Luc Besson

Jeder von uns ist ein Sandkorn

Luc Besson spricht. Foto: Wikipedia.org
Mit der Comic-Verfilmung "Valerian - Die Stadt der tausend Planeten" erfüllt sich Regisseur Luc Besson einen Jugendtraum. Daran hat er sieben Jahre gearbeitet – denn "Avatar" von James Cameron zwang ihn zu einem Neuanfang, erzählt Besson im Interview.

Monsieur Besson, seit wann wollten Sie diesen Comic verfilmen?

 

Es fing alles an, als ich zehn Jahre alt war. Mein Vater brachte mir immer comic-Hefte von Pilote mit; jeden Mittwoch gab es darin zwei Seiten von „Valerian“. Man darf nicht vergessen, dass es damals weder internet noch video games gab; für mich waren diese beiden bunten Seiten die einzige Möglichkeit, der Realität zu entfliehen. Die erste Liebe meines Lebens wurde Laureline, die weibliche Hauptfigur des comic – und das mit zehn Jahren. Dennoch hatte ich nie daran gedacht, einen Film daraus machen zu wollen.

 

Wann kam Ihnen diese Idee?

 

Info

 

Valerian - Die Stadt der tausend Planeten

 

Regie: Luc Besson,

137 Min., Frankreich/ USA 2017;

mit: Dane DeHaan, Cara Delevingne, Clive Owen, Ethan Hawke

 

Website zum Film

 

Als ich 1997 für „Das fünfte Element“ mit Jean-Claude Mézières zusammenarbeitete, dem Grafikdesigner von „Valerian“. Eines Tages fragte er mich: „Du bist doch ein fan von ‚Valerian’? Warum drehst du dann ‚Das fünfte Element’ und nicht ‚Valerian’?“ Ich wusste zuerst nicht, was ich antworten sollte, ging nach Hause und stöberte nochmals in den Heften. Dann entgegnete ich ihm: „Weil es unmöglich ist, diesen comic zu verfilmen!“ Vor 20 Jahren stimmte das auch, denn die Technologie war noch nicht soweit. Vor zehn Jahren kaufte ich schließlich die Rechte und sagte zu Mézières: „Ich versuche es, aber setze mich nicht unter Druck, den es wird ein langer Prozess werden.“

 

Vielen Dank, James Cameron!

 

Dann saßen sie sieben Jahre an der Fertigstellung von „Valerian“?

 

Damals fing ich mit dem ersten Drehbuchentwurf an, aber es folgten weitere; insgesamt war ich drei bis vier Jahre nur mit dem Drehbuch beschäftigt. Danach heuerte ich Designer für die visuelle Umsetzung an, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wo wir hinwollen. Das war der Zeitpunkt, an dem ich mich gut gerüstet fühlte, den Film endlich zu drehen. Doch dann kam 2009 „Avatar“ ins Kino und ich warf alle Entwürfe in den Müll. Sie waren nicht mehr gut genug. Also fing ich wieder von vorn an. Vielen Dank, James Cameron!

Offizieller Filmtrailer


 

Vier weitere Jahre Training für Olympia

 

Ist das sarkastisch gemeint?

 

Gar nicht, denn es ist so viel besser geworden und ich bin glücklich darüber, dass wir uns nochmals richtig angestrengt haben. Wir haben fast alles geändert. Ich wusste damals, dass ich ein guter Läufer bin, aber noch nicht gut genug, um an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Manchmal muss man nochmals vier Jahre üben, um dann bei der nächsten Olympiade teilzunehmen; jetzt sind wir hier mit unserem Ergebnis.

 

Wie sehr entspricht Ihr Film noch Ihren Visionen als Jugendlicher?

 

Ich habe für den Film sehr viele kreative Köpfe mit ins Boot geholt und ließ ihnen viele Freiheiten. Allerdings ließ ich auch meine eigenen Ideen einfließen. Ich habe zum Beispiel ein alien beschrieben: wo es lebt, was es isst und welche Fähigkeiten es besitzt. Wie es auszusehen hat, überließ ich den Anderen; ich wollte, dass sie sich darüber die wildesten Gedanken machen. Viele Monate später wählte ich aus den Vorschlägen aus und baute ein Gesamtkonzept auf,  damit alles zueinander passt.

