Acht Jahre nach einem mit wenig Begeisterung aufgenommenen Ausflug ins Thrillerfach („The Tourist“) wendet sich Florian Henckel von Donnersmarck mit seinem neuen Film erneut der Bebilderung deutscher Geschichte zu. Damit kehrt er zum Sujet seines oscarprämierten ersten Langfilms „Das Leben der Anderen“ (2005) zurück – und weitet den Blickwinkel: „Werk ohne Autor“ beleuchtet gleich drei zeitliche Epochen mit ihren Systemen und Lebenswelten.
Info
Werk ohne Autor
Regie: Florian Henckel von Donnersmarck,
188 Min., Deutschland/ Italien 2018;
mit: Tom Schilling, Sebastian Koch, Paula Beer
Entartete Kunst
Und genau darin liegt die Krux des Films. Bereits die didaktische Auftaktszene führt vor Augen, wie im weiteren Verlauf die Frontstellung zwischen Obrigkeit, Mitläufern und Künstlergenie verlaufen wird. Als nationalsozialistisch geschulter Kunsthistoriker führt Lars Eidinger hier durch die „Entartete Kunst“-Ausstellung und scheidet – für den Zuschauer natürlich sofort nachvollziehbar falsch – Gutes von Verdorbenem. Aus der Gruppe, die sich das anhört, stechen allein der sechsjährige Kurt (als Kind: Cai Cohrs) und die von ihm bewunderte eigensinnige Tante Elisabeth (Saskia Rosendahl) hervor.
Offizieller Filmtrailer
Eigener künstlerischer Ausdruck
Es geht um den Kampf der Empfindsamen gegen Nazis und Systemprofiteure mit ihren kunst- und lebensfeindlichen Anschauungen. Personell wie ideologisch werden letztere den Übergang in die auf die Kriegsniederlage folgenden Gesellschaftsmodelle problemlos bewältigen. Dort knüpfen sie weiter ihre Verbindungen und festigen ihre Stellungen. Die Eigensinnigen, die sich nicht vereinnahmen lassen wollen oder können, werden dagegen entweder – wie Tante Elisabeth – von den Nazis ermordet oder aber – wie der Vater – wenig später in der DDR in Selbstaufgabe und Freitod getrieben.
Nur in schicksalsbegünstigten Ausnahmefällen und mit viel Talent und Besessenheit kann gelingen, was Kurt Barnert schließlich schafft: seine Verwandlung in ein gefeiertes Künstler-Genie. Eine entscheidende Voraussetzung dafür ist allerdings, dass er sich gerade noch rechtzeitig in den Westen absetzt. An der Düsseldorfer Kunsthochschule findet er das ihm gemäße Umfeld. Hier verhilft ihm die Kritik seines Mentors Professor van Verten – einer der Höhepunkte des Films: die an Joseph Beuys angelehnte Kunstprofessoren-Performance von Oliver Masucci – zunächst zu einer Schaffens- und Identitätskrise, dann aber auch zur eigenen Ausdrucksform.
Frauen als Stichwortgeberinnen
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension die Ausstellung "Gerhard Richter - Abstraktion" - große Retrospektive im Museum Barberini, Potsdam
und hier einen Bericht über den Dokumentarfilm “Gerhard Richter Painting” - Porträt des Künstlers im Atelier von Corinna Belz
und hier einen Beitrag über den Film "Die Blumen von Gestern" - aberwitzig groteske Tragikomödie zur NS-Aufarbeitung von Chris Kraus mit Lars Eidinger.
Dafür werden mit sehr viel Aufwand Zeitkolorit und Authentizität behauptet. Insbesondere Szenen wie die Bombardierung Dresdens zeigen aber, dass es letztlich eher um die emotionale Überwältigung des Zuschauers geht, denn um eine tiefere Durchdringung des Stoffs. Weniger wäre mehr gewesen – zumal die Bombardierung der Elbmetropole auf unangenehme Weise mit der Ermordung Tante Elisabeths im Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten vermengt wird. Zusätzlich negativ fällt in diesem Zusammenhang das Rollenverständnis des Films auf: Frauen kommen hier allein als Stichwortgeberinnen und Unterstützerinnen des männlichen Genies vor.
Verklemmt und einfallslos
Männer machen Geschichte und halten sie in ihrer Kunst für die Nachwelt fest. Dass Kurts Frau Ellie (Paula Beer) zunächst als passionierte Modestudentin im höheren Semester eingeführt wird, gerät schnell in Vergessenheit. Dafür gibt es zahlreiche Sexszenen, die unter einer fast verklemmten Einfallslosigkeit leiden. Den ganz großen Wurf hat Henckel von Donnersmarck hier abliefern wollen. Weder an erzählenswerten Schicksalen noch an tollen Darstellern hätte es dafür gemangelt. Am Ende ist bei viel Ehrgeiz und wenig Finesse nicht mehr herausgekommen als ein ziemlich großer Mist.