sind, relativ unbefriedigt aus dem Kino entlassen. In der letzten Szene steht die Welt endlich still, und mit ihr auch die Umweltverschmutzung – der Corona-Lockdown lässt grüßen. Das nächste Jahr wird wahrscheinlich auch wieder schwierig.