Zwischen Eisbergen gleitet ein Einerkajak voran. Darin sitzt mit schicker Sonnenbrille Bernadette Fox, frühere Star-Architektin und derzeit vor allem Mutter und Ehefrau in Auszeit; sie betrachtet gebannt die antarktische Umgebung. Eine erfrischend ungewöhnliche Heldin steht im Mittelpunkt des neuen Films von Richard Linklater, dem Autorenfilm-Spezialisten für die Irrungen und Wirrungen der US-Mittelklasse; die Hauptrolle ist mit Cate Blanchett kongenial besetzt.
Info
Bernadette
Regie: Richard Linklater,
110 Min., USA 2018;
mit: Cate Blanchett, Kristen Wiig, Billy Crudup
Nach Seattle zu Microsoft
Dann kauft jedoch ein Promi, der Bernadette nicht leiden kann, ihr Meisterhaus; aber nur, um es abreißen zu lassen. Gekränkt wendet sie sich von der Architektur ab und folgt ihrem Mann nach Seattle; dort macht Elgie beim Software-Giganten Microsoft Karriere. Nach mehreren Fehlgeburten zieht seine Frau die zunächst kränkliche Tochter Bee (Emma Nelson) groß; dafür verbraucht sie nach eigenen Worten die übrigen 16 großen Ideen des Medaillons.
Offizieller Filmtrailer
Brombeeren als Zankapfel
Die Kleinfamilie lebt in einem geräumigen, aber heruntergekommenen Haus am Hang, in das es überall hineinregnet. Umwuchert wird es von verwilderten Brombeer-Hecken, welche die spießige Nachbarin Audrey (Kristen Wiig) als Bedrohung ihres Gartens und des gesamten Viertels fürchtet – so werden die Gewächse zum Zankapfel.
Nach etlichen Jahren in Seattle hat sich Bernadette in ihrer Nachbarschaft noch nicht eingelebt; sie empfindet dafür wenig mehr als Ekel. Ansonsten wirkt sie unausgelastet: Sie ist allein auf Bee fixiert, was beiden Spaß macht, und managt ihren Alltag mit Hilfe eines ominösen Assistenten, mit dem sie allein über Sprachnachrichten kommuniziert.
Antarktis-Reise als Schul-Prämie
In für Linklater typischer Manier wird am laufenden Band geredet, kommentiert und gelästert; in der Filmhandlung selbst wie aus dem Off. Einige Figuren und Konstellationen kommen dabei arg klischeehaft daher. Doch als die Ärgernisse sich auswachsen und eskalieren – bis zum Versinken des Nachbar-Hauses in einer Schlammlawine –, nimmt man Bernadette ihre Überforderung durch nervtötende Langeweile und Reibereien mit ihrer Umgebung durchaus ab. Auch Elgie, der öfter im Büro als zu Hause ist, sorgt sich ratlos um seine Frau; als eher schwacher Charakter will er ihre Problem an eine Therapeutin delegieren.
Hintergrund
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Sprung aus Badezimmer-Fenster
Vor die Wahl gestellt, sich in eine psychiatrische Klinik einweisen zu lassen oder ein weiteres Mal davonzulaufen, entschließt sich Bernadette zu einem Sprung aus dem Fenster in ihrem Badezimmer; flugs flieht sie in die Antarktis, da sie Flüge und Schiffspassagen dorthin schon gebucht hatte. Dort schmiedet sie neue große Pläne – und die Ankunft der Restfamilie lässt nicht lange auf sich warten.
Man merkt: Dieser Film ist etwas zu bunt und zu geschwätzig geraten; zudem stört der belanglose Soundtrack. Regisseur Linklater gelingt es leider nicht, dem interessanten und komplexen Charakter seiner Protagonistin gerecht zu werden. Dabei hat das Thema, wie herausragende Kreativität durch Routine in Familie, Haushalt und sozialem Umfeld abzusterben droht, viel erzählerisches Potenzial – zumal Cate Blanchett in der Hauptrolle eindrucksvoll glänzt.