Roberto Benigni + Isabella Rossellini

Paolo Conte – Via con me

Paolo Conte. Foto: © Prokino/© Danilea Zedda
(Kinostart: 16.9.) Der Superstar unter den Cantautore: In der Doku von Regisseur Verdelli preisen viele Berühmtheiten Paolo Conte als größten italienischen Liedermacher. Ein aus vielen Konzert-Szenen schön zusammengestellter Fan-Film, der nicht am Denkmal kratzt.

Mit dem Wort Liedermacher ist der italienische Begriff Cantautore nur unzulänglich übersetzt. Zwar beschreibt beides, so wie in Frankreich der „Chansonnier“ und im angelsächsischen Sprachraum der „Singer/Songwriter“, einen Sänger selbst komponierter Lieder. Doch die italienische Version des singenden Liedschmieds unterscheidet sich stilistisch erheblich von den genannten Verwandten.

 

Info

 

Paolo Conte – Via con me

 

Regie: Giorgio Verdelli,

100 Min., Italien 2020;

mit: Roberto Benigni, Isabella Rossellini, Luca Zingaretti

 

Weitere Informationen zum Film

 

Sie ist lyrisch wie musikalisch so spezifisch italienisch, dass sie beispielsweise kaum exportiert wird. Das jährliche Festival von San Remo, in dem Cantautores ihren festen Platz haben, gibt nur einen schwachen Eindruck von der Komplexität des Genres. Einer der wenigen, die mit ihren vielschichtigen Songs auch im Ausland Erfolg haben, ist Paolo Conte.

 

Langjähriges Doppelleben

 

Lange Jahre führte der Mann aus Asti ein Doppelleben: tagsüber als Anwalt und Notar, abends als Cantautore. Für letzteres wird er heute in Italien verehrt wie anderswo nur Bob Dylan. So ist „Via con me“ nicht der erste abendfüllende Film über Paolo Conte, eher ein Update zur neuen Dekade und über weite Strecken: ein Fan-Film.

Offizieller Filmtrailer


 

Stets mit großen Besetzungen

 

Offensichtlich wollte Regisseur Verdelli seinem Star das schönste mögliche Denkmal setzen. Dazu interviewte er eine Reihe von meist berühmten Menschen, die von Conte ebenso hingerissen sind wie der Regisseur selbst. Er spricht auch mit dem Meistersänger persönlich und lässt zwischendurch als Referenz auf einen seiner berühmtesten Songs einen weinroten Fiat Topolino durch norditalienische Landschaften fahren.

 

Zudem filmte Verdelli in den letzten 15 Jahren zahlreiche Konzerte. Sie zeigen Conte mit wechselnden, aber stets großen Besetzungen, denn das Klangbild seiner Lieder ist bei aller Transparenz orchestral. Er lässt dafür Streicher, Bläser, Gitarren und Marimbas auffahren, nascht stilistisch von lateinamerikanischen Rhythmen, aber auch von neapolitanischen Traditionen.

 

Hitlieferant für Celentano + Casselli

 

Wobei Contes musikalische Heimat der Jazz ist: Er begann schon als Teenager, mit seinem Bruder „The Italian Way of Swing“ zu formulieren. Der Multiinstrumentalist spielte erst Posaune, dann Vibraphon und etablierte sich zunächst als Songwriter für andere, bevor er selbst ins Rampenlicht trat, das er bis heute nicht mehr verlassen hat.

 

Dieser recht informative Teil des Films wird mit Archivmaterial aufbereitet. Zu sehen sind u.a. TV-Auftritte des jungen Adriano Celentano und der heute noch erfolgreichen Caterina Casselli. Beide machten mit Conte-Songs Karriere – „Azzuro“ dürfte der bekannteste sein. Außerdem immer wieder Conte selbst, stets in feinem Zwirn und ziemlich zufrieden mit sich.

 

Benigni begehrt Contes Frau

 

So gleitet der Film gemächlich an den Stationen seines Lebens entlang, das offenbar konfliktarm und geradlinig verlief. Conte gilt gemeinhin als Aristokrat und Gentleman, dem einfach alles, was er anpackte, gelang. Wobei der Umstand, dass sich sowieso alle einig sind, diese Doku ein wenig langweilig macht. Dabei gehört zum Kult um die Cantautori doch auch, ständig darüber zu streiten, ob beispielsweise Lucio Battisti, Lucio Dalla oder der sozialkritische Francesco Guccini nicht die wahren Meister seien. Kein Wort darüber in dieser One-Man-Show.

 

Selbst der fröhliche Spötter Roberto Benigni, der Contes Musik für sein Filmdebüt verwenden durfte, zeigte auf seine Weise nichts als Respekt, als er in einem eigenen Song öffentlich gestand, auf Contes Frau Egle zu stehen. Da verwundert es nicht, dass fast alle Interviewten älter als 50 Jahre sind. Jüngere Leute werden Schwierigkeiten haben, die hier gepflegte Art von Herrenhumor zu teilen.

 

Schlecht gealterte Exotismen

 

Ihnen dürfte auch der nostalgische Bezug fehlen zu Sujets wie dem „Topolino amarante“ oder dem Regen, der „so schön auf Regenmäntel“ fällt. Sie würden sich eher wundern, wenn der große Poet, sobald er dieses lyrische Pulver verschossen hat, routinemäßig in brummelnden Scat-Gesang verfällt: „Ram-pam-pam“ und „ta-da-da“. Ganz zu schweigen vom offenbar unvermeidlichen Kazoo-Solo; das mögen unverwüstliche Stilmittel sein, aber genial?

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Die Mafia ist auch nicht mehr das, was sie mal war" – eigenwillige Doku über Kontakte zwischen Unterhaltungsbranche + organisiertem Verbrechen von Franco Maresco

 

und hier eine Besprechung des Films "Aznavour by Charles" – eindrucksvolle Filmbiographie des französischen Chansonnier von Marc di Domenico

 

und hier einen Bericht über den Film "Gundermann" - gelungen facettenreiches Biopic über den DDR-Liedermacher von Andreas Dresen.

 

und hier ein Beitrag über den Film "Maria by Callas" – Dokumentation aus Selbstzeugnissen der Opernsängerin von Tom Volf.

 

 

Überdies ist schwer zu schlucken, dass Contes Blick auf „Afrika“, „Caracas“ oder die immer wieder auftauchende Kneipe „Mocambo“ eine ganze Reihe schlecht gealterter Exotismen abfeiert. Das ist bitter, obwohl er es ohne böse Absicht tut, sondern wohl eher im Versuch, so kühn, weltgewandt und grenzüberschreitend zu komponieren wie sein großes Vorbild: Duke Ellington, der mehrfach im Film aufgerufen wird.

 

Wohltuende kleine Dissonanz

 

Dieser Duke hat sich seinen Adelstitel allerdings erspielt, er hat ihn nicht geerbt; „Conte“ bedeutet „Graf“. Das weiß vielleicht niemand besser als Conte selbst, wenn am Ende des Films gezeigt wird, wie er zuhört, während Ellington seine „Black and Tan Fantasy“ spielt – ein Stück, dass sich tief in Contes eigenen Stil eingeschrieben hat.

 

In diesem Moment ist zu spüren, dass dieser Cantautore, der von seinem Umfeld so einmütig aufs höchste Podest gestellt wird, noch immer einen über sich wusste. Damit reißt er selbst den Film aus seinem nervtötenden Gleichklang der Heiligenverehrung und setzt zum Schluss eine demütige, kleine Dissonanz.