
Würde der Film nicht auf wahren Begebenheiten beruhen, wäre er nichts weiter als ein Hollywood-Stereotyp: Ein engagierter Lehrer kommt an eine heruntergekommene Grundschule in einem mexikanischen Armenviertel. Dort sind Lehrpersonal und Schüler gleichermaßen resigniert und frustriert. „Stille, Gehorsam, Disziplin sind Grundlagen für den Lernerfolg“, wird den Kindern auf dem Schulhof in die Köpfe gehämmert. Kein Wunder, dass sie dichtmachen.
Info
Radical – Eine Klasse für sich
Regie: Christopher Zalla,
127 Min., USA/ Mexiko 2023;
mit: Eugenio Derbez, Daniel Haddad, Jennifer Trejo
Weitere Informationen zum Film
Jenseits des Lehrplans
Entsprechend irritiert reagieren Kinder und Kollegium, als am Anfang des Schuljahres 2011/12 der neue Lehrer Sergio (Eugenio Derbez) anfängt, alles umzukrempeln. Statt nach dem Lehrplan zu unterrichten, ergründet er, was die Kinder überhaupt interessiert und wie er sie aus der Reserve locken kann. Denn Potenzial hätten sie schließlich alle, ermutigt er sie. Die konventionellen Lehrweisen, nach denen Sergio lange unterrichtet hat, haben ihn am Ende deprimiert und ausgebrannt zurückgelassen.
Offizieller Filmtrailer
Riesige Entwicklungssprünge
Für seine neuen Methoden springt der Mittvierziger auch schon mal in ein Wasserbecken, um das Verhältnis von Masse und Verdrängung am praktischen Beispiel zu demonstrieren. Sergio agiert auf Augenhöhe mit seinen Schützlingen und weckt so ihr Interesse am selbstständigen Lernen. Auf einmal machen die Kinder riesige Entwicklungssprünge. Die zurückhaltende Paloma Loyola Bueno (Jennifer Trejo), Tochter eines Müllsammlers, entpuppt sich sogar als Mathegenie.
Tatsächlich veröffentlichte das US-Magazin „Wired“ im Oktober 2013 eine Reportage über eine erstaunliche Schulklasse aus Matamoros, deren in den Vorjahren stets schlecht abschneidende Schüler nun beim jährlichen landesweiten Leistungstest überdurchschnittlich gute Ergebnisse zeigten. Paloma erreichte in Mathematik die beste Punktzahl im ganzen Land.
Lehrerfilm nach dem Lehrbuch
Das Mädchen wurde als „The Next Steve Jobs“ auf die Titelseite des Magazins gehievt und der Lehrer Sergio Juárez Correa für seinen radikalen Lehransatz gewürdigt. Diesen Bericht nimmt der in Bolivien und den USA aufgewachsene Regisseur Christopher Zalla als Grundlage für seinen komplett spanischsprachigen Film. Das ist für eine US-amerikanische Produktion immer noch ungewöhnlich.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Das Lehrerzimmer" – packendes Psychodrama auf dem Schulgelände von İlker Çatak
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Erfolg in Mexiko + USA
Der in Mexiko sehr populäre Schauspieler Eugenio Derbez gibt seinen Lehrer mit viel Herzblut, Inbrunst und oft nah an der Grenze zum overacting. Bis auf Paloma verblassen alle anderen Figuren des Films neben ihm. Regisseur Zalla zeigt das soziale Umfeld in all seiner Härte sehr realistisch, federt dies aber durch eine dicke Portion mexikanischer Sentimentalität und Herzigkeit ab. Im Schlusschoral wird dann musikalisch noch mal ordentlich Pathos ausgegossen.
In Mexiko und den USA wurde Zallas Film trotz dieser etwas unausgewogenen Mischung zum Publikumserfolg. Immerhin vermittelt der Film zur Abwechslung einmal ein hoffnungsvolles Bild von einem Land, das seit Jahrzehnten mit überbordender Kriminalität und Korruption kämpft. Paloma Noyola Bueno hat sich nach ihrer Schulzeit übrigens nicht für ein Mathematik- sondern für ein Jurastudium entschieden. Die junge Frau engagiert sich heute in der Kommunalpolitik von Matamoros und tritt für Bildungsinitiativen ein.