Am Anfang steht die Gretchenfrage: „Wie hältst du’s mit der Universität?“ Das will Institutsleiterin Brenda Berger (Sophie Rois) von ihrer neuen Mitarbeiterin Phoebe Phaidon (Sarah Ralfs) wissen. Berger ist im Wissenschaftsbetrieb nolens volens zur bloßen Ressourcenverwalterin mutiert; Phaidon dagegen ist noch Idealistin und – wie ihr an einer Stelle vorgeworfen wird – Träumerin.
Info
Weitermachen Sanssouci
Regie: Max Linz,
80 Min., Deutschland 2019;
mit: Sarah Ralfs, Sophie Rois, Philipp Hauß, Bernd Moss
Simulation auf allen Ebenen
Simulation ist dabei nicht nur ein Forschungsgegenstand. Der ganze universitäre Betrieb beruht darauf, dass jeder jedem etwas vorspielt, seiner Rolle entsprechend – anstatt sich etwa mit wissenschaftlichen Thesen zu beschäftigen. Die Wissenschaft muss im Zeitalter der Uni-Rankings nur mehr beweisen, dass die Peformance stimmt, dass sie die beste ist – was das auch immer konkret bedeutet. Über diese Tatsache wundert sich irgendwann sogar die Institutsleiterin.
Offizieller Filmtrailer
Anregungen von der Frankfurter Schule
Dass „Weitermachen Sanssouci“ selbst wie eine Simulationsmaschine funktioniert und auch das Kino als solche vorführt, ist Teil des subtilen Witzes des Films. Max Linz, 1984 geboren, vertritt eine unkonventionelle Position im jungen deutschen Kino. Er schaut sich viel von den Alten ab, die mit Film nur am Rande zu tun haben. Von der Frankfurter Schule zum Beispiel: Das „Weitermachen“ im Filmtitel hat er von Herbert Marcuses Grabstein übernommen.
Linz‘ Ansatz ist auch mit dem urbanen Volkstheater eines René Pollesch verwandt. Der Dramatiker und Regisseur wird im Sommer 2021 die Intendanz der Berliner Volksbühne übernehmen, um die Nachfolge von Frank Castorf wurde lange und heftig gerungen. Überspitzt gesagt, arbeitet Linz an einem Boulevard-Kino für die ehemalige Generation Praktikum. Dramaturgisch ist das manchmal holprig; den Schlauberger-Gestus muss man mögen oder zumindest aushalten. Dann jedoch macht der Film großen Spaß.
Verfremdung gegen die Klischees
In seinem Spielfilmdebüt „Ich will mich nicht künstlich aufregen“ (2014) nahm Linz die Kreativwirtschaft in den Fokus, besonders die Arbeitsbedingungen im Kino- und Kunstbetrieb. Durch den massiven Einsatz von Verfremdungseffekten hob sich das Ergebnis angenehm von den Klischees über das Berliner Kulturprekariat ab, die nicht nur im Kino rauf- und runtergenudelt werden. „Arm, aber sexy“ lautete die platte Floskel, die der Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit einst ins Spiel brachte.
In „Weitermachen Sanssouci“ ergänzt Linz dieses Personal nun um das längst nicht so hippe Akademikerproletariat: nicht mehr junge, überqualifizierte Handwerkerinnen des Wissens, die sich von einem 600-Euro-pro-Semester-Lehrauftrag zur nächsten befristeten Mini-Stelle hangeln müssen. Idealistisch, was die Inhalte betrifft; zugleich aber zunehmend resigniert über die Strukturen und Lebensumstände, in denen sie stecken.
Distanz schafft Witz
Das zentrale Problem für Phoebe Phaidon, Brenda Berger und ihre Mitstreiter ist, dass sie sich an der Vermarktungslogik messen lassen müssen. Als Endgegner wartet in Linz‘ Film das gefürchtete Monster Evaluation. Bis zum Showdown, der als absurde Apokalypse inszeniert wird, samt kunsthistorischer Verweise auf das Jüngste Gericht, versucht der Lehrkörper mit Designmöbeln – teils von Sponsoren, teils aus Drittmitteln finanziert – zu beweisen, wie attraktiv und modern man doch ist.
Hintergrund
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und hier einen Beitrag über den Film "Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" - informative Doku über Alternativen zum Turbo-Kapitatlismus von Florian Opitz.
Wie macht man weiter?
Dabei erweist Linz sich vor allem als Sprachkritiker. Die besten Momente hat „Weitermachen Sanssouci“ immer, wenn die Akteure rhetorischen Blödsinn aufeinander loslassen: „So generiert man doch keine Catchphrase“ heißt es da; oder auch „Das ganze Smart-House-System ist am Zusammenbrechen!“. Oder „Ich glaub, mich nudget der Affe.“
Man darf vermuten, dass Linz wie seine Protagonistin Phoebe ein hoffnungsloser Idealist ist. Im Angesicht von Auflösungserscheinungen an der Uni und der drohenden Auslöschung der Menschheit geht es an seinem fiktiven Institut trotzdem ums Weitermachen. Die Frage, wie das aussehen könnte, lässt sich vielleicht mit einer Gegenfrage beantworten, so naiv und unverblümt wie ein Lied im Film: „Warum kann es hier nicht schön sein? Und warum werden wir nicht froh?“