Euphorie für Volk und Vaterland treibt die Gymnasiasten einer norddeutschen Kleinstadt 1917 in Scharen in die Rekrutierungsbüros – aufgepeitscht von Propaganda und nationalistischen Lehrern. Die jungen Männer wollen es dem Franzmann zeigen und glauben, bald das schöne Pariser Leben zu genießen. Aber im Feldlazarett unter Artilleriebeschuss in Feindesland ahnen die unbedarften Rekruten, dass dieser Feldzug kein heroischer Spaziergang wird, sondern eine tödliche Tour de Force.
Info
Im Westen nichts Neues
Regie: Edward Berger,
147 Min., Deutschland/ USA 2022;
mit: Albrecht Schuch, Daniel Brühl, Sebastian Hülk, Aaron Hilmer
Weitere Informationen zum Film
Uniform eines Toten
Gleich am Anfang des Films liegt ein gefallener Soldat im Schlamm. Er wird aufgesammelt, ins Lazarett gebracht und ausgezogen. Seine Kleider werden gewaschen, ausgebessert, ins Magazin geschickt und schließlich an die Hauptfigur Paul Bäumer (Felix Kammerer) ausgegeben. Der nimmt zunächst an, man habe ihm eine falsche Uniform ausgehändigt – das alte Namensschild ist noch eingenäht. Damit ist klar, dass diese Geschichte auch für Paul nicht gut enden wird.
Offizieller Filmtrailer
In Stahlgewittern
In langen, ungeschnittenen Einstellungen zeigt Berger das eintönige, hoffnungslose Vegetieren der Soldaten in Schützengräben: Verkrustete, monatelang im Dreck ausharrende Männer beim zermürbenden Stellungskrieg – Männer mit braunen Zähnen, die in jeder kampffreie Minute Normalität simulieren, Nahrung besorgen – sprich: stehlen – oder versuchen, mit den einheimischen Mädchen anzubandeln.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "All my Loving" - bittersüße Dramödie von Edward Berger
und hier eine Besprechung des Films "1917" - meisterlich suggestiv gefilmtes Drama über den Ersten Weltkrieg von Sam Mendes
und hier einen Beitrag über den Film "They Shall Not Grow Old" - eindrucksvolle Doku über den Ersten Weltkrieg mit Archivmaterial von Peter Jackson
und hier einen Bericht über den Film "Im Krieg – Der 1. Weltkrieg in 3D" – historische Weltkriegs-Doku mit animierten Stereoskopie-Fotos von Nikolai Vialkowitsch
Keine Helden
Wie Remarque zeigt Berger die industrialisierte Kriegsführung aus der Perspektive der Soldaten an der Front. Aber er geht in seinem Film weiter: Die Kriegsgegner sind nicht nur Rekruten im Feld, sondern auch Diplomaten in Verhandlungen. Im Niemandsland kurz vor Kriegsende treffen in luxuriösen Waggons nicht nur die gegnerischen Unterhändler und Generäle, sondern auch zwei Mentalitäten aufeinander – während draußen im Granatenhagel weiterhin die Soldaten sterben.
Das wirkt bisweilen etwas pädagogisch – vielleicht meint man, dem internationalen Publikum die mitteleuropäische Geschichte näher bringen zu müssen, um die Erzählung des Films einordnen zu können. Doch den überzeugend agierenden Darstellern nimmt man ihre Rollen ab. Dabei setzt Berger bei den Hauptpersonen auf neue Gesichter wie Felix Kammerer und Sebastian Hülk. Bekannte Schauspieler wie Albrecht Schuch, Daniel Brühl als Unterhändler Matthias Erzberger und Devid Striesow als General Friedrich agieren dagegen als Nebenfiguren. Diese Entscheidung tut dem Film gut; er bietet eine Version des bekannten Stoffs aus deutscher Sicht – und will keine Heldengeschichte erzählen.
ab 28.10. bei Netflix