Emilia Clarke + Chiwetel Eijofor

Baby To Go

Familienidylle: Dank Pegasus können sich Alvy (Chiwetel Ejiofor) und Rachel (Emilia Clarke) das „Austragen“ ihres Babys teilen. Ihr Nachwuchs darf für ein paar Tage bei ihnen zu Hause sein. Foto: © Splendid Film
(Kinostart: 11.1.) Nachwuchs aus dem Überraschungs-Ei: Ein hippes New Yorker Paar lässt sein künftiges Kind von einem Dienstleister ausbrüten. Die SciFi-Satire von Regisseurin Sophie Barthes auf Helikopter-Eltern mit Kontrollwahn schneidet radikal ethische Fragen an, macht aber am Ende einen Rückzieher.

Willkommen in den feuchten Träumen von Elon Musk und Apple-CEO Tim Cook! Rachel (Emilia Clarke) und Alvy (Chiwetel Eijofor) leben quasi in Symbiose mit Künstlicher Intelligenz (KI). Sie arbeitet bei einem Tech-Konzern, er als Botaniker an der Uni. Das junge Paar – von den beiden britischen Schauspielern hervorragend nuanciert und subtil verkörpert – bewohnt in naher Zukunft ein Penthouse mit prachtvoller Aussicht auf New York und etlichen elektronischen Dienstboten.

 

Info

 

Baby To Go

 

Regie: Sophie Barthes,

111 Min., Großbritannien 2023;

mit: Emilia Clarke, Chiwetel Eijofor, Rosalie Craig

 

Weitere Informationen zum Film

 

Kaum klingelt der Wecker, wird das Licht sanft heraufgedimmt, Kaffeemaschine und Toaster springen automatisch an, und der Kleiderschrank legt passende Outfits zurecht. Sprachassistent „Elena“ fragt nach dem werten Befinden, teilt das – selbstredend positive – Resultat des letzten Darm-Mikrobiom-Tests mit und schlägt eine Relax-Session im „Nature Pod“ vor, der Simulation eines tropischen Paradieses. Dazu säuselt unentwegt Klingklang-Musik zwischen Harfengezirpe, Lounge-Geplätscher und altem Cocktailbar-Jazz – dieses akustische Schaumbad seift den gesamten Film ein.

 

Keine Ecken + Kanten + Widerstände

 

Sein visuelles Gegenstück findet es in der fabelhaft stimmigen Ausstattung, die Produktdesigner Clement Price-Thomas entworfen hat. Alles ist zart pastellfarben, mit cremig glänzenden Kunststoff-Oberflächen und samtig-flauschigen Stoffen für Kissen oder Teppiche. Metall- und Glasflächen sind mattiert oder milchig und stets abgerundet. Keine Ecken, keine Kanten, keine Widerstände der Objektwelt: Alle Dinge sollen einschmeichelnd ergonomisch und mühelos zu handhaben sein – für die Infantilisierung der Benutzer, die Apple seit jeher anstrebt. Selbstentmündigung durch Komfort-Optimierung.

Offizieller Filmtrailer


 

Kinder bekommen ohne Karriere-Risiko

 

Ähnlich geht es im Büroturm zu, in dem Rachel beschäftigt ist; gedreht wurde in Belgien, doch solche Stahl-Glas-Kästen sehen überall gleich aus. Ein Plastikauge auf einem Sockel namens „Lena“ fragt sie bei jedem Arbeitsschritt aus wie ein wissbegieriger Praktikant, um sie demnächst zu ersetzen. Für Rachel kein ungewohnter Anblick; ihre Probleme bespricht sie mit ihrer KI-Therapeutin „Eliza“, einem riesigen Auge im Blütenkranz an der Wand.

 

Die Personalerin, die Rachel im Blick hat, ist aber noch aus Fleisch und Blut. Sie bietet ihr einen der raren Plätze im konzerneigenen „Womb Center“ an: So könne sie ein Kind bekommen, ohne ihre Karriere aufs Spiel zu setzen. Was Rachel überzeugt – Womb-Kinder sind teure, begehrte Statussymbole – Alvy hingegen nicht: Als Botaniker, der die zunehmende Entfremdung der Menschen von der Natur beklagt, besteht er auf der natürlichen Erfüllung ihres gemeinsamen Kinderwunsches.

