Florian Henckel von Donnersmarck

Werk ohne Autor

Der Künstler Kurt Barnert (Tom Schilling) in seiner Werkstatt. Foto: Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
(Kinostart: 3.10.) Euthanasie und Fotorealismus: Mit seinem fiktiven Künstlerporträt versucht sich Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck am großen Gesellschaftspanorama – herausgekommen ist nur überambitionierter Kitsch.

Acht Jahre nach einem mit wenig Begeisterung aufgenommenen Ausflug ins Thrillerfach („The Tourist“) wendet sich Florian Henckel von Donnersmarck mit seinem neuen Film erneut der Bebilderung deutscher Geschichte zu. Damit kehrt er zum Sujet seines oscarprämierten ersten Langfilms „Das Leben der Anderen“ (2005) zurück – und weitet den Blickwinkel: „Werk ohne Autor“ beleuchtet gleich drei zeitliche Epochen mit ihren Systemen und Lebenswelten.

 

Info

 

Werk ohne Autor

 

Regie: Florian Henckel von Donnersmarck,

188 Min., Deutschland/ Italien 2018;

mit: Tom Schilling, Sebastian Koch, Paula Beer

 

Weitere Informationen

 

Neben Politik und Ideologie rückt diesmal die Kunst ins Zentrum. Der in großem Bogen erzählte Werdegang des Malers Kurt Barnert (als Erwachsener: Tom Schilling) orientiert sich dabei deutlich am Lebensweg Gerhard Richters. Mit ihm hat Henckel von Donnersmarck in der Vorbereitung des Films Originalschauplätze der Handlung zwischen Dresden und Düsseldorf besucht, um anschließend aus den Ergebnissen der Recherche die – wie der Regisseur sagt –  „wahre Geschichte“ zu destillieren.

 

Entartete Kunst

 

Und genau darin liegt die Krux des Films. Bereits die didaktische Auftaktszene führt vor Augen, wie im weiteren Verlauf die Frontstellung zwischen Obrigkeit, Mitläufern und Künstlergenie verlaufen wird. Als nationalsozialistisch geschulter Kunsthistoriker führt Lars Eidinger hier durch die „Entartete Kunst“-Ausstellung und scheidet – für den Zuschauer natürlich sofort nachvollziehbar falsch – Gutes von Verdorbenem. Aus der Gruppe, die sich das anhört, stechen allein der sechsjährige Kurt (als Kind: Cai Cohrs) und die von ihm bewunderte eigensinnige Tante Elisabeth (Saskia Rosendahl) hervor.

Offizieller Filmtrailer


 

Eigener künstlerischer Ausdruck

 

Es geht um den Kampf der Empfindsamen gegen Nazis und Systemprofiteure mit ihren kunst- und lebensfeindlichen Anschauungen. Personell wie ideologisch werden letztere den Übergang in die auf die Kriegsniederlage folgenden Gesellschaftsmodelle problemlos bewältigen. Dort knüpfen sie weiter ihre Verbindungen und festigen ihre Stellungen. Die Eigensinnigen, die sich nicht vereinnahmen lassen wollen oder können, werden dagegen entweder – wie Tante Elisabeth – von den Nazis ermordet oder aber – wie der Vater – wenig später in der DDR in Selbstaufgabe und Freitod getrieben.

 

Nur in schicksalsbegünstigten Ausnahmefällen und mit viel Talent und Besessenheit kann gelingen, was Kurt Barnert schließlich schafft: seine Verwandlung in ein gefeiertes Künstler-Genie. Eine entscheidende Voraussetzung dafür ist allerdings, dass er sich gerade noch rechtzeitig in den Westen absetzt. An der Düsseldorfer Kunsthochschule findet er das ihm gemäße Umfeld. Hier verhilft ihm die Kritik seines Mentors Professor van Verten – einer der Höhepunkte des Films: die an Joseph Beuys angelehnte Kunstprofessoren-Performance von Oliver Masucci – zunächst zu einer Schaffens- und Identitätskrise, dann aber auch zur eigenen Ausdrucksform.

 

Frauen als Stichwortgeberinnen

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension die Ausstellung "Gerhard Richter - Abstraktion" - große Retrospektive im Museum Barberini, Potsdam

 

und hier einen Bericht über den Dokumentarfilm Gerhard Richter Painting - Porträt des Künstlers im Atelier von Corinna Belz

 

und hier einen Beitrag über den Film "Die Blumen von Gestern" - aberwitzig groteske Tragikomödie zur NS-Aufarbeitung von Chris Kraus mit Lars Eidinger.

 

Fotorealistisch bannt Kurt nun traumatische oder erotische Erlebnisse seines Lebens auf die Leinwand, schichtet sie neben- und übereinander und verleiht ihnen eine künstliche Unschärfe. So kommen in seinen Arbeiten zwar Unheil und Zeitgeschehen zum Ausdruck, jedoch verweigern sie sich – wie der Künstler selbst – jeder Erklärung und politischen Einordnung. Allen überzeugenden schauspielerischen Leistungen zum Trotz bleibt der Film im Kitsch stecken. Viel zu glatt ordnet sich hier alles der Idee unter, den gesamten Wahnsinn des 20. Jahrhunderts an den erzählten individuellen Schicksalen festzumachen.

 

Dafür werden mit sehr viel Aufwand Zeitkolorit und Authentizität behauptet. Insbesondere Szenen wie die Bombardierung Dresdens zeigen aber, dass es letztlich eher um die emotionale Überwältigung des Zuschauers geht, denn um eine tiefere Durchdringung des Stoffs. Weniger wäre mehr gewesen – zumal die Bombardierung der Elbmetropole auf unangenehme Weise mit der Ermordung Tante Elisabeths im Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten vermengt wird. Zusätzlich negativ fällt in diesem Zusammenhang das Rollenverständnis des Films auf: Frauen kommen hier allein als Stichwortgeberinnen und Unterstützerinnen des männlichen Genies vor. 

 

Verklemmt und einfallslos

 

Männer machen Geschichte und halten sie in ihrer Kunst für die Nachwelt fest. Dass Kurts Frau Ellie (Paula Beer) zunächst als passionierte Modestudentin im höheren Semester eingeführt wird, gerät schnell in Vergessenheit. Dafür gibt es zahlreiche Sexszenen, die unter einer fast verklemmten Einfallslosigkeit leiden. Den ganz großen Wurf hat Henckel von Donnersmarck hier abliefern wollen. Weder an erzählenswerten Schicksalen noch an tollen Darstellern hätte es dafür gemangelt. Am Ende ist bei viel Ehrgeiz und wenig Finesse nicht mehr herausgekommen als ein ziemlich großer Mist.