Anton Corbijn

Squaring the Circle: The Story of Hipgnosis

Reminiszenz an 50 Jahre Rockgeschichte: In SQUARING THE CIRCLE erinnert sich Mitbegründer Aubrey „Po“ Powell an die Höhepunkte der Cover-Art von „Hipgnosis“. © Hipgnosis Ltd. Fotoquelle: Splendid Film
(Kinostart: 14.3.) Als die Verpackung teurer war als der Inhalt: Starfotograf Anton Corbijn erinnert mit seiner Doku an zwei Grafikdesigner, die in den 1970er Jahren den Look des Progressive Rock prägten. Während Interviews eher oberflächlich bleiben, öffnet rares Archivmaterial die Tür in eine vergangene Epoche.

Aubrey Powell, Mitbegründer der Grafikdesign-Agentur „Hipgnosis“, trägt eine schwere Last. Damit stapft er zum Auftakt wie am Ende des Films durch eine monochrome englische Landschaft. Über einen Friedhof führt ihn sein Weg, entlang einer Reihe wuchtiger Bäume. Doch es ist kein Kreuz, das ihn vornüber gebeugt gehen lässt – obwohl es zunächst danach aussieht. Es ist eine Mappe voll mit Kunst, entworfen von seiner eigenen, einst so einflussreichen Agentur. Deren bewegte Geschichte erzählt der Regisseur Anton Corbijn nun in einem Dokumentarfilm – in seiner bewährten Schwarzweiß-Ästhetik.

 

Info

 

Squaring the Circle: The Story of Hipgnosis

 

Regie: Anton Corbijn,

101 Min., Großbritannien 2022;

mit: Aubrey Powell, Noel Gallagher, David Gilmour, Roger Waters 

 

Weitere Informationen zum Film

 

„Hipgnosis“ entstand aus der Freundschaft zwischen Powell und seinem Mitstreiter Storm Thorgerson. Die beiden waren zudem an ihrem damaligen Wohnort Cambridge mit den jungen Leuten verbandelt, die sich gerade als „Pink Floyd“ zusammentaten. So kamen Powell und Thorgerson 1968 auch zu ihrem ersten Auftrag: Sie entwarfen das Cover von „Saucerful of Secrets“, dem zweiten Album der Band. Einige Jahre später stieß dann Peter Christopherson zu ihnen: Der Fotograf wurde später als Gründungsmitglied von „Throbbing Gristle“ zudem zu einem Wegbereiter der elektronischen Musik.

 

Die Kuh auf dem Cover

 

Ihre umtriebige Agentur leistete über Jahre einen großen Beitrag zur Entwicklung der Rockmusik – und das ganz ohne musikalischen Output. Ihr Beitrag waren Albumcover, die mit Sehgewohnheiten brachen. So fotografierten Powell und Thorgerson eine Kuh und setzten sie auf das Cover des Pink-Floyd-Albums „Atom Heart Mother“ (1970) – ohne die Band oder Albumtitel zu nennen. Für Led Zeppelins „Houses of the Holy“ (1973) ließen sie, inspiriert von Arthur C. Clarkes Science-Fiction-Roman „Childhood’s End“, eine silbern und golden geschminkte Familie tagelang frühmorgens am Giant’s Causeway posieren, einer vulkanischen Steinformation an der nordirischen Küste.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

Kunstsammlung der Arbeiterschicht

 

Sie zählt seit 1986 zum Unesco-Weltnaturerbe. Die Künstler hofften, dort irgendwann den perfekten Sonnenaufgang einzufangen – worauf man im November am Nordatlantik aber lange warten kann. Nachdem die Stimmung im Keller war, fotografierten sie die „Kinder“ einfach in Schwarzweiß und kolorierten das Bild in psychedelisch bunten Farben nach – das erwies sich als eindrucksvoller als jeder Sonnenaufgang.

