In Venedig gehört der „Palazzo Venier dei Leoni“ zum Besuchsprogramm jedes Touristen: Hier lebte ab 1947 mehr als 30 Jahre lang eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Lagunenstadt – Peggy Guggenheim (1898-1979). Läuft man durch ihr Haus, das nach ihrem Tod zum Museum umgebaut wurde, wandelt man durch knapp 100 Jahre Kunstgeschichte.
Info
Peggy Guggenheim -
Ein Leben für die Kunst
Regie: Lisa Immordino Vreeland,
96 Min., USA 2014
US-Gesandte feiern ihre Künstler
Zählt man zur Schar der culturati, die alle zwei Jahre zur Eröffnung der Kunst-Biennale in Venedig einfällt, steht der Palazzo auch auf dem Pflichtprogramm. Zum Anwesen gehört ein für venezianische Verhältnisse großzügiger Garten, in dem festliche Empfänge gegeben werden. So feiert etwa die US-Gesandtschaft alle Künstler, die im Biennale-Pavillon der Vereinigten Staaten vertreten sind. Dann meint man etwas vom glamour zu spüren, den man mit dem Namen der ehemaligen Hausherrin verbindet.
Offizieller Filmtrailer
Unbekannte Interview-Aufnahmen ausgegraben
Zu ihrem 30. Todestag fragte schon 2009 eine italienische TV-Dokumentation „Chi è Peggy?“ („Wer ist Peggy?“) Dabei ist die Biografie von Peggy – eigentlich Marguerite – Guggenheim hinlänglich bekannt und ihre Bedeutung für die Kunstwelt als Galeristin, Sammlerin und Museumsgründerin unumstritten. Auch der Dokumentarfilm „Peggy Guggenheim – Ein Leben für die Kunst“ führt nicht viel weiter.
Obwohl Regisseurin Lisa Immordino Vreeland eigentlich einen coup gelandet hat: Sie erfuhr von der Guggenheim-Biografin Jacqueline Bograd Weld, dass bislang unbekannte Tonaufnahmen von Interviews existierten, die Peggy Guggenheim an ihrem Lebensende 1978/79 gegeben hatte. Diese Bänder lagerten in Welds Keller. Vreeland versucht, ihren chronologisch aufgebauten Film durch diese O-Töne aufzuwerten; sie sollen dem konventionellen Doku-Format eine Realitätsebene hinzufügen.
„Ich war verrückt nach moderner Kunst“
Während man die genreübliche Aneinanderreihung von alten Fotografien, Filmschnipseln, kurzen Interview-Passagen und Collagen aus Einladungskarten zu Ausstellungs-Eröffnungen betrachtet, hört man jedoch nicht gerade weltbewegende Selbstauskünfte. „Ich war verrückt nach moderner Kunst“, sagt Peggy Guggenheim etwa, oder: „Ich habe immer nur auf Marcel (Duchamp) gehört. Er war mein großer Lehrer.“ Als wolle sie das über sie kolportierte Klischee bestätigen, ein ziemliches Dummchen gewesen zu sein.
Dabei war Guggenheim eine selfmade woman; allerdings ausgestattet mit dem Vermögen und gesellschaftlichen Netzwerk einer der reichen US-Aufsteigerfamilien des 19. Jahrhunderts. Sie hatte ein Gespür für Kunst und den Instinkt, die richtigen Künstler um sich zu scharen. Als bohèmienne ohne kunsthistorische Ausbildung zog sie 1921 als junge Frau nach Paris; dort umgab sie sich mit Künstlern und Schriftstellern wie Ezra Pound oder Man Ray.
Vater starb bei „Titanic“-Untergang
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Besprechung der Ausstellung "Weltkunst –Von Buddha bis Picasso: Die Sammlung Eduard von der Heydt" im Von der Heydt-Museum, Wuppertal
und hier einen Bericht über die „Länderpavillons der 55. Biennale“ – Rundgang über die Internationale Kunstausstellung 2013 in Venedig
und hier einen Beitrag über "Visions of Modernity – Impressionismus und Klassische Moderne " - letzte Ausstellung der Guggenheim Foundation im Deutsche Guggenheim, Berlin.
Aufgrund ihrer jüdischen Abstammung muss sie 1941 mit ihrem Ehemann Max Ernst nach New York flüchten. Sie eröffnet die legendäre Galerie „Art of the Century“, entdeckt Jackson Pollock und verhilft seinen Bildern im Stil des Abstrakten Expressionismus zum Erfolg. 1947 kehrt sie nach Europa zurück und setzt in Venedig ihre Affären mit der Kunst und den Künstlern fort. Sie liebte Samuel Beckett, war zwei Mal verheiratet, umgab sich aber später hauptsächlich mit Hunden.
Schwiegeroma-Doku ist besser
Regisseurin Vreeland gelang es 2011, das Leben ihrer Schwiegergroßmutter Diana Vreeland, einer Mode-Designerin und „Vogue“- Chefredakteurin, posthum großartig in Szene zu setzen. Doch ihre Doku über Peggy Guggenheim fällt zwar informativ und kurzweilig aus, bringt aber nichts Neues ans Licht – zumindest nicht für Zuschauer, die mit ihrem Leben halbwegs vertraut sind.