Albrecht Schuch + Daniel Brühl

Im Westen nichts Neues

Stanislaus “Kat” Katczinsky (Albrecht Schuch,li) zusammen mit einem Kameraden. Foto: Netflix/ © Reiner Bajo
(Kinostart: 29.9.) Nach fast 100 Jahren die erste deutsche Verfilmung: Regisseur Edward Berger wagt sich an den berühmten deutschen Anti-Kriegs-Roman von Erich Maria Remarque – und liefert wie dieser eine expressive Schilderung der Gräuel im Granatenhagel an der Westfront des 1. Weltkriegs.

Euphorie für Volk und Vaterland treibt die Gymnasiasten einer norddeutschen Kleinstadt 1917 in Scharen in die Rekrutierungsbüros – aufgepeitscht von Propaganda und nationalistischen Lehrern. Die jungen Männer wollen es dem Franzmann zeigen und glauben, bald das schöne Pariser Leben zu genießen. Aber im Feldlazarett unter Artilleriebeschuss in Feindesland ahnen die unbedarften Rekruten, dass dieser Feldzug kein heroischer Spaziergang wird, sondern eine tödliche Tour de Force.

 

Info

 

Im Westen nichts Neues

 

Regie: Edward Berger,

147 Min., Deutschland/ USA 2022;

mit: Albrecht Schuch, Daniel Brühl, Sebastian Hülk, Aaron Hilmer

 

Weitere Informationen zum Film

 

1929 veröffentlichte Erich Maria Remarque in Berlin seinen millionenfach gelesenen Roman „Im Westen nichts Neues“ – erst jetzt hat sich mit Edward Berger ein deutscher Regisseur an diesen Stoff gewagt. Schon 1930 kam Lewis Milestones Adaption in die amerikanischen Kinos und gewann zwei Oscars; heute gilt sein Film als Klassiker. 40 Jahre später kam eine US-Fernsehproduktion von Delbert Mann heraus; sie gewann 1980 immerhin einen Golden Globe. Bergers Film ist nun für den Oscar für den besten nichtenglischsprachigen Film nominiert worden.

 

Uniform eines Toten

 

Gleich am Anfang des Films liegt ein gefallener Soldat im Schlamm. Er wird aufgesammelt, ins Lazarett gebracht und ausgezogen. Seine Kleider werden gewaschen, ausgebessert, ins Magazin geschickt und schließlich an die Hauptfigur Paul Bäumer (Felix Kammerer) ausgegeben. Der nimmt zunächst an, man habe ihm eine falsche Uniform ausgehändigt – das alte Namensschild ist noch eingenäht. Damit ist klar, dass diese Geschichte auch für Paul nicht gut enden wird.

Offizieller Filmtrailer


 

In Stahlgewittern

 

In langen, ungeschnittenen Einstellungen zeigt Berger das eintönige, hoffnungslose Vegetieren der Soldaten in Schützengräben: Verkrustete, monatelang im Dreck ausharrende Männer beim zermürbenden Stellungskrieg – Männer mit braunen Zähnen, die in jeder kampffreie Minute Normalität simulieren, Nahrung besorgen – sprich: stehlen – oder versuchen, mit den einheimischen Mädchen anzubandeln.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "All my Loving" - bittersüße Dramödie von Edward Berger 

 

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und hier einen Bericht über den Film "Im Krieg – Der 1. Weltkrieg in 3D"historische Weltkriegs-Doku mit animierten Stereoskopie-Fotos von Nikolai Vialkowitsch

 

Auch seinerzeit neue Tötungsmethoden, die Gasgranaten, Maschinengewehre und Flammenwerfer, führt der Film eindrucksvoll vor: Die Bilder in Flammen stehender, um ihr Leben rennender Soldaten verfehlen nicht ihre Wirkung. Und bei der Darstellung des nebelverhangenen Schlachtfelds hat sich Regisseur Berger vielleicht von Otto Dix‘ Triptychon „Der Krieg“ inspirieren lassen, das zu ähnlicher Zeit wie der Roman entstand.

 

Keine Helden

 

Wie Remarque zeigt Berger die industrialisierte Kriegsführung aus der Perspektive der Soldaten an der Front. Aber er geht in seinem Film weiter: Die Kriegsgegner sind nicht nur Rekruten im Feld, sondern auch Diplomaten in Verhandlungen. Im Niemandsland kurz vor Kriegsende treffen in luxuriösen Waggons nicht nur die gegnerischen Unterhändler und Generäle, sondern auch zwei Mentalitäten aufeinander – während draußen im Granatenhagel weiterhin die Soldaten sterben.

 

Das wirkt bisweilen etwas pädagogisch – vielleicht meint man, dem internationalen Publikum die mitteleuropäische Geschichte näher bringen zu müssen, um die Erzählung des Films einordnen zu können. Doch den überzeugend agierenden Darstellern nimmt man ihre Rollen ab. Dabei setzt Berger bei den Hauptpersonen auf neue Gesichter wie Felix Kammerer und Sebastian Hülk. Bekannte Schauspieler wie Albrecht Schuch, Daniel Brühl als Unterhändler Matthias Erzberger und Devid Striesow als General Friedrich agieren dagegen als Nebenfiguren. Diese Entscheidung tut dem Film gut; er bietet eine Version des bekannten Stoffs aus deutscher Sicht – und will keine Heldengeschichte erzählen.

 

ab 28.10. bei Netflix