 

In Berlin Sushi essen + Bob Marley hören

 

Inzwischen ist die Leinwand von comic-Helden regelrecht übervölkert. Wie sehr war Ihnen daran gelegen, einen neuen Weg der Adaption zu finden?

 

Ich mag an meinen Helden Valerian und Laureline, dass sie sich sehr menschlich verhalten. Wenn sie etwa in einem Raumschiff sitzen und sich gegenseitig hochnehmen: „Hey, du bist ein Mädchen, du kannst kein Raumschiff fahren.“ Ich wollte keinen Superhelden à la Schwarzenegger. Davon haben wir schon so viele. Ich will Helden zeigen, mit denen man sich ein bisschen identifizieren kann. Trotzdem ist Valerian ein cooler Typ; manchmal lügt er auch. Gleichzeitig würde er für seine Partnerin sterben. Das mag ich an ihm: Er ist nicht immer heldenhaft, aber wenn es darauf ankommt, kann man sich auf ihn verlassen. Und Laureline ist sowieso die Klügere.

 

Sehen Sie darin einen wichtigen Unterschied zwischen US-amerikanischen und französischen comics?

 

Das ist für mich schwer zu beantworten, weil ich ganz anders denke. Ich erkläre das mal an einem Beispiel: Nehmen wir mal Van Gogh. Er stammte aus Holland; die Blumen, die er malte, fand er in Frankreich, und viele seiner Gemälde hängen heute in New York. Also erübrigt sich die Frage nach dem woher, weil sie letztlich auch keine Rolle spielt. Es zählt das Gemälde, und das ist erstaunlich. Manchmal wird Kunst einfach nur dadurch bestimmt, dass verschiedene Leute mit ihren Visionen zusammenkommen. Mir gefällt, dass man heutzutage in Berlin sein kann, Sushi isst und Bob Marley hört – und das alles zum gleichen Zeitpunkt.

 

Wir alle sind ein Teil der Zukunft

 

In „Valerian“ wollen unzählige aliens gemeinsam an einem Ort in Frieden leben.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Valerian - Die Stadt der tausend Planeten" – ambitionierte SciFi-Comic-Adaption von Luc Besson

 

und hier einen Bericht über den Film "Arrival" – faszinierend intelligenter SciFi-Psychothriller über Kommunikation mit Außerirdischen von Denis Villeneuve

 

und hier eine Besprechung des Films "The Whispering Star" – wunderbar elegisches SciFi-Kammerspiel über einen interstellaren Paketdienst von Sion Sono

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Things to Come - Science-Fiction-Film" - im Museum für Film und Fernsehen, Berlin.

 

Die Stadt Alpha könnte für Berlin oder New York stehen. Mir gefällt, dass man sich in meinem Film mit so vielen unterschiedlichen aliens auseinandersetzen muss, dass es fast einfach erscheint, wenn man nach dem Kino wieder mit anderen Menschen klar kommen muss. Die Unterschiede, die es zwischen uns gibt, sind belanglos, weil wir alle gleich aussehen. Wie schwer muss mit Spezies sein, die ganz anders aussehen!

 

Blicken Sie eher positiv oder negativ in die Zukunft?

 

Ich weiß nicht, wie man überhaupt negativ in die Zukunft blicken kann, denn sie ist doch noch gar nicht geschrieben. Aber wir haben die Möglichkeit, die Zukunft zu gestalten und heute schon Einfluss darauf zu nehmen. Wenn man also negativ darüber denkt, ist das eine sehr eigenwillige und -artige Weltsicht. Wir alle sind ein Teil der Zukunft. Man muss sich nur mal einen schönen Strand ansehen, der nur aus vielen Sandkörnern entstehen konnte – jeder von uns ist ein solches Sandkorn.

 

Alle blicken auf Künstler

 

Welchen Einfluss können Filme auf die Zukunft nehmen?

 

Nicht nur Filme, sondern Kreativität und Kunst sind essentiell, denn leider wird es immer schwieriger, an die Politik zu glauben: Dort sollte man die Wahrheit sprechen, doch in Wirklichkeit wird nur gelogen. Es ist ebenso schwierig, noch Sportlern zu glauben, denn sie nehmen Drogen. Also bleiben nur noch die Sonderlinge und Künstler übrig, die oft nicht wissen, was sie sagen – oder sie trinken. Dennoch blicken alle auf sie, denn sie sagen immerhin noch die Wahrheit. Ist das nicht komisch? (lacht)