 

Noel Gallagher, Leadgitarrist und Songschreiber der Britpop-Band „Oasis“, lernte Hipgnosis als jugendlicher Fan kennen. Die ambitionierten Coverdesigns der 1970er und 1980er Jahre bezeichnet er an einer Stelle treffend als „die Kunstsammlung der Arbeiterschicht“. Heute begegnen einem die einst ikonischen Bilder nur noch als briefmarkengroßes Bildchen auf dem Handydisplay. Seinerzeit jedoch, das vermittelt der Film anschaulich, wurde für dieses Marketing-Werkzeug mitunter mehr Aufwand betreiben als für die Musik selbst.

 

Trennung im Bösen

 

Produktionskosten und ganz allgemein die Niederungen des Ökonomischen spielten daher lange kaum eine Rolle in der Welt von „Hipgnosis“ – bis am strukturellen Wandel der Musikindustrie nicht nur die Agentur zerbrach, sondern auch die Freundschaft zwischen Powell und Thorgerson. Dessen unbedingter Wille zur Kunst auf der einen, kommerzielle Interessen auf der anderen Seite – das ist wohl die Quadratur des Kreises, auf die der Titel anspielt.

 

Powells so genialischen wie streitsüchtigen Mitstreiter, der 2013 starb, lernt der Zuschauer lediglich in Archiv-Schnipseln kennen, während Powell als alter Herr recht anrührend aus dem Nähkästchen plaudert. Die beiden Gründer von „Hipgnosis“ trennten sich 1983 im Bösen – woran der Überlebende offenkundig bis heute schwer knabbert: Das ist das Kreuz, das er zu tragen hat.

 

Der Fotograf der Stars

 

Bekannt geworden ist Anton Corbijn in den 1980er Jahren als Fotograf, der Stars von „Depeche Mode“ bis Herbert Grönemeyer porträtierte, auch für Plattencover. Dass er sich auch auf wirkungsvolle bewegte Bilder versteht, bewies der Niederländer als Regisseur von etlichen Musik-Videos sowie mit seinem Spielfilmdebüt „Control“ (2007), einem Biopic über den „Joy Division“-Sänger Ian Curtis.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Life" – Biopic über James Dean von Anton Corbijn

 

und hier einen Beitrag über den Film "A Most Wanted Man" – Agenten-Thriller von Anton Corbijn

 

und hier eine Besprechung über die Dokumentation "Daniel Richter" - über den deutschen Maler, der Plattencover für das Musiklabels „Buback Records“ entwarf von Pepe Danquart.

 

Für das Image von Bands wie „Depeche Mode“ oder „U2“ waren Corbijns monochrome Bilder wohl ähnlich prägend wie „Hipgnosis“’ psychedelischer Surrealismus für den Prog-Rock der frühen 1970er Jahre. Beim Entwickeln einer Bildsprache für musikalische Ideen ist er ebenso versiert wie einst die Agentur, der er nun ein Denkmal setzt. Allerdings ist Corbijns Stil kaum so variabel und erfinderisch; er wirkt in dieser Doku bereits arg routiniert.

 

Schräge Geschichten, wenig Dokumente

 

Etwa zwei Albumcover pro Monat entwarf das Hipgnosis-Team zu seinen Hochzeiten; Paul McCartneys Band „Wings“ gehörte ebenso zu ihrem Kundenstamm wie die Artpop-Band „10cc“. Das liefert reichlich Futter für die vielen schrägen Geschichten, die Corbijns Interviewpartner in petto haben. Allerdings stellt sich öfters die Frage nach der Relevanz einiger Gesprächspartner – weniger wäre da mehr gewesen.

 

So unterhaltsam etliche Anekdoten auch sind: Einen Sog entwickelt der Film vor allem dann, wenn nicht nur Interviewpartner zu sehen sind, sondern rares Archivmaterial, das Arbeitsalltag und Milieu von „Hipgnosis“ dokumentiert. Diese Bilder vermitteln einen sinnlichen Eindruck von einer Arbeitsweise, die sich beschreiben lässt mit: „Gucken, was noch so geht“. Damit kommen sie dem Zeitgeist der damaligen Popkultur näher als die in Nostalgie verfangenen Plaudereien.