Denis Moschitto

Schock

Bruno (Denis Moschitto) wird bedroht. Foto: © Bon Voyage Films/Paul Pieck
(Kinostart: 15.2.) Ein Arzt sieht rot: Denis Moschitto spielt in „Schock“ einen Mediziner, der etwas zu tief ins Kölner Unterwelt-Milieu verstrickt ist. Dabei debütiert er auch als Ko-Regisseur von Daniel Rakete Siegel mit feinem Gespür für die Straßen seiner Stadt – und hoher Schmerzgrenze.

Der Kölner Arzt Bruno (Denis Moschitto) ist ein Profi. Aber seine Kompetenzen sind nicht überall gefragt. Seit er seine Approbation verloren hat, arbeitet er in Nachtschichten im Rotlicht-Milieu. Er hilft Sex-Arbeiterinnen bei Zahnschmerzen, spritzt Impfstoffe und flickt Schusswunden, wenn es im Bordell mal wieder Unstimmigkeiten gab.

 

Info

 

Schock

 

Regie: Denis Moschitto + Daniel Rakete Siegel,

104 Min., Deutschland 2023;

mit: Denis Moschitto, Fahri Yardim, Aenne Schwarz, Anke Engelke

 

Weitere Informationen zum Film

 

Wenn es hell wird, geht er ins Fitnessstudio, um seine Muskeln aufzupumpen, besorgt neue Medikamente und erscheint zum Drogen-Screening im Krankenhaus. Die regelmäßigen Tests sind Teil der Auflagen; von ihnen hängt ab, ob und wann er seinen Beruf wieder offiziell ausüben darf. Eigentlich müsste er mal schlafen.

 

Ein dubioses Angebot

 

Doch dann macht ihm eine Anwältin (Anke Engelke) ein dubioses Angebot: Er soll einen leukämiekranken Mandanten behandeln. Dafür soll er ihm das nötige Antikörper-Serum besorgen, das in Deutschland nicht zugelassen ist. Als Gegenleistung bietet sie ihm stattliche 50.000 Euro an. Bruno zögert kurz; was von ihm verlangt wird, gehört nicht zu seinem Fachbereich. Aber da ist es schon zu spät – er hat Blut geleckt.

Offizieller Filmtrailer


 

Ein Mann fürs Grobe

 

Bis hierhin ist „Schock“ wie ein herkömmlicher Krimi gestrickt; was dann kommt, setzt sich aber bewusst von der herkömmlichen Fernseh-Unterhaltung ab. Denis Moschitto spielt hier einen Mann fürs Grobe. Mit solchen Figuren kennt er sich aus. Bereits als Titelfigur in Özgür Yıldırıms Spielfilmdebüt „Chiko“ (2008) hat er gezeigt, dass er das Zeug für brutale Genre-Geschichten hat. Als findiger Anwalt in Fatih Akins NSU-Rachedrama „Aus dem Nichts“ (2017) lavierte er schon einmal glaubhaft zwischen Legalität und Unterwelt.

 

Bei „Schock“ führte er erstmals auch Regie, gemeinsam mit Daniel Rakete Siegel. In diesem Thriller bauen sich Spannung und Gewalt langsam auf. Das Drehbuch lässt sich Zeit und stellt zunächst das Menschliche an Brunos Figur heraus. Denn Bruno ist im Grunde eine gute Seele. Als Arzt versucht er zu helfen, wo er kann. Ohne Fragen zu stellen, kümmert er sich deshalb auch um Giuli (Fahri Yardim), als der Mann seiner Schwester Laura (Aenne Schwarz) mit einer durchschossenen Schulter am Boden liegt.

 

Der italienische Patient

 

Nach dem Hausbesuch zur Kontrolle der Wunde lädt Laura ihn zum Dank zum Abendessen ein. Zwischen den Geschwistern herrscht eine vertraute Nähe, die Giuli nur schwer erträgt. Dass er selbst kaum Freunde er hat, auf die er sich verlassen kann, merkt Bruno, als er versucht das illegale Antikörper-Serum zu besorgen. Ein ihm zuvor immer wohlgesinnter Apotheker prellt ihn dabei um viel Geld. Seine Begründung: Bei dem todkranken Mafioso, dem Bruno die Infusionen legen soll, komme sowieso jede Hilfe zu spät.

 

Doch Bruno kämpft weiter für seinen Patienten und für sich selbst. Dabei verrennt er sich allerdings immer mehr in den Fallstricken seines Auftrags. Vor allem aber kommt er Giuli in die Quere, der mit der italienischen Mafia noch eine Rechnung offen hat. Von nun an kippt der Film in eine Abfolge von Schockmomenten. Die ohnehin düsteren Bilder verfärben sich noch weiter ins Schwarze.

 

Brutalität mit System

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Aus dem Nichts" mitreißendes NSU-Rachedrama von Fatih Akin mit Denis Moschitto

 

und hier eine Besprechung des Films "Dr. Ketel – Der Schatten von Neukölln" sozialkritischer Medizin-Thriller von Linus de Paoli

 

und hier einen Beitrag über den Film "Rheingold" gelungenes Biopic eines Gangsta-Rappers von Fatih Akins mit Denis Moschitto in einer Nebenrolle.

 

Intensiviert wird das Unbehagen von einem drängenden Beat, der mit Brunos zunehmender Atemlosigkeit einhergeht. Die rohe Brutalität, die sich hier Bahn bricht, ist beabsichtigt. Sie hat System, wie der Titel andeutet.  Gleichzeitig wollen die Regisseure ihre Geschichte so nüchtern wie möglich erzählen, „ohne Gangster-Posen und schräg gehaltene Pistolen“, wie Siegel es formuliert.

 

Womit sie nicht geizen, ist die Darstellung von Schmerz. Hier gehen sie so weit, dass der Zuschauer ihn schließlich am eigenen Körper zu spüren glaubt. Andere Genre-Elemente funktionieren weniger gut. Vor allem im Finale nimmt das Geschehen eine etwas gewollte Wende, die Bruno auf Rachegedanken bringt und in der Ausführung wenig plausibel erscheint. Dagegen kommt auch Moschitto mit seiner ganzen darstellerischen Kraft nicht an.

 

Köln von unten

 

Dabei wird spürbar, wie sehr ihm nicht nur an seiner Rolle, sondern auch am ganzen Projekt gelegen ist. Der heute 46-jährige Kölner hat ein feines Gefühl für die Stadt, in der er lebt und dreht. In der rheinischen Metropole findet er immer wieder ungewöhnliche Orte, Kamerawinkel und Perspektiven, die frisch wirken – das kann ein abgelegener Parkplatz sein, oder ein offener Balkon am Morgen. Flüchtige Bilder wie diese nehmen dem Film an den richtigen Stellen etwas von seiner Schwere.