Adam Driver

The Report

Daniel Jones (Adam Drive) kämpft für seinen Report. Foto: Atsushi Nishijima. Fotoquelle: DCM
(Kinostart: 7.11.) Der wandelnde Untersuchungsausschuss: Als Assistent einer US-Senatorin enthüllt Adam Driver die Folterpraktiken der CIA nach 9/11. Das nüchterne Dokudrama von Regisseur Scott Z. Burns erklärt auch die Selbstlähmung demokratischer Regierungen.

Ein unattraktiveres Filmsujet scheint kaum vorstellbar: Ein emsiger Büromitarbeiter sitzt jahrelang in fensterlosen Arbeitsräumen und wertet Terabytes von Dokumenten aus. Nach fünf Jahren hat er 7000 Seiten gefüllt; sein Bericht weist nach, dass der Geheimdienst Gefangene foltern ließ. Was die Agenten unter Verschluss halten wollen; sie sabotieren erst den Mitarbeiter, dann seine Vorgesetzte. Doch schließlich kommt die Wahrheit ans Licht.

 

Info

 

The Report

 

Regie: Scott Z. Burns,

119 Min., USA 2019;

mit: Adam Driver, Annette Bening, Jon Hamm

 

Aus dieser staubigen Behörden-Intrige macht Regisseur Scott Z. Burns einen fesselnden Politthriller. Indem er gar nicht erst versucht, ihn mit Schauwerten aufzufrisieren, sondern sich ganz auf die psychologische Dynamik zwischen den Akteuren konzentriert, die sich in mitreißenden Redeschlachten entlädt. Dabei entsteht ein ebenso präzises wie ernüchterndes Bild, wie heutzutage Regierungshandeln zustande kommt – und warum es so wenig bewirkt.

 

Prinzipientreuer Aktenfresser

 

Daniel Jones (Adam Driver) ist ein Politik-Nerd; Typ ehrgeiziger, aber prinzipientreuer Aktenfresser. Er wird von der prominenten demokratischen US-Senatorin Dianne Feinstein (Annette Bening) engagiert, um das „Detention and Interrogation Program“ (DIP) auszuwerten. Es beinhaltet die Maßnahmen, mit der die CIA nach den Attentaten vom 11. September 2001 gegen vermeintliche Terrorverdächtige vorging: vor allem brutale Verhörmethoden am Rande systematischer Folter in Geheimgefängnissen auf den Territorien von US-Verbündeten.

Offizieller Filmtrailer


 

80 Millionen Dollar verschwendet

 

Tagein, tagaus sitzen Jones und zwei Mitstreiter in einem kahlen Keller und lesen interne CIA-Unterlagen. Bald stellt sich heraus, dass die umstrittenen Verhörtechniken auf Empfehlung von zwei dubiosen Psychologen eingeführt wurden, die sich mehr von Rachegelüsten als Fachkenntnissen leiten ließen. Mit Dauerbeschallung, Demütigungen und dem berüchtigten waterboarding wollten sie Gefangene in den Zustand „erlernter Hilflosigkeit“ versetzen – vulgo: ihren Willen brechen. Dann würden sie wertvolle Geheimnisse preisgeben.

 

Ein Trugschluss: Verhörprotokolle belegen, dass die Gefangenen kaum verwertbare Informationen lieferten – weil sie nichts wussten oder den Torturen widerstanden. Das DIP, das rund 80 Millionen Dollar kostete, war nicht nur grausam und gesetzeswidrig, sondern auch praktisch nutzlos. Diese niederschmetternde Bilanz will CIA-Direktor John Brennan (Ted Levine) vertuschen: Er schreckt nicht davor zurück, seine Leute die Computer von Jones‘ Team ausforschen zu lassen – ein Akt illegaler innerstaatlicher Spionage. Schließlich kommt es zum Showdown im zuständigen Komitee des US-Senats: Eine 500-seitige Zusammenfassung des Berichts wird 2014 publiziert, der gesamte Text bleibt Geheimsache.

 

Versuchskaninchen im Sadisten-Studio

 

Daran ist inhaltlich wenig neu; die unmenschlichen Haftbedingungen im Al-Ghraib-Gefängnis von Bagdad wurden bereits ab 2004 aufgedeckt, später kamen Berichte über CIA-Geheimverliese in aller Welt hinzu. Zurecht interessiert sich Regisseur Burns weniger für die Fakten an sich – er beschränkt sich auf kurze Rückblicke mit Folterszenen. Stattdessen konzentriert er sich auf die Machenschaften innerhalb des Machtapparats: Wie kam es, dass solche barbarischen Praktiken von höchster Stelle abgesegnet wurden? Und warum ließ die CIA nicht davon ab, als klar wurde, wie wirkungslos sie waren?

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Vice - der zweite Mann" - brillantes Biopic über US-Vizepräsident Dick Chenney von Adam McKay mit Christian Bale

 

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und hier einen Beitrag über den Film "Die Erfindung der Wahrheit – Miss Sloane" - brillantes Porträt einer Polit-Lobbyistin von John Madden mit Jessica Chastain

 

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Die erste Frage beantwortet sich leicht: In seiner heillosen Verwirrung nach Nine Eleven rekrutierte der Apparat jeden selbst ernannten Experten, der Abhilfe versprach. So konnten zwei Provinz-Psychologen ohne Referenzen sich Millionen an Steuergeldern unter den Nagel reißen, um ihre halbprivaten Sadisten-Studios mit menschlichen Versuchskaninchen aufzubauen – gedeckt von rangniederen CIA-Agenten, die damit ihre betriebsinterne Stellung verbessern wollten.

 

Keiner übernimmt Verantwortung

 

Damit hängt die Klärung der zweiten Frage zusammen: Je länger das DIP lief, desto mehr Mitarbeiter waren involviert und hatten etwas zu verlieren, während sich die Verantwortung dafür immer weiter zerstreute. Ein typischer Fall von Binnenlogik einer wuchernden Bürokratie: Keiner will etwas riskieren. Keiner greift ein, um die Irrsins-Maschinerie anzuhalten – an deren Scheitern später niemand schuld gewesen sein will. Schließlich deckt der CIA-Chef Brennan wider besseres Wissen seine Leute, um ihre angekratzte Arbeitsmoral zu erhalten.

 

Das Weiße Haus in Gestalt von Stabschef Denis McDonough (Jon Hamm) tritt dabei nicht als Entscheidungsinstanz auf, sondern als Moderator, der die Kontrahenten Brennan und Feinstein im Zaum halten muss, während sie sich mit Dossiers, Memoranden und Leaks an die Presse bekämpfen. Dass am Ende der Bericht doch noch publiziert wird, wenn auch gekürzt und zensiert, ist ein schwacher Trost. So optisch karg und nüchtern dieser Film daher kommt: Mutatis mutandis bietet er tiefe Einblicke in die strukturellen Gründe für die Selbstlähmung, in der sich viele Regierungen großer Demokratien heute befinden – auch die GroKo.