
Vier Jahre nach dem Theaterkammerspiel „Venus im Pelz“ macht sich Regisseur Roman Polanski erneut daran, die psychologischen Nöte eines Menschen in einer Schaffenskrise auszuloten. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Delphine de Vigan porträtiert „Nach einer wahren Geschichte“ eine Schriftstellerin mittleren Alters mit Schreibblockade. Doch offenbar war auch der Regisseur beim Dreh nicht ganz auf der Höhe: Sein Film verspricht mehr, als er halten kann, und verheddert sich zusehends in dramaturgischen Sackgassen.
Info
Nach einer wahren Geschichte
Regie: Roman Polanski,
110 Min., Frankreich 2017;
mit: Emmanuelle Seigner, Eva Green, Vincent Perez
Ghostwriterin als Vertraute
Denn die von einer Schreibblockade geplagte Autorin, deren Leben nach dem Auszug der Kinder eintönig geworden ist, sehnt sich nach Ablenkung. Wie sich bald herausstellt, schreibt auch Elle – bezeichnenderweise ist sie Ghostwriterin. Schnell wird sie zur Vertrauten von Delphine, die in ihr eine verwandte einsame Seele sieht. Schließlich zieht Elle unter einem Vorwand bei ihr ein und übernimmt lästige Aufgaben, bis hin zur täglichen Email-Korrespondenz.
Offizieller Filmtrailer
Vielleicht nur eine Wahnvorstellung
Darüber hinaus überwacht sie eifersüchtig jeden Schritt von Delphine und wird ihr immer ähnlicher: Einmal vertritt sie die Autorin sogar bei einem Vortrag. Und nach einem Sturz, der Delphine mit einem Gipsbein ans Haus fesselt, wird Elle geradezu unentbehrlich. Selbstlos sind ihre Freundschaftsdienste jedoch nicht. Sie treibt Delphine an, ein ganz anderes Buch zu schreiben, als dieser eigentlich vorschwebt – und liefert dazu mit ihrer Lebensgeschichte, die äußerst romanhaft klingt, auch gleich die Inspiration.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Venus im Pelz" – meisterhafte Verfilmung des Bühnenstücks durch Roman Polanski
und hier einen Beitrag über den Film "Die Wolken von Sils Maria" – vielschichtiges Schauspielerinnen-Drama von Olivier Assayas
und hier einen Bericht über den Film "Der Gott des Gemetzels" – dichte Verfilmung des Theaterstücks von Yasmina Reza durch Roman Polanski
und hier eine Kritik des Films "Roman Polanski: A Film Memoir" – Doku über die Biographie des polnischen Regisseurs von Laurent Bouzerau.
Unbefriedigende Auflösung
Delphine trägt farblose Pullover, Mützen und Schals; Elle ist immer perfekt angezogen und geschminkt. Elle sagt Delphine frei heraus, was diese sich vielleicht bereits selbst denkt, aber nicht auszusprechen wagt. Elle schürt Delphines Zweifel am neuen Romanstoff und setzt damit eine Lebensenergie frei, die der Schriftstellerin zuvor abhanden gekommen war: Letztlich wirkt sie als ein – wenngleich lebensgefährlicher – Katalysator für einen überfälligen Schaffensprozess.
Doch trotz der effektvoll eingesetzten Winkelzüge wirkt der Film konstruiert und blutleer. Das mag auch an der wie sediert agierenden Emmanuelle Seigner liegen, die hier von Eva Green glatt an die Wand gespielt wird. Überdies wird auch die Spannung in „Nach einer wahren Geschichte“ eher behauptet, als dass sie wirklich vorhanden wäre. Eigentlich hält den Zuschauer nur die Neugier bei der Stange, ob sich die Rätsel um Elle am Ende wohl klären werden. Aber selbst diese Auflösung bleibt im Film unbefriedigend: Der Kreis schließt sich, und alles scheint von vorne zu beginnen.