Christopher Zalla

Radical – Eine Klasse für sich

Die Schulkinder können zunächst wenig mit ihrem neuen Lehrer Sergio Juarez (Eugenio Derbez) und seinen etwas anderen Lehrmethoden anfangen. © Ascot Elite Entertainment
(Kinostart: 21.3.) Der nächste Steve Jobs ist ein mexikanisches Mädchen: Regisseur Christopher Zalla porträtiert nach einem realen Vorbild einen engagierten Lehrer, der in seiner Schulklasse erstaunliche Begabungen freilegt. Sein so enthusiastischer wie sentimentaler Lehrerfilm folgt den Konventionen des Genres.

Würde der Film nicht auf wahren Begebenheiten beruhen, wäre er nichts weiter als ein Hollywood-Stereotyp: Ein engagierter Lehrer kommt an eine heruntergekommene Grundschule in einem mexikanischen Armenviertel. Dort sind Lehrpersonal und Schüler gleichermaßen resigniert und frustriert. „Stille, Gehorsam, Disziplin sind Grundlagen für den Lernerfolg“, wird den Kindern auf dem Schulhof in die Köpfe gehämmert. Kein Wunder, dass sie dichtmachen.

 

Info

 

RadicalEine Klasse für sich

 

Regie: Christopher Zalla,

127 Min., USA/ Mexiko 2023;

mit: Eugenio Derbez, Daniel Haddad, Jennifer Trejo

 

Weitere Informationen zum Film

 

Internet gibt es an der Schule nicht, der Computerraum existiert nur auf dem Papier, und selbst die Bibliothek ist veraltet. Die meisten Schülerinnen und Schüler in der mexikanischen Grenzstadt Matamoros sind den sozialen Verwerfungen der Gesellschaft schutzlos ausgesetzt: Es gibt große Armut, Gewalt auf den Straßen und kaum sichere Rückzugsmöglichkeiten, um einfach nur Kind sein zu können. Viele gehen früh von der Schule ab, weil ihnen Drogen-Gangs bessere Perspektiven bieten oder weil sie ihre Familien unterstützen müssen.

 

Jenseits des Lehrplans

 

Entsprechend irritiert reagieren Kinder und Kollegium, als am Anfang des Schuljahres 2011/12 der neue Lehrer Sergio (Eugenio Derbez) anfängt, alles umzukrempeln. Statt nach dem Lehrplan zu unterrichten, ergründet er, was die Kinder überhaupt interessiert und wie er sie aus der Reserve locken kann. Denn Potenzial hätten sie schließlich alle, ermutigt er sie. Die konventionellen Lehrweisen, nach denen Sergio lange unterrichtet hat, haben ihn am Ende deprimiert und ausgebrannt zurückgelassen.

Offizieller Filmtrailer


 

Riesige Entwicklungssprünge

 

Für seine neuen Methoden springt der Mittvierziger auch schon mal in ein Wasserbecken, um das Verhältnis von Masse und Verdrängung am praktischen Beispiel zu demonstrieren. Sergio agiert auf Augenhöhe mit seinen Schützlingen und weckt so ihr Interesse am selbstständigen Lernen. Auf einmal machen die Kinder riesige Entwicklungssprünge. Die zurückhaltende Paloma Loyola Bueno (Jennifer Trejo), Tochter eines Müllsammlers, entpuppt sich sogar als Mathegenie.

 

Tatsächlich veröffentlichte das US-Magazin „Wired“ im Oktober 2013 eine Reportage über eine erstaunliche Schulklasse aus Matamoros, deren in den Vorjahren stets schlecht abschneidende Schüler nun beim jährlichen landesweiten Leistungstest überdurchschnittlich gute Ergebnisse zeigten. Paloma erreichte in Mathematik die beste Punktzahl im ganzen Land.

 

Lehrerfilm nach dem Lehrbuch

 

Das Mädchen wurde als „The Next Steve Jobs“ auf die Titelseite des Magazins gehievt und der Lehrer Sergio Juárez Correa für seinen radikalen Lehransatz gewürdigt. Diesen Bericht nimmt der in Bolivien und den USA aufgewachsene Regisseur Christopher Zalla als Grundlage für seinen komplett spanischsprachigen Film. Das ist für eine US-amerikanische Produktion immer noch ungewöhnlich.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Das Lehrerzimmer" – packendes Psychodrama auf dem Schulgelände von İlker Çatak

 

und hier eine Besprechung des aktuellen biografischen Spielfilms "Maria Montessori" von Léa Todorov 

 

und hier einen Beitrag über den Film "Brother’s Keeper" – beeindruckendes Drama in einem Internat von Ferit Karahan

 

Er erzählt die Erfolgsgeschichte von Sergios Schulklasse mit allen bekannten Zutaten des Lehrerfilm-Genres, wie es spätestens seit „Der Club der toten Dichter“ (1989) international etabliert ist. Natürlich gibt es Rückschläge und engstirnige Gegenspieler, zwischenzeitlich Resignation und kurz vor Schluss sogar eine Tragödie um einen der Schüler. Neben vielen, teils sehr langen Unterrichtssequenzen fehlen auch feurige Motivationsreden nicht.

 

Erfolg in Mexiko + USA

 

Der in Mexiko sehr populäre Schauspieler Eugenio Derbez gibt seinen Lehrer mit viel Herzblut, Inbrunst und oft nah an der Grenze zum overacting. Bis auf Paloma verblassen alle anderen Figuren des Films neben ihm. Regisseur Zalla zeigt das soziale Umfeld in all seiner Härte sehr realistisch, federt dies aber durch eine dicke Portion mexikanischer Sentimentalität und Herzigkeit ab. Im Schlusschoral wird dann musikalisch noch mal ordentlich Pathos ausgegossen.

 

In Mexiko und den USA wurde Zallas Film trotz dieser etwas unausgewogenen Mischung zum Publikumserfolg. Immerhin vermittelt der Film zur Abwechslung einmal ein hoffnungsvolles Bild von einem Land, das seit Jahrzehnten mit überbordender Kriminalität und Korruption kämpft. Paloma Noyola Bueno hat sich nach ihrer Schulzeit übrigens nicht für ein Mathematik- sondern für ein Jurastudium entschieden. Die junge Frau engagiert sich heute in der Kommunalpolitik von Matamoros und tritt für Bildungsinitiativen ein.