 

Vollautomatisch gesteuerte Schwangerschaft

 

Doch Rachel kriegt ihn rum. Bald verbringen sie viel Zeit im „Womb Center“ und bestaunen das mattweiße Plastik-Ei, in dem ihr künstlich gezeugter Embryo heranwächst; es heißt „Pod“ wie eine Apple-Produktlinie. Temperatur, Gesundheits-Kontrolle, Nährstoffzufuhr, aber auch entspannende Beschallung und sogar kindgerechte Träume – alles wird automatisch geregelt. Allerdings kostet jede Kapsel, welche die leutselig lächelnde Center-Leiterin (Rosalie Craig) anbietet, extra. Um die künftigen Eltern nicht um die Freuden der Schwangerschaft zu bringen, dürfen sie ihren „Pod“ zuweilen ausleihen und im Tragegurt durch die Gegend transportieren.

 

Das klingt nach einer mild spöttischen Satire auf heutige Helikopter-Eltern, die alles richtig machen und nichts dem Zufall überlassen wollen. Was das Filmplakat-Motiv zu bestätigen scheint: vor einem Hintergrund in Babyrosa halten Clarke und Ejiofor mit verschränkten Händen das Pod-Ei und lächeln einander selig an. Doch Regisseurin Sophie Barthes hat weit mehr im Sinn als eine Feelgood-Sittenkomödie; sie lotet die moralischen Abgründe ihres Themas dezent, aber deutlich aus.

 

Geschlechterdifferenz endlich einebnen

 

Schon in ihrem Spielfilmdebüt „Cold Souls“ (2009) behandelte Barthes ein komplexes ethisches Problem im Gewand von Alltags-Science-Fiction: Was geschähe, wenn man die Seele aus dem Körper herausoperieren könnte wie ein Organ – und mit ihr dann schwunghafter Schwarzhandel getrieben würde? Die Ausgangsidee von „Baby To Go“ wirkt nur auf den ersten Blick genauso utopisch. De facto liegt sie viel näher angesichts von enormen Fortschritten der Reproduktionsmedizin in jüngster Zeit.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Madame Bovary" – Verfilmung der Roman-Klassikers von Gustave Flaubert durch Sophie Barthes

 

und hier eine Besprechung des Films "Ein freudiges Ereignis" – realistische Tragikomödie über werdende Eltern von Rémi Bezançon

 

und hier einen Beitrag über den Film "I am Mother" – SciFi-Thriller über eine gluckenhafte Roboter-Mutter von Grant Sputore

 

und hier einen Bericht über den Film  "Jackie – wer braucht schon eine Mutter" – tragikomisches Roadmovie über eine Leihmutter von Antoinette Beumer.

 

Zudem greift der Film eine Forderung des Turbo-Feminismus auf: die Geschlechterdifferenz auch bei der Fortpflanzung einzuebnen. Es stimmt ja: Mutterfreuden gefährden den pausenlosen Aufstieg auf der Karriereleiter. Mühsal, Schmerzen und Gesundheitsrisiken einer Schwangerschaft müssen allein Frauen ertragen.

 

Hausgeburt mit Hammer + Schraubenzieher

 

Die Auslagerung an Dienstleister würde endlich diese fundamentale Ungerechtigkeit der Natur beseitigen. Mit dem pikanten Nebeneffekt, dass nun auch Männer an dieser Pseudo-Schwangerschaft teilhaben könnten – während Frauen auf hormonell induziertes Mutterglück verzichten müssten. Derweil Alvy sich mit dem Pod vergnügt, ertappt sich Rachel öfter dabei, wie sie neidisch auf dicke Bäuche im achten Monat schaut.

 

Diese ultimative Entfremdung von unseren biologischen Wurzeln, um radikale Geschlechtergleichheit durchzusetzen, will Regisseurin Barthes aber doch nicht durchdeklinieren. Stattdessen macht sie in der letzten Viertelstunde einen Rückzieher, der nicht anders als reaktionär genannt werden kann: Plötzlich zählen nur noch lange Waldspaziergänge, Sonnenuntergänge am Strand sowie Hausgeburt – und sei es mit Hammer und Schraubenzieher. Das ist konsequent kitschig und emotional verständlich, holt aber ein hochfliegendes Gedankenexperiment wieder herunter auf das Niveau einer konventionellen Romcom.